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       # taz.de -- Grüner Wahlkampf in Brandenburg: Die Antifa heißt hier Alexander
       
       > In Thüringen und Sachsen haben die Grünen verloren. Auch in Brandenburg
       > drohen sie aus dem Landtag zu fliegen. Jetzt kommt westliche
       > Wahlkampfhilfe.
       
   IMG Bild: Grüne haben es schwer auf dem Land in Brandenburg
       
       Senftenberg taz | Das Büro der Grünen in der Bahnhofstraße von Senftenberg
       ist so voll wie noch nie. Nicht mal die Stühle reichen für alle. Fünf
       einheimische Wahlkämpfer*innen sind an diesem Samstag für die Partei
       unterwegs – und sechs weitere aus Recklinghausen. Nach drei Stunden am
       Wahlkampfstand machen nun alle gerade Mittagspause. Auf dem Tisch steht
       Sahnetorte aus dem veganen Café in der Innenstadt – so etwas gibt es
       mittlerweile sogar im Süden Brandenburgs, wo bei der [1][Europawahl nur 2,6
       Prozent die Grünen] wählten.
       
       „Mit so vielen Leuten macht der Wahlkampf eine ganz andere Wirkung. Es gibt
       auch ein Stück Sicherheit. Zu zweit hat man das nicht“, sagt Anne
       Zimmermann, die 15 Kilometer entfernt in Ruhland lebt und dort mit ihrem
       Mann bei der letzten Kommunalwahl kandidiert hat.
       
       „Ist euch denn schon mal was Schlimmeres am Stand passiert?“, fragt einer
       der Gäste aus Nordrhein-Westfalen.
       
       „Nee. Wir haben bisher keinen gemacht“, antwortet Zimmermann.
       
       Solche Gespräche gibt es in diesen Wochen oft bei den Grünen. Im Osten
       passiert im Moment [2][eigentlich wenig, was der Partei Mut macht]. Bei der
       Landtagswahl in Thüringen ist sie aus dem Parlament geflogen, in Sachsen
       hat sie fast die Hälfte ihrer Mandate eingebüßt. Auch in Brandenburg droht
       bei der Wahl in einer Woche das Aus, in den letzten Umfragen stehen die
       Grünen bei 4,5 bis 5 Prozent. Mit den Parlamentssitzen gehen Macht,
       Personal und Geld verloren – ein Problem gerade auf dem Land, wo die Grünen
       ohnehin schwach vertreten sind.
       
       ## Drei Wahlkämpfe kosten viel Kraft
       
       Zumindest etwas Gutes hat der Gegenwind aber: Das Interesse am Osten ist in
       der Partei so groß wie lange nicht. Auf dem Parteitag im letzten Herbst
       hatte der Bundesverband die Kreisverbände aufgerufen, Partnerschaften
       zwischen West und Ost zu bilden. In den letzten Wochen sind Hunderte
       Mitglieder und etliche Abgeordnete nach Sachsen, Thüringen und Brandenburg
       gereist. Manche Grüne nahmen sich sogar wochenlang Urlaub oder verlegten
       ihr Homeoffice, um vor Ort anzupacken.
       
       Sie helfen dort, wo die Grünen ihre Wahlkämpfe traditionell mit wenigen
       Leuten stemmen müssen und wo mittlerweile viele ausgelaugt sind. Der
       Europa- und Kommunalwahlkampf hat den Mitgliedern dieses Jahr schon viel
       abverlangt, und dann hat sich der Einsatz vielerorts nicht mal ausgezahlt.
       Der Rechtsruck nagt an den Reserven. Die Unterstützung aus dem Westen,
       heißt es aus der Partei, ist da eine große Hilfe.
       
