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       # taz.de -- Gerichtsurteil und Studie gegen Airbnb: Airbnb an die Daten gehen
       
       > Bezirke dürfen Airbnb zur Datenherausgabe verpflichten, urteilt das
       > Verwaltungsgericht. Doch die Plattform bleibt schwer zu kontrollieren.
       
   IMG Bild: Mit dem Rollkoffer in die Kommodifizierung der Städte
       
       Berlin taz | [1][Airbnb] darf nicht weiter die Herausgabe von
       Vermieterdaten an die Bezirke verweigern – so wie es die
       Ferienwohnungsplattform mit Berufung auf ihren irischen Geschäftssitz oder
       vermeintlichen Datenschutz bisher getan hat. Das hat das Berliner
       Verwaltungsgericht Ende Juni entschieden – und nun in einem ausführlichen
       schriftlichen Urteil begründet.
       
       Airbnb hatte gegen den Bezirk Tempelhof-Schöneberg geklagt, weil dieser die
       Herausgabe der Daten zu Inseraten sowie deren Löschung verlangt hatte, bei
       denen aufgrund fehlender oder falscher Registriernummern der
       Anfangsverdacht der Zweckentfremdung vorlag. Wer seine Wohnung an
       Tourist*innen vermieten will, braucht dafür nämlich seit dem letztmalig
       im August 2018 veränderten Zweckentfremdungsverbotsgesetz eine Genehmigung
       des Bezirksamtes und eine individuelle Registriernummer.
       
       Das Bezirksamt hatte sich im März 2019 die über die Analyseplattform Inside
       Airbnb gelisteten Angebote angeschaut. Von den damals 22.251 Angeboten von
       Ferienwohnungen in Berlin enthielten demnach 20.696 Anzeigen keine oder
       falsche Registriernummern. Den amtlichen Bescheid, die Nutzerdaten für etwa
       400 Wohnungen herauszugeben, wies der Konzern mit dem Argument zurück,
       einzig irischem Recht und der Aufsicht dortiger Behörden zu unterliegen.
       Die Herausgabe personenbezogener Daten erfolge nur bei Bedrohung für
       Menschenleben, die Existenz des Staates oder bei Verdacht einer schweren
       Straftat. Zudem gehe es Airbnb um die informationelle Selbstbestimmung
       seiner Nutzer*innen.
       
       Diese Argumentation wiesen die Richter*innen zurück. Durch das
       Zweckentfremdungsverbotsgesetz sei das Auskunfsverlangen des Bezirks
       gedeckt, das Telemediengesetz, das sich auf die europäische
       E-Commerce-Richtlinie stützt, steht der Übermittlung durch Airbnb nicht im
       Wege. Der Auskunftsanspruch sei mit europäischem Recht vereinbar. Airbnb
       dürfe sich nicht auf das Herkunftslandprinzip berufen, wonach die Tätigkeit
       von Dienstanbietern allein nach dem Recht des Herkunftsstaats beurteilt
       wird, da das Auskunftsverlangen nicht den freien Dienstleistungsverkehr
       einschränke.
       
       Außerdem ist laut Gericht der Eingriff in die Datensouveränität der
       User*innen verhältnismäßig, da nur klar definierte Basisdaten der
       Vermieter*innen sowie Merkmale zu Wohnung und Vermietung angefordert
       wurden. Einzig die Abfrage der Vermietungsdaten vor 2018 wies das Gericht
       zurück.
       
       ## Keine direkte Auswirkung
       
       Die zuständige Stadträtin Christiane Heiß (Grüne) hatte bereits nach der
       mündlichen Verhandlung gegenüber dem [2][RBB] von „weitreichenden Folgen“
       des Urteils gesprochen, „mindestens bundesweit, vielleicht sogar in der
       EU“. Unmittelbar wird der Bezirk dennoch keine Daten erhalten. Das Gericht
       ließ eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zu – und Airbnb wird jede
       Möglichkeit nutzen, die Datenherausgabe zu verhindern. Selbst bei einem
       letztinstanzlichen Urteil und einem Ordnungsgeld des Bezirkes bleibt die
       Herausforderung, dieses per Gerichtsvollzieher in Irland einzutreiben. Ein
       Ende der systematischen Umgehung rechtlicher Regeln durch Airbnb ist also
       vorerst nicht in Sicht.
       
