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       # taz.de -- GroKo verlängert Kurzarbeitergeld: Die Krise ausbremsen
       
       > Die Große Koalition beschließt, das Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 zu
       > verlängern. Das ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll.
       
   IMG Bild: Hotelinhaber Jörg Döpfner aus Frankfurt/Main. Seine Mitarbeiter*innen musste er in Kurzarbeit schicken
       
       Berlin taz | Es bleibt wie es ist. Und damit vergleichsweise stabil. Das
       ist die Botschaft der Große Koalition in der [1][Coronakrise]. Das
       Kurzarbeitergeld wird noch für knapp eineinhalb Jahre, also bis Ende 2021,
       verlängert. Nun muss das Kabinett den Gesetzentwurf von
       Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) noch billigen.
       
       Derzeit beziehen rund 5 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland
       Kurzarbeitergeld. Die Verlängerung soll nicht nur die Angst vor
       Arbeitslosigkeit bremsen, sondern auch Planungssicherheit für Firmen
       schaffen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wies im ZDF darauf hin,
       dass „Unternehmen nun wissen, dass sie das Risiko eingehen können, an ihre
       Mitarbeitern festzuhalten“. Scholz rechnet 2021 mit [2][10 Milliarden Euro
       Kosten]. Diese sollen als Zuschuss aus Steuermitteln an die Bundesagentur
       für Arbeit fließen, nicht als Kredit. Damit soll eine Steigerung der in
       Deutschland ohnehin recht hohen Sozialabgaben vermieden werden.
       
       Laut FDP-Vizefraktionschef Michael Theurer hemme das Kurzarbeitergeld „den
       nötigen Strukturwandel“ und sei wohl der Bundestagswahl 2021 geschuldet.
       Die Kritik, dass Kurzarbeitergeld und die Lockerung des Insolvenzrechts
       bankrotte Firmen am Leben halte und eine Zombie-Ökonomie schaffen würden,
       wies Scholz scharf zurück. Wie schon 2008 werde das deutsche Modell
       vielmehr als beispielhaft angesehen und international kopiert.
       
       Heil bezeichnete die Kritik, das Kurzarbeitergeld behindere den nötigen
       Strukturwandel, als eine „abstrakte Debatte“, die mit der Praxis nichts zu
       tun habe. Ähnlich äußerte sich Marcel Fratzscher, der Präsident des
       Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Es sei eine Illusion des
       Ordoliberalismus, dass solche Hilfen den Strukturwandel behinderten, sagte
       er. Die Krise treffe vor allem junge Unternehmen und Mittelständler hart,
       deren weitere Existenz für die Wettbewerbsfähigkeit wichtig seien.
       
       ## Das Ziel: Vertrauen schaffen
       
       Ein Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels kritisierte indes, dass nun
       „Hunderttausende ein Sabbatical-Jahr auf Kosten der Allgemeinheit
       finanziert“ werde. Die Unternehmen müssten an der Finanzierung der
       Kurzarbeit beteiligen werden.
       
       Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent des Nettolohns, bei Berufstätigen
       mit Kindern sogar 67. Nach einem halbem Jahr steigt es auf bis zu 87
       Prozent. Bei dem umstrittenen Thema, ob diese Zahlungen an eine Pflicht zur
       Weiterbildung geknüpft werden sollen, fanden Union und SPD einen
       Kompromiss. Bis Mitte 2021 zahlt die Bundesagentur die Sozialabgaben
       vollständig. Danach gilt dies nur noch für Unternehmen, deren Mitarbeiter
       sich weiterbilden.
       
       Zudem sollen auch 2021 Soloselbstständige weiterhin leichter und ohne
       strenge Vermögensprüfung Hartz IV beziehen können. Die Frage ist
       allerdings, ob das reicht. Selbstständige wie Künstler haben nichts vom
       Kurzarbeitergeld. Einen Notfonds für Selbstständige lehnt die Große
       Koalition, die auf institutionalisierte Normalarbeitsverhältnisse fixiert
       ist, ab.
       
       Die Große Koalition ist mit ihrem Beschluss auffallend früh dran. Denn die
       Entwicklung der Coronakrise und deren Folgen für den Arbeitsmarkt sind für
       2021 noch nicht absehbar. Doch diese Maßnahmen sollen mögliche Risiken
       kalkulierbarer machen und Vertrauen schaffen.
       
       Jüngst veröffentlichte des Daten des Statistische Bundesamtes geben den
       Maßnahmen recht. Sie zeigen, dass das Kurzarbeitergeld nicht nur für
       Betroffene und Firmen nützlich ist – sondern auch für die gesamte
       wirtschaftliche Lage. So brach die Wirtschaftsleitung von April bis Ende
       Juni um knapp 10 Prozent ein, die Gehälter sanken aber nur um 4 Prozent.
       Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte war von April bis Juni 2020
       sogar „dank staatlicher Hilfen wie Kurzarbeitergeld nur um 0,8 Prozent
       geringer als im Vorjahr.“ Das Kurzarbeitergeld wirkte somit wie ein
       Bremsmechanismus in der Wirtschaftskrise.
       
       26 Aug 2020
       
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