       „Für manche von unseren Leuten ist das ein Grund, überhaupt in den
       Wahlkampf zu starten“, sagt Carolin Poensgen, die [3][als
       Kreisgeschäftsführerin die wenigen Fäden der Grünen in Senftenberg
       zusammenhält]. „Wenn extra Besuch aus Recklinghausen kommt, müssen wir ja
       was machen.“
       
       36 Mitglieder hat die Partei im Landkreis, rund 10 davon sind regelmäßig
       aktiv, alle neben ihren Jobs und manche neben der Familie. Zu wenig für
       einen effektiven Wahlkampf in einer Region, die flächenmäßig so groß ist
       wie Berlin und München zusammen. Sie haben es zwar geschafft, ihre Plakate
       aufzuhängen, sogar in den Orten ohne Grünen-Mitglieder. Der letzte
       Social-Media-Eintrag auf den Parteikanälen ist aber zwei Monate alt.
       
       ## Hilfe aus Recklinghausen
       
       Fliegt die Partei aus dem Landtag, ist die Geschäftsstelle in der
       Bahnhofsstraße in Gefahr. Der Kreisvorstand hat schon nachgerechnet: An
       drei Tagen die Woche, so wie jetzt, könnten sie auf keinen Fall mehr
       öffnen. Vielleicht kriegen sie noch die Miete zusammen. Am
       Wahlkampfmaterial müssten sie dann aber sparen. Büro oder Plakate – nach
       der Landtagswahl ist das vielleicht die Frage.
       
       Der Kreisverband Recklinghausen, zwischen Ruhrpott und Münsterland gelegen,
       hat über 500 Mitglieder und kam bei der Europawahl auf knapp 10 Prozent.
       Nicole Uschmann, die Vorsitzende, hatte den Aufruf auf dem letzten
       Parteitag gehört. „Das müssen wir machen“, habe sie sofort gedacht – weil
       sie sah, wie wenige Leute für die Ostverbände auf der Bühne standen, und
       weil sich schon abzeichnete, dass die AfD bei den Wahlen weiter zulegt.
       „Das kann bei uns auch noch kommen“, sagt sie. „Warum sind die dort schon
       einen Schritt weiter? Man findet das am besten raus, wenn man hinfährt.“
       Auf Senftenberg sind sie im Kreisverband dann gekommen, weil beide Regionen
       etwas gemeinsam haben. Die Lausitz ist wie das Ruhrgebiet eine Kohleregion.
       Der Strukturwandel trifft beide, im Westen sind sie nur etwas weiter.
       
       Gegen 9 Uhr trifft der Trupp auf dem Marktplatz ein, als Stand dient ein
       Lastenrad mit großem Grünen-Logo. CDU und SPD sind nicht am Platz. Am
       meisten Raum hat sich die AfD genommen, gleich vorne an der Kreuzung, wo
       jeder vorbei muss. Daneben stehen die Freien Wähler und das BSW.
       
       Die zwei Wagenknecht-Männer, ehemalige Linke, grüßen freundlich. Man kennt
       sich. So viele Grüne auf einem Haufen haben sie aber noch nie gesehen.
       „Bündnis 90 gab’s damals auch in Senftenberg“, sagt einer der beiden. „Die
       sind aber alle nicht lange dabeigeblieben. Hat nicht gepasst.“ Einer, der
       in der DDR als Bürgerrechtler auf der Straße war, saß für die Grünen über
       30 Jahre im Stadtrat von Senftenberg. Parteimitglied ist er bis heute
       nicht.
       
       ## Das grüne Milieu fehlt vielerorts
       
       Was den Gästen aus Recklinghausen als erstes auffällt: Es macht nichts,
       dass sie ohne die kleinen Windräder gekommen sind. Eigentlich wollten sie
       die Werbeartikel mitbringen, aus dem Europawahlkampf hatten sie welche
       übrig. Vor der Abfahrt haben sie dann aber den Schlüssel zum Lagerraum
       nicht gefunden.
       
