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       # taz.de -- Gesundheitsversorgung für Obdachlose: Helfer brauchen mehr Geld
       
       > Die Träger von Arzt-Praxen für Obdachlose fordern Gesundheitszentren und
       > mehr Geld. Senatorin ist einsichtig, aber vor 2028 sei nichts zu machen.
       
   IMG Bild: Viele Obdachlose sind nicht krankenversichert und daher von der medizinischen Regelversorgung ausgeschlossen
       
       Berlin taz | Die medizinische Versorgung von Obdachlosen beziehungsweise
       Menschen ohne Krankenversicherung wird in Berlin immer schwieriger. Denn
       die Zahl der Obdachlosen steigt weiter, gleichzeitig sind die Praxen und
       Ambulanzen, die sich um Menschen ohne Krankenversicherung kümmern,
       finanziell unzureichend ausgestattet und können nur durch ehrenamtliches
       Engagement aufrechterhalten werden. Das sind die zentralen Erkenntnisse aus
       dem zweiten Gesundheitsbericht des Runden Tischs zur medizinischen
       Versorgung obdachloser Menschen, der am Montag vorgestellt wurde.
       
       „Der Bericht verdeutlicht die Notwendigkeit der Einrichtung von
       Gesundheitszentren“ für die Zielgruppe, sagte [1][Kai-Gerrit Venske,
       Vertreter der Caritas beim Runden Tisch] und Mitverfasser des Berichts.
       Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD), die bei der Vorstellung des
       Berichts zugegen war, schloss sich den Forderungen prinzipiell an. Der
       „prekäre Flickenteppich der Versorgung“ Obdachloser führe zu „eskalierenden
       Krankheitsverläufen“ und damit zu vermeidbaren Kosten, sagte sie. Doch Geld
       für die Gesundheitszentren werde es erst im übernächsten Doppelhaushalt,
       also ab 2028, geben können.
       
       „Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit“, um den Bereich ausreichend aus
       Landesmitteln zu finanzieren, schränkte sie zu hohe Erwartungen ein. Dabei
       gehe es gar nicht um so viel Geld, gab sie zu: Es werde wohl eine Summe im
       „niedrigen einstelligen Millionenbereich“ zusammenkommen.
       
       2018 hatte der [2][Runde Tisch] seinen ersten Bericht vorgelegt. In dem
       Gremium sind alle Einrichtungen beteiligt, die an der (zahn-)medizinischen
       Versorgung obdachloser und nicht krankenversicherter Menschen beteiligt
       sind wie beispielsweise das Caritas Arzt-Mobil, die Gebewo-Praxis am
       Stralauer Platz, die Ambulanz der Stadtmission.
       
       ## 10.000 Menschen versorgt
       
       Seit dem ersten Bericht, der Daten von 2016 verarbeitete, sei der Bedarf um
       rund 20 Prozent gestiegen, sagte Venske. In 2023 wurden laut Bericht knapp
       10.000 Menschen medizinisch versorgt, es gab 33.000 Konsultationen. 82
       Prozent der Patienten hatten keine Krankenversicherung, 75 Prozent kamen
       aus anderen EU-Ländern oder „Drittstaaten“.
       
       Die Forderung nach Gesundheitszentren, die verschiedene medizinische,
       psychologische und soziale Angebote als „Brücke“ in die Regelversorgung
       machen sollen, habe der Runde Tisch „schon lange“ formuliert, betonte
       Venske – aber bisher sei nichts passiert. Erst im Dezember nahm die
       Landesgesundheitskonferenz unter Beteiligung von Cyzborras Haus die
       Forderung auf und erarbeitete dafür ein Konzept.
       
       „Wir fiebern auf die Umsetzung und hoffen auf ausreichende Finanzierung“,
       sagte Christin Rechnagel, Leiterin der Gewebo-Praxis am Stralauer Platz,
       die schon am ersten Bericht beteiligt war. Die Praxis sei nur prekär
       finanziert, auch mit Projektmitteln, die immer wieder auslaufen. Daher sei
       man auf Spenden und Ehrenamtliche angewiesen, für 2025 habe man 60.000 Euro
       prognostizierten Fehlbedarf.
       
       Dabei steigt auch in dieser Praxis der Bedarf. Seit dem 1. Bericht haben
       sich die Patientenzahlen laut Rechnagel verdreifacht, doch Räume und
       Personal hätten mangels Geld nicht mitwachsen können. Die Folge: „Unsere
       Mitarbeiter haben deutlich weniger Zeit für den einzelnen Menschen. Das ist
       besonders tragisch, da wir den Eindruck haben, dass die Probleme der
       Menschen zunehmen.“
       
       19 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mehr-kranke-Obdachlose-in-Berlin/!5563917
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   DIR Susanne Memarnia
       
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