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       # taz.de -- Gewalt gegen Frauen: Frauenschläger machen keine Ferien
       
       > Die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen stellt einen enormen
       > Anstieg Hilfesuchender fest. Plätze in Frauenhäusern sind jedoch
       > Mangelware.
       
   IMG Bild: Trotz akuter Bedrohung bekommt der Großteil der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen keinen Schutzplatz in Berlin
       
       Berlin taz | Die Sommerferien sind für die meisten eine Zeit der Erholung.
       Für viele Frauen sind sie jedoch eine Zeit des Grauens. Zum Ferienstart in
       Berlin schlägt daher die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG)
       Alarm und zeigt sich besorgt über den massiven Anstieg der Hilfesuchenden:
       Mit insgesamt 895 Anrufen im Mai und 814 im Juni erreichte die BIG-Hotline
       die höchsten Anrufzahlen außerhalb der Coronazeit, teilte die Initiative am
       Montag mit.
       
       In den Vorjahren habe das Anrufaufkommen im Schnitt bei rund 750 pro Monat
       gelegen und sei dann nach den Sommerferien angestiegen, sagt
       BIG-Koordinatorin Nua Ursprung der taz. Die Referentin bei der
       Anti-Gewalt-Initiative erklärt das damit, dass die Familien in den Ferien
       mehr Zeit miteinander verbringen. Dadurch steigen auch die Gewaltvorfälle.
       
       Wenn die Ferien vorbei und die Frauen aus der Bedrohungssituation raus
       seien und wieder ungestörter telefonieren könnten, suchten sie sich Hilfe.
       „Dass die Zahlen jetzt schon so hoch sind, ist neu und macht uns Sorgen“,
       so Ursprung. Sie führt den dramatischen Anstieg auch auf die aufgeheizte
       Stimmung in der Gesellschaft zurück.
       
       Besonders besorgniserregend: An mehr als drei Viertel der Anruferinnen, die
       sich in akuter Gefahr befanden, konnte kein Frauenhausplatz in Berlin
       vermittelt werden. Im Jahr zuvor waren es noch rund zwei Drittel gewesen.
       „Dass keine Schutzplätze frei werden, ist in Berlin [1][seit Jahren ein
       gewaltiges Problem]“, sagt Nua Ursprung. Mit der gestiegenen Anzahl an
       hilfesuchenden Frauen spitzt sich die Situation weiter zu.
       
       ## Rechentricks bei Frauenhausplätzen
       
       Dabei gibt es eigentlich ein Gesetz, das die Versorgung mit
       Frauenhausplätzen sicherstellen soll: Seit 2018 gilt in Deutschland die
       [2][Istanbul-Konvention] zum Schutz von Frauen. Die schreibt 2,5
       Schutzplätze für Frauen und deren Kinder pro 10.000 Einwohner*innen
       vor. Für die Hauptstadt wären das rund 920 Schutzplätze. In den acht
       Frauenhäusern in Berlin gibt es insgesamt jedoch nur 462 Plätze – also
       gerade einmal die Hälfte.
       
       Wie ist das möglich? Ines Schmidt, frauenpolitische Sprecherin der
       Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, erklärt das mit einem
       Taschenspielertrick. Denn neben Frauenhausplätzen, die sich durch eine
       intensive Betreuung und Bewachung und einen niedrigschwelligen Zugang
       auszeichnen, gibt es noch sogenannte 2.-Stufe-Wohnungen sowie
       Zufluchtswohnungen.
       
       Die haben aber niedrigere Sicherheitsstandards und sind für die Betroffenen
       nicht so leicht zugänglich. „Die Senatsverwaltung schmeißt alles in einen
       Topf, um die Istanbul-Konvention zu erfüllen“, kritisiert Schmidt.
       
       Im Herbst vergangenen Jahres hat der schwarz-rote Senat einen
       [3][Landesaktionsplan] zur Umsetzung der Konvention beschlossen. Der sei
       jedoch nicht wie in anderen Bundesländern mit konkreten Zahlen für die
       Umsetzung hinterlegt, kritisiert die Berliner Initiative gegen Gewalt an
       Frauen. Zusätzlich werde im Bereich der Prävention gespart, also etwa bei
       Projekten in Schulen über Gewalt und alternative Lösungsstrategien für
       Schüler*innen, ihre Eltern und Lehrer*innen.
       
       ## 5-Punkte-Plan zum besseren Schutz von Frauen
       
       Doch was passiert mit den 427 Frauen, die in Berlin allein im Mai keinen
       Schutzplatz bekommen haben? „Wir beraten sie über mögliche Alternativen“,
       sagt Nua Ursprung von BIG. In akuten Gewaltsituationen könnten – und
       sollten – Frauen die Polizei rufen. Die kann den Täter zur Gefahrenabwehr
       für zwei Wochen aus der gemeinsamen Wohnung verweisen. Ansonsten müssten
       die Betroffenen bei Freund*innen oder Verwandten unterkommen und hoffen,
       dass am nächsten Tag ein Platz im Frauenhaus frei wird.
       
       Um den Schutz von Frauen vor Gewalt künftig zu verbessern, wollen die
       Grünen nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen. Ihr 5-Punkte-Plan
       sieht gesetzliche Verschärfungen, Geldbußen und Präventionsarbeit vor. Die
       Erfolgsaussichten sind angesichts der Sparvorgaben des Senats jedoch
       fraglich. So wurden im Gewaltschutz-Etat bereits in diesem Jahr 1,7 von 8
       Millionen Euro gekürzt.
       
       Und das, obwohl [4][sich die Situation verschärft]: „Während wir letztes
       Jahr noch davon sprachen, dass jeden dritten Tag eine Frau von ihrem
       Partner oder Ex-Partner getötet wird, stirbt inzwischen jeden zweiten Tag
       eine Frau“, sagt Sama Zavaree von der BIG-Hotline.
       
       22 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ueberfuellte-Frauenhaeuser/!5949140
   DIR [2] /Fuenf-Jahre-Istanbul-Konvention/!5912016
   DIR [3] /Gleichstellungsplaene-von-Schwarz-Rot/!5924670
   DIR [4] /155-Femizide-in-Deutschland/!6015782
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Frank
       
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