       Machen sie zu Hause Wahlkampf, gehen die Windräder als erstes weg. Der
       Markt am Wochenende ist dort ein Hotspot für Familien. Die Eltern haben
       zwar keine Zeit für Gespräche, aber die Kinder lieben die Dinger. In
       Senftenberg dauert es eine halbe Stunde, bis der erste Vater einen
       Kinderanhänger am Stand vorbeizieht. Neben dem Jungen im Wagen steckt schon
       ein Flyer der AfD.
       
       Auch in Recklinghausen ist die Bevölkerung seit den Neunzigern geschrumpft,
       das Durchschnittsalter liegt dort aber immer noch vier Jahre unter dem in
       Senftenberg. Seit der Wende haben Millionen Menschen das Gebiet der
       ehemaligen DDR verlassen. Die Weggezogenen waren oft jung, gut gebildet und
       weiblich. Die Grünen sind eine Milieupartei, doch das Milieu, das sie
       trägt, fehlt im Osten vielerorts.
       
       Als einer der ersten tritt an diesem Tag ein Rentner im Camp-David-Shirt an
       den Grünen-Stand. „Der Fischer hat erst Polizisten verprügelt und ist dann
       Außenminister geworden“, sagt er.
       
       Betretene Blicke hinter dem Lastenrad. „Das war vor unserer Zeit“, murmelt
       einer.
       
       „Ich fand’s gut. Da war noch Power dahinter“, sagt der Rentner. Und dann
       weiter: „Schlimm ist das mit der AfD.“
       
       Jetzt tauen die Gäste auf. „Was glauben Sie, warum die Leute AfD wählen?
       Würde mich mal interessieren“, fragt Nicole Uschmann.
       
       „Die haben keinen Grund. Den Leuten geht es doch nicht schlecht hier“,
       antwortet der Mann. Das ist natürlich eine Frage der Perspektive.
       Vergleicht man das Durchschnittseinkommen deutscher Landkreise, liegt die
       Region um Senftenberg im letzten Viertel. Der Kreis Recklinghausen liegt
       aber noch weiter hinten.
       
       Die Unterhaltung gestaltet sich dann jedenfalls sehr freundlich, es geht um
       die Auflagen für Angler in Deutschland und um die Nationale Volksarmee, die
       den Camp-David-Mann einst nicht nehmen wollte, weil seine Verwandten einen
       Ausreiseantrag gestellt hatten. „Wollen Sie noch Knete für die Enkel?“,
       fragt Uschmann den Mann zum Abschied. „Hören Sie auf, wir haben so viel
       Knete daheim!“, antwortet er. „Aber viel Erfolg, euer Engagement ist gut!“
       
       ## Ein grüner Tankstellenbetreiber
       
       Der Vormittag auf dem Markt zeigt aber auch, warum es die Grünen in diesem
       Wahlkampf so schwer haben. Der nächste Passant, kurz vor dem Rentenalter,
       nimmt sich einen Flyer vom Stand und scannt das Programm. „Klingt ja
       wirklich gut“, sagt er dann. „Mir ist das zu eng an den fünf Prozent.“ Dann
       ist er weg.
       
       Bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen haben die Grünen die meisten
       Stimmen an die CDU verloren. Die Union hatte auch um deren Wähler*innen
       geworben: Sie müssten verhindern, dass die AfD stärkste Kraft wird. In
       Brandenburg spitzt die SPD den Wahlkampf zu. Ministerpräsident Woidke hat
       angekündigt, dass er zurücktritt, falls seine Partei hinter den
       Rechtsextremen landet. Den Grünen hier kann das Stimmen kosten.
       
       Und natürlich machen ihnen auch ihre Inhalte Probleme. Kein Thema ist an
       diesem Vormittag zwar [4][der Kohleausstieg, den die Grünen in Brandenburg
       vorziehen wollen]. Über die Ausländer gibt es auch nur ein paar
       Beschwerden. Der Krieg in der Ukraine – der kommt aber immer wieder.
       
