# taz.de -- Geplante Gasbohrung im Wattenmeer: Nicht in Stein gemeißelt
> Vor Borkum befinden sich mehr zu schützende Steinriffe als bislang
> bekannt. Das ergibt eine Greenpeace-Untersuchung zur geplanten
> Gasbohrung.
IMG Bild: So hübsch ist es in der Nordsee: Schützenswertes Steinriff in dem für Gasbohrungen vorgesehenen Gebiet vor Borkum
Hamburg taz | Nun sprechen also viele weitere steinige Argumente gegen die
geplanten Gasbohrungen im Wattenmeer vor Borkum: So sieht es jedenfalls die
Umweltorganisation Greenpeace. Sie veröffentlichte am Donnerstag ein von
ihr in Auftrag gegebenes Gutachten, nach dem sich im Gebiet, [1][in dem das
Energieunternehmen One-Dyas nach Gas bohren will, mehr streng geschützte
Steinriffe befinden, als bislang bekannt war.] Das habe eine
Sonar-Untersuchung des Meeresgrundes ergeben. „Unter diesen Umständen darf
die niedersächsische Landesregierung das Projekt auf keinen Fall
bewilligen“, sagt Franziska Saalmann, Meeresbiologin bei Greenpeace.
Knapp drei Wochen lang war ein Schiff mit seinem Sonargerät vor Borkum
unterwegs, um Steine mit einem Durchmesser von mindestens 30 Zentimetern zu
orten: Kommen diese auf kleiner Fläche in hoher Anzahl und ohne großen
Abstand vor, gelten sie als schützenswerte Riffe. „Steinriffe sind nach der
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) ein europarechtlich geschützter
Lebensraumtyp“, heißt es auch vom niedersächsischen Umweltministerium.
Nachdem die Umweltorganisation schon im vergangenen Jahr mehrere dieser
zuvor unbekannten Riffe entdeckt hatte, wurde sie nun erneut an mehreren
anderen Stellen fündig. „Auf diesen Steinen im Schlick wachsen
korallenähnliche Organismen, die Lebensraum vieler bedrohter Tierarten
sind“, sagt Manfred Santen, der ebenfalls für Greenpeace an der Erforschung
mitgearbeitet hat. Würmer, Hummer oder Garnelen lebten hier etwa.
## Förderbetrieb zerstört Riffe
Nur sehen Umweltschützer:innen diese Lebensräume akut gefährdet: Das
niederländische Unternehmen One-Dyas will auf deutscher wie auf
niederländischer Seite des Wattenmeers nach Gas bohren. Das Gebiet liegt
mittig zwischen europäischen Meeresschutzgebieten und dem Nationalpark
Wattenmeer. „Die Steinriffe sind durch das Gasprojekt in akuter Gefahr“,
sagt Saalmann. Schon die Bohr- und Baggerarbeiten vor dem Förderbetrieb
würden Riffe zerstören, danach [2][würden durch die Gasförderung
Chemikalien am Meeresgrund freigesetzt, die eine Gefahr für die Umwelt
bedeuteten.]
Die Ergebnisse der neueren Untersuchungen seien aus Greenpeace-Sicht auch
deshalb entscheidend, weil bislang Gegenteiliges behauptet wurde: One-Dyas
hatte zuvor im Bereich der geplanten Arbeiten eigene Untersuchungen
durchgeführt. „Dabei sind angeblich keine Steinriffe gefunden worden“, sagt
Saalmann. Das neue Gutachten widerlege diese Angaben und gelte sowohl für
die nahe dem geplanten Förderturm gelegenen Bereiche als auch entlang der
Trassenführung für die Stromversorgung.
## Greenpeace sieht das Vorhaben kritisch
Die Ergebnisse sind besonders für die ausstehende Genehmigung auf deutscher
Seite relevant: Hier muss das Niedersächsische Landesamt für Bergbau,
Energie und Geologie dem Vorhaben am Ende zustimmen – das steht bislang
noch aus. Ergebe sich im Planfeststellungsverfahren, dass die Sicherheit
für den Umwelt- und Naturschutz gewährleistet ist, werde es eine
Genehmigung geben, hatte Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) erklärt.
Das Land habe aber in der Vergangenheit die Prüfung der Meeresumwelt in der
Nähe der Bohrstelle stark vernachlässigt, hatte Greenpeace schon im
vergangenen Jahr kritisiert. Auch die mitregierenden Grünen stehen dem
Vorhaben kritisch gegenüber.
Die Umweltorganisation veröffentlichte ihre Ergebnisse just an jenem Tag,
an dem in Den Haag vor Gericht erneut über die Genehmigung auf
niederländischer Seite verhandelt wird: Dort [3][klagen die Deutsche
Umwelthilfe, die Gemeinde Borkum und weitere Umweltgruppen gegen die
bereits erteilte Bohrerlaubnis.] Beim ersten Verhandlungstermin im
vergangenen September hatten die Kläger schon einen ersten Erfolg: Das
Gericht hatte dem Unternehmen untersagt, mit den Vorarbeiten anzufangen.
25 Jan 2024
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## AUTOREN
DIR André Zuschlag
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