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       # taz.de -- Grundsatzrede von Bundeskanzler Scholz: Kandidatenländer sollen in die EU
       
       > Olaf Scholz erklärt, wie sich die „Zeitenwende“ auf die EU auswirkt.
       > Angesichts des Kriegs in der Ukraine fordert er weitgehende Reformen.
       
   IMG Bild: Möchte, dass die EU schneller agieren kann: Bundeskanzler Olaf Scholz in der Karls-Universität in Prag
       
       Prag/Berlin rtr/dpa/taz | Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sich für
       radikale Reformen in der EU aus, um neue Staaten aufzunehmen. In einer
       europapolitischen Grundsatzrede in Prag schlug Scholz am Montag dabei
       Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Steuerpolitik und eine Neuordnung
       im Europäischen Parlament vor. Er unterstützte zudem die Idee für eine neue
       europäische politische Gemeinschaft, die einen engeren Austausch mit
       Partnern außerhalb der EU ermöglichen soll.
       
       Die EU könne schneller reagieren, wenn sie nach dem Mehrheitsprinzip
       entscheiden würde, argumentierte er. Die aktuelle Lage in der Ukraine mache
       deutlich, dass dies nötig sei. Wählerstimmen sollten in etwa das gleiche
       Gewicht haben. Eine Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit sei wichtig, auch
       wenn dies Auswirkungen auf Deutschland habe und gerade bei den kleineren
       EU-Staaten zu Besorgnis führe.
       
       Scholz sprach sich ausdrücklich für eine Erweiterung der EU aus, die mache
       aber weitere Reformen nötig: „Eine Europäische Union mit 30 oder 36 Staaten
       aber wird anders aussehen als unsere heutige Union.“ Am Prinzip, dass jeder
       Staat eine*n EU-Kommissar*in bestimmt, wolle er dabei nicht rütteln. Als
       Kompromiss schlug er vor, dass zwei Kommissionsmitglieder gemeinsam für
       eine Generaldirektion zuständig sind.
       
       „Die Ukraine, die Republik Moldau, perspektivisch auch Georgien und
       natürlich die sechs Staaten des westlichen Balkans gehören zu uns“, betonte
       Scholz. Dabei verwies er auch auf die Vorschläge des [1][französischen
       Präsidenten Emmanuel Macron], als EU stärker zusammenzuarbeiten. „Ihr
       EU-Beitritt liegt in unserem Interesse.“
       
       ## Wiederaufbau der Ukraine
       
       Zugleich [2][plädierte der SPD-Politiker] für eine stärkere
       Verteidigungszusammenarbeit, forderte ein voll funktionsfähiges
       EU-Hauptquartier und bot eine zentrale deutsche Rolle bei der Organisation
       der Luftverteidigung in Nord- und Osteuropa an.
       
       Er sicherte der von Russland angegriffenen Ukraine dabei dauerhafte Hilfe
       zu. „Wir werden diese Unterstützung aufrechterhalten, verlässlich und so
       lange wie nötig“, sagte Scholz. Eine internationale Expertenkonferenz soll
       am 25. Oktober in Berlin über den Wiederaufbau der Ukraine beraten. „Das
       gilt für den Wiederaufbau des zerstörten Landes, der eine Kraftanstrengung
       von Generationen wird.“
       
       Als weiteren [3][Punkt ging Olaf Scholz] in der rund einstündigen Rede auch
       auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit der EU ein: „Dort, wo Europa
       verglichen mit dem Silicon Valley, Shenzhen, Singapur oder Tokio
       zurückliegt, werden wir uns an die Spitze zurückkämpfen.“ Dabei sei auch
       die von der EU angestrebte Klimaneutralität bis 2050 weiterhin ein
       wichtiges Ziel.
       
       Mit Blick auf die Rechtsstaatskonflikte mit Polen und Ungarn betonte der
       Kanzler, dass die EU keine Kompromisse bei dem Wertefundament der EU machen
       dürfe. „Sinnvoll scheint mir auch, Zahlungen konsequent an die Einhaltung
       rechtsstaatlicher Standards zu knüpfen“, sagte er.
       
       Hinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, Scholz hätte
       vorgeschlagen, dass sich zwei Länder eine Kommission teilen sollten. Das
       trifft nicht zu und wurde entsprechend geändert.
       
       29 Aug 2022
       
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