       Etwas im Hintergrund hält sich Heiko Richter. Er ist erst seit einem halben
       Jahr bei den Grünen, auch für ihn ist es der erste Wahlkampfstand. Er
       betreibt aber eine Tankstelle in der Nachbarstadt, und dort, sagt er, halte
       er schon lange dagegen, wenn sich Kunden über Flüchtlinge, über die
       Energiewende oder eben über die Ukraine beschweren. Das gehe ganz gut. Zum
       Tanken kämen trotzdem noch alle.
       
       Früher war er bei der Grenztruppe, erzählt Richter weiter, den Mauerfall
       habe er am Checkpoint Charlie in Berlin erlebt. Davor war er an der
       Offiziersschule in Suhl. „Wir haben gelernt, was jeder im Warschauer Pakt
       gelernt hat. Wie man angreift, wie man sabotiert, wie man sich auch den
       Rest Europas einverleibt. Putin wurde das damals auch beigebracht und heute
       weicht er keinen Millimeter von der Doktrin ab“, sagt er. Das geht also
       auch: Aus einer Ostbiografie heraus begründen, warum die Ukraine noch mehr
       Waffen bräuchte. Allerdings ist Richter damit in der Minderheit.
       
       ## Früher war es besser
       
       Die Antifa sieht das anders. Die Antifa heißt hier Alexander. Er will
       seinen Nachnamen nicht nennen und wohnt in einem Dorf in der Umgebung. Mit
       seiner Fahne steht er schon den ganzen Morgen auf dem Markt: Er will der
       AfD zeigen, dass es noch Menschen gibt, die anders ticken als sie.
       
       Seit ein, zwei Jahren sind die Rechtsextremen seine größte Sorge. Schon
       davor sei er auf Demos gegangen, gegen den Überwachungsstaat und gegen
       Atomkraft. Er isst kein Fleisch, hat kein Auto, und seitdem es das
       49-Euro-Ticket gibt, fährt er fast jedes Wochenende nach Kreuzberg. Das
       braucht er als Ausgleich zum Alltag in Brandenburg.
       
       Alexander ist ein prädestinierter Grünen-Wähler. Aber wenn es um den Krieg
       geht, sprudelt es aus ihm heraus: Schon in der Schule war ihm der
       Wehrkundeunterricht zuwider. Nach der Wende wollte er nicht zur Bundeswehr.
       Und als sich der Warschauer Pakt auflöste, dachte er, die Nato müsse jetzt
       nachziehen. Tat sie aber nicht.
       
       [5][Die Grünen wählt er seit dem Kosovokrieg nicht mehr]. Durch den
       Ukrainekrieg kommt alles wieder hoch. „Was für eine Doppelmoral“, sagt er.
       „Dort verteidigen wir angeblich Werte, aber an Saudi-Arabien verkaufen wir
       Waffen und die Amerikaner unterstützen wir bei allen möglichen
       Angriffskriegen.“ So gehe es hier vielen, die anderen zögen nur andere
       Schlüsse als er. Wen er noch wählen soll, weiß Alexander nicht.
       
       Am Grünen-Stand gerät derweil Anne Zimmermann, die zum ersten Mal für die
       Partei auf dem Markt steht, mit dem nächsten Rentner aneinander.
       
       „Man greift doch kein anderes Land an. Das ist Pfui!“, sagt sie.
       
       „Putin möchte die Vorherrschaft der Amerikaner in der Ukraine unterbinden.
       Kyjiw ist die Wiege der Russen“, antwortet der Rentner. „Die sind ja
       eigentlich Bruderstaaten.“
       
       „Und einen Bruderstaat greift man an?“, fragt Zimmermann.
       
       „Sie haben mir nicht zugehört!“, ruft der Rentner.
       
