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       # taz.de -- Golfer Rory McIlroy: Tigergleicher Eisenschläger
       
       > Der Nordire Rory McIlroy dominiert die US Open wie kein Spieler je zuvor.
       > Er untermauert mit seinem fehlerlosen Auftritt die europäische Dominanz
       > im Golf.
       
   IMG Bild: Glücklicher Wuschelkopf: Rory McIlroy.
       
       Es war Vatertag in den USA und so passte es besonders gut, dass dieser
       weißhaarige Mann gleich nach dem letzten Put des Turniers zum Grün eilte:
       Vater Gerry McIlroy aus Holywood, Nordirland, umarmte Sohnemann Rory und
       sagte unter Tränen: "Ich bin so unbeschreiblich stolz."
       
       Vorjahressieger Graham McDowell, ebenfalls aus Nordirland, drückte seinem
       Landsmann kurz danach einen Hauch von Kuss in den Nacken und erklärte: "Das
       ist einfach ein verrückter Junge." Rory McIlroy, der 22-jährige Heißsporn
       mit dem schwarzen Wuschelkopf, hatte soeben die US Open mit grandiosen acht
       Schlägen Vorsprung gewonnen. Es war sein erster Major-Sieg. Die 150
       Schlägerschwinger-Kollegen waren tagelang kaum mehr als Staffage.
       
       Dabei hatte nach dem ersten Tag alle nur die eine Frage beschäftigt: Wird
       sich Geschichte wiederholen? Wird der deutlich führende McIlroy wieder
       lange groß aufspielen wie im April bei den Masters in Augusta - und am Ende
       so kläglich versagen? Damals hatte der schrille Typ mit der oft großen
       Klappe vor der Schlussrunde mit vier Schlägen Vorsprung vorne gelegen, war
       dann mit einer 80er Runde nach plötzlich grotesk missratenen Schlägen
       schier ertrunken und auf Platz 15 geendet. Jetzt hieß es: Wann kommt der
       Einbruch diesmal, und wenn nicht heute, wann morgen?
       
       Sonntagmorgen, jetzt waren es acht Schläge Vorsprung. Mit seinen großen
       Schlenkerschritten versuchte McIlroy unterwegs Selbstsicherheit zu
       demonstrieren, auch sich selbst. Und begann gleich wieder mit einem Birdie,
       die beste Therapie gegen alle Augusta-Ängste. "Ich weiß am besten, was
       alles passieren kann", hatte er vorher allen und sich selbst gesagt, "man
       muss auf dem Platz immer arrogant sein und versuchen, seine Führung
       auszubauen." Besonders seine langen Eisenschläge waren von überirdischer
       Präzision, kraftvoll weit mit einer wunderbar fließenden Bewegung. Rory
       McIlroy weigerte sich einfach, Fehler zu machen. Und die Nerven blieben
       locker.
       
       ## Der Leistungseinbruch blieb bislang aus
       
       Bald wurde er von den US-Fans quasi adoptiert. Fangesänge und Jubelstürme
       nach jedem versenkten Ball. Rory Roar überall. Was ungewöhnlich war, denn
       bis dahin war der milchgesichtige Nordire mit einigen lästerlichen
       Bemerkungen über Tiger Woods auffällig geworden, etwa beim Ryder Cup im
       Oktober 2010, als er hoffte, im Einzel gegen Woods zu spielen, weil er da
       leichtes Spiel haben werde. Jetzt waren alle glücklich, live dabei zu sein
       im Congressional Country Club in Bethesda bei Washington. Hier war der
       Eisenhauer Eisenhower einst Mitglied. Heute steht hier das größte Clubhaus
       im US-Golf, ein Bau von grotesker Protzigkeit. Das Aussehen changiert
       zwischen mehrstöckigem Freilichtkino und Fantasieschloss in einem
       Disney-Märchenfilm.
       
       Es waren nicht die US Open vom abermals enttäuschenden Martin Kaymer auf
       Platz 39. Sein Spiel sei sicher "nicht schön anzusehen" gewesen, meinte er
       frustriert. Auch für die US-Golfer, ohne den weiter verletzten Tiger Woods,
       war ihr Prestigeturnier ein Desaster. Ganze zwei Spieler kamen unter die
       ersten zehn. Erstmals haben die US-Stars fünf Majors hintereinander nicht
       gewonnen - eine Schmach. Europa dominiert derzeit das Weltgolf.
       
       Als McIlroys Einbruch am Sonntag ausblieb, wurden mit jedem Loch neue
       Fragen gestellt: Welche Rekorde der US Open wird er brechen? Am Ende waren
       es zwölf: Es war das niedrigste Gesamtergebnis der Geschichte: 268 (bis
       dahin 272). Nur einmal blieb jemand in der Summe zweistellig unter Par:
       Tiger Woods mit minus 12 vor elf Jahren; McIllroy, der jüngste US-Sieger
       seit Bobby Jones 1923, atomisierte diese Bestmarke um volle vier Schläge.
       Und acht Schläge Vorsprung waren ebenfalls Rekord. McIlroy sagte, er könne
       sich "nicht mehr erträumt haben", und fügte cool hinzu: "Die Masters habe
       ich schnell aus dem Kopf gestrichen gehabt. Dass ich das kann, wollten
       viele nicht glauben. Jetzt ist es schön, anderen das Gegenteil zu
       beweisen." Und grinste sich eins.
       
       Ein Mitspieler sagte: "So gut ist man sonst nicht auf der Playstation."
       Immer wieder fiel der Begriff "Tiger-like". Und der eigentlich so besonnene
       Graham McDowell legte nach: "Einen besseren Spieler habe ich nie gesehen."
       Und so übertrieben war die Aussage nicht, was die vier quasi fehlerlosen
       Runden anging. Und vier Runden im Golf sind wie eine ganze Saison im
       Fußball.
       
       20 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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       Notiz davon nimmt.