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       # taz.de -- Golfen für Senioren: Die Altersschützen
       
       > Auch im Golfen schwindet die Leistungsfähigkeit mit den Jahren. Doch
       > plötzlich, mit etwa 75, öffnet sich für gute Spieler ein goldenes
       > Zeitfenster.
       
   IMG Bild: Sportlicher Ruhestand unter Palmen auf Golfplätzen
       
       „Je älter ich werde, desto besser bin ich gewesen.“ (ehemaliger US-Profi
       Lee Trevino)
       
       Die Lendenwirbel seufzen immer lauter, jeder Schwung ist ein Flirt mit
       drohenden Hexenschüssen. Ja, es ist schon ein Kreuz mit dem Alter: Ab 50
       gehört man beim Golf offiziell zu den Senioren. Zu den Alten also, im
       angeblichen Altensport Golf. Die Ergebnisse schwächeln, das Handicap
       steigt. Welch deprimierendes Dasein. Kann da außer Siechtum und Tod noch
       was folgen?
       
       Ja. Golf, dieses seelenschmeichelnde Spiel, hat auch im fortschreitenden
       Alter besonderen Balsam zu bieten. Ab etwa 75 Jahren öffnet sich ein
       goldenes Zeitfenster für das letzte große Golferziel: das eigene Alter als
       Ergebnis spielen – also etwa mit 77 Jahren eine Runde mit 77 Schlägen. Age
       shooter heißen solche Leute. Altersschießer also.
       
       In Nordamerika, wo Hunderttausende Ü75 golfen, kursieren diverse
       Bestmarken. Aktueller Weltrekord: –22. John Powell schaffte 2017 mit 86
       Jahren eine 64. Der jüngste age shooter war Bob Hamilton, der 1975 mit 59
       eine 59 spielte. 6.000 Yards, also knapp 5.500 Meter, gelten als
       Mindestlänge für Rekorde. Die Bestmarke auf der Profi-Seniorentour geht an
       Walter Morgan: 2002 schoss er bei den Canadian Open mit 61 Jahren eine 60.
       Der große Arnold Palmer spielte an seinem 66. Geburtstag eine 66. Von
       Frauen sind solche Rekordjagden nicht überliefert.
       
       ## Süße 90 Jahre
       
       Im kanadischen Victoria soll ein 103-Jähriger einmal sein Alter gespielt
       haben. Alfred Koch aus Münster, verstorben 2013, spielte noch mit 101
       Jahren Handicap 35 und sagte, er habe sicher, ohne genau darauf zu achten,
       einige Male sein Alter unterspielt, vor allem „als ich noch jung war“. Er
       meinte damit den Knaben Koch rund um die 90.
       
       Eine Karriere als age shooter gilt es vielschichtig anzugehen: Früh in
       Rente gehen! Daseinsmaxime: Besser im Bunker als im Büro. Spätestens ab 35
       verliert man pro Jahr rund 1 Prozent Beweglichkeit. Also Stretching,
       Bieging und Dehning – täglich und ausführlich. Vollwertmahlzeiten nur noch
       ausbalanciert auf Gymnastikbällen einnehmen. Yoga dazu und drei Mal die
       Woche ein dosiertes Training im Fitnessstudio. Hilft auch Nichtgolfern.
       
       Golffremdes Tun wie Möbelrücken oder Heimwerken ist unbedingt zu vermeiden.
       Ein einzig schiefes Bücken kann einen um Monate ausbremsen. Wichtig auch:
       nur noch rückenschonender Blümchen-Sex. Sozialkontakte jenseits des Platzes
       radikal reduzieren; Covid-19 hilft dabei. Je schrulliger man ist, desto
       leichter geht das. Dem gutem Wetter hinterherreisen. Oder gleich in
       regenarme Gebiete ziehen. Wenn es zu viel kostet: die Brut enterben!
       
       Und dann möglichst oft spielen. Der Texaner Frank Bailey hielt noch lange
       nach seinem Tod mit 98 Jahren den Weltrekord; geschlagene 2.623 Mal hatte
       er sein Alter unterschlagen. Dann kam Thomas Edison Smith aus Arizona: Er
       schaffte 3.359. Smith spielte bis zu seinem Tod 2011 jahrzehntelang fast
       täglich. Im Club nannte man ihn ehrfurchtsvoll golf machine.
       
       Und: Ruhe bewahren. Wer einmal ganz nah dran gewesen ist, wird sich nach
       einer 91er Runde mit 89 Jahren vielleicht wünschen: „Ach, wäre ich doch
       schon die albernen zwei Jahre älter!“ Ist solche Freude aufs baldige
       Greisentum nicht wundervoll?
       
       Das Zählen kann jederzeit beginnen. Der Autor dieser Zeilen hat seinen age
       score neulich von +27 auf stolze +26 verbessert. [1][Martin Kaymer], 35,
       etwa altert einem solchen Ergebnis noch entgegen. Seine sensationelle 59er
       Runde? Da war er 21. Macht +38. Lächerlich. Golf kann so schön relativ
       sein. [2][Der große Bernhard Langer] (62) liegt noch bei +1. Die 0 sei
       durchaus ein Karriereziel, sagt er.
       
       Aus dem Abc der Vorurteile – heute K wie Karierte Hosen: Tragen angeblich
       alle Golfer und manchmal auch -innen. Wahr ist: Das war mal als Verneigung
       gegenüber den angeblichen Spiel-Erfindern aus Schottenrockland gedacht.
       Heute nur noch selten – Golfs Modebranche kennt Torheiten weit größerer
       Biederkeit.
       
       31 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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