       Irgendwann wechselt die Grüne das Thema, sie will lieber über die
       Energiewende sprechen, aber erfolgreicher wird das Gespräch trotzdem nicht
       („Das geht technisch doch gar nicht!“ – „Doch!“ – „Nein!“).
       
       Mit einem komplizierten Fall hat es währenddessen auch Nicole Uschmann aus
       Recklinghausen zu tun. Ein weiterer Rentner, natürlich, hat das Gespräch
       mit dem Vorwurf begonnen, die Grünen hätten ihm 50.000 Euro geklaut. Wie
       genau sie das gemacht haben, findet Uschmann nicht heraus, aber nach ein
       paar Minuten hört sie zumindest, was den Mann eigentlich bedrückt: In
       seinem Garten hegt er Pflanzen, die dort schon sein Großvater angebaut hat.
       Er macht sich Sorgen, ob er sie auch noch seiner Enkelin wird zeigen
       können. Weil er nicht weiß, ob er das Haus halten kann, und weil es sein
       kann, dass die Kinder wegziehen.
       
       Ein Anruf bei Uschmann ein paar Tage nach dem Wochenende in Senftenberg:
       Was ist bei ihr am stärksten hängengeblieben? „Früher war es besser und die
       Zukunft wird schlechter, das Thema kam immer wieder“, sagt sie. Die Leute
       hätten eine diffuse Angst, etwas zu verlieren. Die Erzählung, dass alles
       besser werde, funktioniere nicht mehr. Es bringe dann auch nichts, ihnen
       etwas vorzumachen. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Leute dort
       politikverdrossener sind. Im Gegenteil. Aber sie haben keinen Bock mehr,
       etwas versprochen zu bekommen, was nicht eintreten wird.“
       
       Am Nachmittag geht es nicht mehr zurück auf den Marktplatz, sondern um den
       Senftenberger See herum, der mal ein Tagebau war und schon zu DDR-Zeiten
       geflutet wurde. In den Dörfern am Ufer wollen die Grünen Flyer in die
       Briefkästen werfen. „Bitte nicht in die mit Aufklebern gegen Werbung“,
       mahnt Geschäftsführerin Poensgen. In der Landeszentrale gab es in den
       letzten Wochen schon massive Beschwerden.
       
       Das grüne Lastenrad ist wieder dabei, dazu ein paar Leihräder für die
       Gäste. Heiko Richter, der Mann von der Tankstelle, hat sich für sein
       Mountainbike eine Lenkertasche gekauft, in die die Flugblätter genau
       reinpassen. „Radfahrer absteigen“, steht auf einem Schild, das der Konvoi
       am Stadthafen passiert. „Radfahrer absteigen“, knurrt ein Rentner, der
       dahinter mit seinem Rollator den Weg quert.
       
       Der erste Ort auf der Strecke heißt Kleinkoschen. Dort stehen hübsche
       Einfamilienhäuser, einige mit Solaranlagen auf dem Dach, eines sogar mit
       Wärmepumpe und E-Auto in der Einfahrt.
       
       „Ist die AfD hier auch stark?“, fragt Nicole Uschmann.
       
       Anne Zimmermann nickt. 31,2 Prozent waren es bei der Europawahl, nur 4
       Prozentpunkte weniger als im Landkreis insgesamt und doppelt so viel wie in
       Recklinghausen.
       
       „Krass“, sagt Uschmann. „Das ist so behütet hier. Ist das der blanke
       Rassismus? Oder die Angst vor dem Abstieg?“
       
       Zimmermann erzählt vom hohen Altersschnitt, von der Wende und den zwei
       Wellen der Arbeitslosigkeit in den Neunziger- und Nullerjahren. „Das ist im
       Gedächtnis und sobald jemand Unruhe stiftet, wie die AfD, kocht es wieder
       hoch“, sagt sie.
       
