# taz.de -- Gewerkschaftstagung des DGB: Offensiv gegen Vermögensteuern
> Der DGB lädt zur „Verteilungskonferenz“. CDU-Fraktionsvize Gröhe schießt
> gegen Robert Habeck, Christian Lindner gegen einen Familienunternehmer.
IMG Bild: Den Reichen nehmen? FDP und Union sind dagegen
BERLIN taz | Am Donnerstagmorgen sah es noch einer gewöhnlichen
Gewerkschaftstagung aus. „Die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen ist
hierzulande größer als in vielen anderen Industriestaaten. Die Zahl der
Superreichen und ihre Vermögen nehmen stetig zu“, stand im Einladungstext
zur „Verteilungskonferenz“ des DGB und der gewerkschaftsnahen
Böckler-Stiftung.
Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand leitete die Konferenz mit den
üblichen Forderungen nach einer Vergabe von öffentlichen Aufträgen an
tariftreue Betriebe und mehr öffentlichen Investitionen ein. Dann
referierte Dorothee Spannagel (Böckler-Stiftung) über die Verteilung von
Armut und Reichtum in Deutschland. Armut sitze tendenziell in
Ostdeutschland und auch im Ruhrgebiet, sie sei tendenziell weiblich,
Reichtum dagegen männlich. „Es gibt die Gefahr einer doppelten Exklusion“,
sagte sie. Nicht nur der Armen: „Auch die Reichen ziehen sich mittels
Privatschulen- und universitäten aus der Gesellschaft zurück.“
Zum großen Zusammenstoß kam es am Nachmittag, als Vertreter der im
Bundestag vertretenen Parteien (außer der AfD) geladen waren. FDP-Chef
Christian Lindner wollte sich beim DGB ebenso wie Unionsfraktionschef
Hermann Gröhe erst gar nicht in die Defensive drängen lassen. „Frau Kipping
sagt, man muss die Regierung kritisieren. Ich fange mit der Regierung in
Thüringen an“, sagte Lindner. Von 17.000 Schülern verließen in dem
rot-rot-grün regierten Bundesland rund 1.600 die Schule ohne Abschluss.
Bildung ist ein Schlüssel zu mehr Einkommen und Vermögen – diese Ansicht
eint rechte und linke Parteien. Während die linken zusätzlich aber große
Einkommen und Vermögen stärker besteuern lassen, beschränken sich FDP und
Union vor allem auf die Förderung von Bildungschancen. Dazu kommt die
Förderung von Eigentum. Lindner lobte deshalb die Position des eher linken
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das mehr Wohneigentum
zur Vermögensbildung fordert.
Auch Gröhe schloss sich dem an: „Wir brauchen mehr Vermögensbildung in der
mittleren Schicht“, sagte er. Körzell kritisierte diese Sicht ebenso wie
die Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping. Lindners Position heiße: „Wenn
sich die Leute die Miete nicht mehr leisten können, sollen sie sich ein
Haus kaufen“, sagte Körzell. Kipping sagte, Mietsteigerungen seien in
vielen Städten so groß, dass sie durch Arbeitskämpfe um höhere Löhne gar
nicht aufzufangen wären. Dies sei eine „Enteignung“ von Arbeitnehmern.
Robert Habeck (Grüne) meinte, das Baukindergeld sei keine Lösung für „die,
die nicht bauen können“.
## Gröhe gegen Grüne
Zu den größten Auseinandersetzungen kam es, als der Immobilienunternehmer
Josef Rick aus dem Publikum „AfD, CDU und FDP“ als „neoliberale Parteien“
angriff. Rick hatte zuvor auf einem Podium für die höhere
Vermögensbesteuerung seines und anderer Unternehmen plädiert – eine
Ausnahme unter Unternehmern. Gröhe verwahrte sich dagegen, mit der AfD „in
einem Atemzug“ genannt zu werden. Lindner schoss zurück: „Wenn Sie eine so
hohe Rendite haben, warum zahlen Sie nicht bessere Löhne?“
Vor allem Familienunternehmen hatten sich in der Vergangenheit gegen eine
höhere Besteuerung ihres Vermögens gewehrt. In diesem Fall drohe der
Aufkauf der Firmen durch „Staatsfonds aus dem Ausland“, sagte Lindner.
Gröhe griff dagegen Habeck an. In seinem Wahlkreis gebe es Chemieindustrie:
„Sie können sich vorstellen, dass Arbeitnehmer Angst haben – und das ist
nicht vor Christian Lindner.“ Habeck reagierte mit einem verdutzten „Was
wollen Sie eigentlich von mir?“ So scharfe Töne sind die Grünen aus der
Union kaum mehr gewohnt. Der Grünen-Vorsitzende argumentierte, das
Gefährlichste sei, angesichts des industriellen Wandels an den bisherigen
Technologien festzuhalten.
Vielleicht symptomatisch für die Krise der SPD war Generalsekretär Lars
Klingbeil der zurückhaltendste Podiumsteilnehmer. Zur Freude der
Gewerkschaften plädierte er für die Tarifbindung bei öffentlichen Aufträge,
forderte aber zugleich einen forcierten industriepolitischen Kurs: „Wir
müssen den Menschen sagen, dass Umbrüche kommen. Ich bin auch dafür, dass
wir sie vorantreiben.“
Der Staat müsse die Menschen auffangen, die von den Umbrüchen betroffen
seien. „Ich bin dagegen, dass wir uns von Populisten eine Politik der
schlechten Laune einreden lassen.“ Er sei dafür, positiv über Deutschland
zu reden.
18 Oct 2019
## AUTOREN
DIR Martin Reeh
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