       Bei der Vorstellung einer [3][Aribnb-Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit
       dem Titel „Gemütliches Loft mit Aussicht auf Verdrängung“] am Mittwoch
       sagte die Linke Stadtentwicklungsexpertin Katalin Gennburg dann auch, dass
       es eine Regelung auf europäischer Ebene bedürfe, etwa über den [4][Digital
       Services Act], der derzeit neu verhandelt werde.
       
       Ob die von der Linksfraktion im EU-Parlament befürwortete Datenregulierung,
       etwa eine „konsequente Bestrafung bei Verweigerung von Datenaustausch“ bei
       gleichzeitiger Herausnahme von Regulierungen, die kommunalen Wohnraumschutz
       betreffen, tatsächlich zustande kommt, steht jedoch in den Sternen. Auch
       eine Digitalsteuer für Internetunternehmen sei eine der weiterhin
       anstehenden Aufgaben, so Gennburg.
       
       ## Vielfältige Probleme
       
       Kommunen stehen laut Studie derzeit vor folgendem Problem: „Weil Airbnb
       seine User deckt, wenn diese lokale Gesetze gegen Kurzzeitvermietungen
       brechen, indem das Unternehmen die Daten nicht freigibt, besteht kaum ein
       Überblick über die von Airbnb-Nutzer*innen angebotenen Wohnungen.“ Nur über
       die Einsicht in die Daten vor allem der genauen Adressen der Angebote sei
       die „Rückgewinnung dieses zweckentfremdeten Wohnraums“ zu erreichen.
       
       Mehr als 20.000 Angebote, davon 10.000 ganze Wohnungen, führen, so die
       Studie, zu einer „Kommodifizierung, also dem Zur-Ware-Machen des Wohnens“,
       zur „Aufwertung“ von Nachbarschaften, höheren Mieten und Verdrängung von
       Gewerbe für den täglichen Bedarf zugunsten von touristischen Angeboten.
       Dazu komme ein mehrfacher steuerlicher Verlust für die Städte: Als Konzern
       mit irischem Sitz zahlt Airbnb in Berlin keine Steuern auf seine Einnahmen;
       zudem geben viele Vermieter*innen ihre Einnahmen nicht bei der Steuer
       an und zahlen auch nicht die Tourismussteuer City Tax.
       
       Mit einer [5][Schärfung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes] ist derzeit
       das Abgeordnetenhaus beschäftigt. Nach einer Anhörung im
       Stadtentwicklungsausschuss Mitte Juni könnte noch Mitte August der
       Gesetzesentwurf beschlossen werden. Doch an dem Vorschlag aus der
       Verwaltung von Senator Sebastian Scheel (Linke) gibt es Kritik aus den
       eigenen Reihen. Vorgesehen ist bislang vor allem, die
       Registriernummernpflicht auch auf gewerbliche Angebote auszudehnen, so dass
       jede Annonce eine Nummer braucht. Weil aber Gewerbe nicht unter das
       Gesetzesziel Wohnraum falle, werde das Gesetz so angreifbar, sagt etwa die
       Grüne Katrin Schmidberger.
       
       Sie und Gennburg setzen sich darüber hinaus dafür ein, die Ausnahme,
       Zweitwohnungen bis zu 90 Tage untervermieten zu dürfen, zu streichen. Die
       SPD allerdings habe angekündigt, keine weiteren Verschärfungen mitzutragen.
       
       28 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Airbnb/!t5010117
   DIR [2] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2021/07/berlin-airbnb-bezirksamt-christiane-heiss-interview-illegale-vermietung.html
   DIR [3] https://www.rosalux.de/publikation/id/44539
   DIR [4] /EU-will-Konzerne-haerter-regulieren/!5739464
   DIR [5] /Schaerferes-Zweckentfremdungsverbot/!5747309
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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