       ## Betrunkene pöbeln die Grünen an
       
       Der nächste Ort heißt Großkoschen. Am Ufer mündet der Radweg in einen
       Gehweg. Die Grünen erwischen die Abfahrt nicht. Und dann wird es plötzlich
       hektisch: Der Konvoi wird blockiert.
       
       Männer mit Bierdosen in der Hand haben die Räder bemerkt. Die Gruppe war
       gerade aus einem Ausflugsbus mit Kennzeichen des Nachbarkreises gestiegen.
       Drei von ihnen bauen sich jetzt auf dem Gehweg auf und blöken los. Es geht
       ihnen um die Einhaltung der Verkehrsregeln einerseits und um das Lastenrad
       mit dem Parteilogo andererseits. Sie wollen den Grünen keinen Raum lassen.
       Aber die Grünen, zumindest die aus Recklinghausen, wollen den Raum auch
       nicht hergeben. „Ich schmeiß’ dich in den See“, brüllt einer der Ausflügler
       einem der Westdeutschen ins Gesicht, als der den Gehweg partout nicht
       verlässt. Ein anderer Grüner hat da schon die 110 am Telefon. Alles riecht
       nach der nächsten Schlagzeile. „Grüne in Brandenburg angegriffen.“
       
       Es geht dann doch gut aus. Der nüchterne Teil der Ausflugsgruppe ruft die
       eigenen Männer zurück, Geschäftsführerin Poensgen leitet den letzten
       West-Grünen auf die Straße, der Konvoi kann weiterfahren. Die Polizei lässt
       sich zwar nicht so schnell abwimmeln. Wenn sie das Stichwort Wahlkampf
       hört, ist sie mittlerweile auf Zack. Aber als die Beamten nach ihrem
       fünften Rückruf nicht mehr durchkommen, weil die Grünen mittlerweile eine
       Badepause eingelegt haben und auf ihrer Rast keinen Handyempfang haben,
       holen auch sie ihre Streife zurück.
       
       „Ich habe in Gelsenkirchen gearbeitet, ich habe schon Schlimmeres erlebt“,
       sagt Nicole Uschmann. „Bei mir stand mal ein Nazi im Büro“, sagt ein
       anderer aus ihrer Delegation, der zu Hause in Nordrhein-Westfalen im
       Landtag sitzt. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt etwas leiser Heiko
       Richter, der Tankstellenpächter aus dem Kreis. Er ist aber auch noch nie
       mit zehn anderen Grünen und einem Lastenrad durch die Gegend gefahren.
       
       ## Schwieriges Mindset
       
       Was war nun in Senftenberg anders als in Recklinghausen? „Eigentlich
       vereint uns mehr, als uns trennt“, sagt Uschmann in dem Telefonat unter der
       Woche. „Hier wie dort kennen es die Leute, dass ihnen etwas genommen wurde,
       worauf sie stolz waren.“ Im Ruhrgebiet bleibe immerhin noch der Kult um die
       eigene Bergbaugeschichte. Im Osten nur das Gefühl, dass man einverleibt
       wurde. Und was kann man da im Wahlkampf machen? „Bei denen, die mit 150
       Prozent reingehen: Einfach mal reden lassen. Die wollen erzählen. Die haben
       was. Es bringt nichts, wenn wir die mit Sachargumente volllabern.“
       
       Am Samstagvormittag auf dem Marktplatz gibt es noch so einen speziellen
       Fall: „Alles für Deutschland“, sagt am Stand ein Rentner mit Hut zur
       Begrüßung. Die verbotene SA-Lösung, für die kürzlich Björn Höcke verurteilt
       wurde. „Habe ich nur zitiert. Ist ja verboten.“
       
       „Das hat ja auch einen historischen Hintergrund“, sagt Jan Matzoll, der
       Landtagsabgeordnete aus Recklinghausen.
       
       Der Hutrentner wechselt das Thema, kommt auf den Nahostkonflikt: „Die
       Juden, denen man so viel angetan hat, machen jetzt dasselbe.“
       
       Dahinter stecke jetzt aber ein schwieriges Mindset, erwidert Matzoll.
       
