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       # taz.de -- Geschlechtergerechtigkeit in der CDU: Die Quote auf der Tagesordnung
       
       > Die Christdemokraten haben ein Frauenproblem – selbst Parteichef Merz hat
       > das inzwischen gemerkt. Nun gibt es einen neuen Anlauf für eine
       > Frauenquote.
       
   IMG Bild: Hat die Frauenquote bisher stets „zweitbeste Lösung“ genannt: CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz
       
       Berlin taz | Seit Anke Rehlinger für die SPD [1][die Landtagswahl im
       Saarland gewonnen] hat, erfreut sich ein Foto vierer Frauen in den sozialen
       Netzwerken großer Beliebtheit. Neben Rehlinger stehen Malu Dreyer, Manuela
       Schwesig und Franziska Giffey. Alle vier sind Sozialdemokratinnen – und sie
       sind (oder werden) Ministerpräsidentinnen. Dass sich die SPD so über die
       vier freuen kann, liegt auch daran, dass es bei der Konkurrenz so desaströs
       aussieht.
       
       Die CDU stellt nur noch fünf Ministerpräsidenten, eine Frau ist nicht
       dabei. Und nicht nur das: Seit Julia Klöckner jüngst den Vorsitz der CDU in
       Rheinland-Pfalz abgegeben hat, wird keiner der Landesverbände mehr von
       einer Frau geleitet, die Bundespartei schon seit Anfang vergangenen Jahres
       nicht mehr.
       
       An der Spitze der Fraktionen im Bund und in den Ländern gibt es nur eine
       Frau: Ines Claus in Hessen. Als es dort aber um den Nachfolger für
       Ministerpräsident Volker Bouffier ging, war Claus schnell aus dem Rennen.
       Auch im Saarland, wo Tobias Hans nach der verlorenen Wahl von der Spitze
       des Landesverbands abtreten muss, scheinen die Männer die Nachfolge unter
       sich auszumachen. Trotz 16 Jahren Kanzlerin ist die Macht in der CDU
       derzeit vor allem männlich.
       
       Attraktiv für Frauen ist das nicht. Bei der Bundestagswahl im September ist
       die Union in der Gunst der Wählerinnen stark eingebrochen. Der Frauenanteil
       unter den CDU-Mitgliedern liegt bei gut 26 Prozent, bei den Neueintritten
       nur minimal darüber.
       
       ## Merz spricht von einem „gehörigen Defizit“
       
       Dass es so nicht weiter gehen kann, hat inzwischen auch Parteichef
       Friedrich Merz gemerkt. Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl muss er die
       CDU wieder aufrichten und tauglich für die Zukunft machen, ohne Frauen wird
       das nicht gehen. Merz spricht von einem „gehörigen Defizit“ und sagt: „Das
       kann nicht so bleiben.“ Wie er das allerdings bewerkstelligen will, ist
       nicht bekannt.
       
       Als Freund der Quote hat Merz sich jedenfalls nicht hervorgetan, im
       Gegenteil. Diese sei die „zweitbeste Lösung“, hat er bislang stets gesagt –
       was man als Absage werten kann. Auf die Anfrage der taz, ob sich daran
       etwas geändert habe, heißt es aus der CDU nur, Merz wolle sich zu diesem
       Thema derzeit nicht äußern.
       
       Eigentlich sollte die CDU längst eine Frauenquote haben. [2][Bereits vor
       knapp zwei Jahren] hatte sich die Struktur- und Satzungskommission nach
       zähem Ringen auf eine stufenweise Einführung einer Quote bei
       Vorstandswahlen ab der Kreisebene geeinigt. Ab 2021 sollte sie bei einem
       Drittel, ab 2025 dann bei der Hälfte liegen.
       
       Die damalige Parteichefin [3][Annegret Kramp-Karrenbauer] stand dahinter,
       ein Parteitag sollte die Quote beschließen. Dann kam Corona, zwei
       Parteitage wurden ins Netz verlegt, das Thema verschoben.
       Satzungsänderungen können nur von einem Präsenzparteitag verabschiedet
       werden. Einen solchen soll es nun im September in Hannover geben. Dort
       steht der Antrag zur Einführung der Quote auf der Tagesordnung.
       
       ## Hoffnung auf den Parteitag im September
       
       Yvonne Magwas ist stellvertretende Bundestagspräsidentin und auch
       stellvertretende Vorsitzende der Frauen-Union. Sie fordert, dass die CDU
       die Quote endlich beschließt – und dass Merz sich dafür einsetzen soll.
       „Die Ergebnisse der Struktur- und Satzungskommission sind ein breiter und
       guter Kompromiss, sie müssen umgesetzt werden“, sagte Magwas der taz.
       
       Die Sächsin war damals bei den Verhandlungen dabei. Alle Landesverbände und
       Vereinigungen seien beteiligt gewesen, man habe damals bis tief in die
       Nachtstunden hinein gerungen. Magwas: „Wir als Frauenunion hatten
       weitergehende Forderungen, auch wir haben Zugeständnisse gemacht.“
       
       Der Parteitag im September solle eine Unterstützung für die Wahlkämpfer in
       Niedersachsen sein. „Da wäre es gut, wenn wir uns vorher auf einen
       mehrheitsfähigen Vorschlag einigen würden.“ Ein solcher Vorschlag sei das
       Paket der Satzungskommission, zu der auch weitere Aspekte wie die
       Anerkennung der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) als Vereinigung und
       die Einführung eines Jugendstellvertreters gehören würden. Magwas sieht
       hier auch Merz in der Pflicht: „Für einen solchen Vorschlag muss auch der
       Parteivorsitzende sorgen.“
       
       ## Frauenanteil hat sich nicht geändert
       
       Derzeit gilt in der CDU als offen, ob die Frauenquote im September
       beschlossen wird. [4][Bereits bei der Vorstandswahl im Januar] nutzten
       Gegner:innen der Quote die Chance, gegen diese Front zu machen. Dass
       damals mehr Frauen als Männer für das Führungsgremium kandidierten, wurde
       als Zeichen ausgelegt, dass in der CDU keine Quote mehr nötig sei.
       
       Dass sich am Ende trotzdem wieder deutlich mehr Männer durchsetzten,
       scheint nicht bei allen angekommen zu sein. So behauptete der neue
       Parteivize Carsten Linnemann, unter dessen Führung ein neues
       Grundsatzprogramm erarbeitet werden soll, nach der Saarland-Schlappe im
       ARD-Morgenmagazin: „Wir haben noch nie so viele Frauen im Bundesvorstand
       gehabt wie derzeit.“ [5][Das allerdings stimmt gar nicht.] Der Frauenanteil
       in diesem Gremium hat sich bei der letzten Wahl nicht verändert.
       
       3 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR [4] /Vor-dem-Bundesparteitag-der-CDU/!5825859
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   DIR Sabine am Orde
       
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