       Der Hutrentner wechselt wieder das Thema: „In Schwarzheide hatten wir ja
       einen Betrieb mit sowjetischen Wissenschaftlern. Sind Sie von hier?“ – „Ich
       bin Abgeordneter in Nordrhein-Westfalen.“ – „Ein Berufspolitiker! Die
       Elite!“ Der Rentner zieht die Vokale in die Länge.
       
       Matzoll könnte das Gespräch jetzt beenden, offensichtlich führt das hier zu
       nichts. Aber er hat Zeit, der Stand ist gut besetzt, und deshalb bleibt er
       dran. Fast eine Stunde lang wird er sich mit dem Mann unterhalten.
       Thematisch springen sie hin und her: Mal geht es um den Buddhismus in
       Tibet, dann um den alten polnischen Landadel und zwischendurch auch um die
       Wende und die Treuhand. Ob er danach anders über die Grünen denkt als
       zuvor? „Nö“, sagt der Rentner beim Abschied.
       
       War das Gespräch nicht vergeudete Zeit? „Nein“, sagt Matzoll. „Ich habe ihn
       nicht überzeugt. Aber vielleicht erzählt er jemandem, dass er einen Grünen
       aus dem Westen getroffen hat, der auch nicht findet, dass bei der Wende
       alles super gelaufen ist. Wäre doch schon mal was.“
       
       Zwischendurch hatte der Mann mit dem Hut erwähnt, dass er die Grünen noch
       nie auf dem Marktplatz gesehen habe. Er wollte schon mal in das Büro in der
       Bahnhofstraße gehen, aber immer, wenn er vorbei kam, war es geschlossen.
       Die Grünen kannte er bisher nur aus dem Fernsehen. Der Abgeordnete aus
       Recklinghausen war der erste von ihnen, den er in echt erlebt hat.
       
       Wenn es blöd läuft, war er aber auch der Letzte.
       
       14 Sep 2024
       
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       das nicht.
       
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       Clara Mühlheim ist für die Falken in Brandenburg aktiv. Im Interview
       spricht sie über Angriffe von rechts und demokratische Gegenwehr.
       
   DIR SPD-Politiker über seine Partei: „Wir haben jetzt die Rolle der FDP“
       
       In Thüringen verlor sogar Matthias Hey sein Direktmandat. Er sagt,
       mancherorts sei die SPD nicht mehr vorhanden. Doch die Partei abschreiben?
       Nein.
       
   DIR Filiz Polat prescht voran: Entwaffnender Vorschlag
       
       Die Grünen-Politikerin hält AfD-Mitglieder für „waffenrechtlich
       unzuverlässig“. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung in
       Nordrhein-Westfalen.
       
   DIR Vor der Wahl in Brandenburg: „Wir sind keine Politprofis“
       
       Die Listenvereinigung Plus Brandenburg will mit Pragmatismus und Bürgernähe
       bei den Wahlen punkten. Ein Gespräch über Probleme und „frische“ Politik.
       
   DIR Dietmar Woidke vor der Landtagswahl: „Deutschland muss härter agieren“
       
       Der SPD-Ministerpräsident Brandenburgs will schärfer gegen illegale
       Migration vorgehen, um die AfD zu schlagen.
       
   DIR Landtagswahlen in Brandenburg: In Brandenburg ist alles offen
       
       Zieht die SPD von Dietmar Woidke am 22. September an der AfD vorbei? Und
       wer wird Brandenburg regieren? Sogar eine große Koalition scheint möglich.
       
   DIR Kommunalwahlen in Brandenburg: Galgenhumor am Grill
       
       Die Grünen erlebten bei der Kommunalwahl in Brandenburg ein Debakel. Zu
       Besuch bei einer Wahlparty in Lauchhammer.