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       # taz.de -- Gutachten zu überhöhten Mieten: Mietwucher den Kampf ansagen
       
       > Ein neues Gutachten kommt zum Ergebnis: Mietwucher ließe sich durch eine
       > Reform besser bekämpfen. Die Bundesregierung bleibt skeptisch.
       
   IMG Bild: Wie kommt man Haien, die Wucher betreiben, juristisch bei?
       
       Berlin taz | Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, will
       Mietwucher stärker bekämpfen. Oder wie er es formuliert: die derzeitige
       Rechtsprechung „geländegängig“ machen. Dafür hat der Deutsche Mieterbund
       ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie die derzeitigen Regelungen reformiert
       werden könnten.
       
       Derzeit gilt: Übersteigt eine vereinbarte Miete die ortsübliche
       Vergleichsmiete um 20 Prozent, wird rechtlich von „Mietpreisüberhöhung“
       (Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz) gesprochen. Dies ist eine
       Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro
       bestraft werden.
       
       Sind es mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und nutzt
       der Vermieter eine Zwangslage aus, gilt das als Straftat. „Wucher“
       (Paragraf 291 Strafgesetzbuch) kann mit Geldstrafen und Haftstrafen bis zu
       3 Jahren sanktioniert werden. Wichtig: In der öffentlichen Debatte werden
       meist beide Fälle als Mietwucher bezeichnet.
       
       Das juristische Gutachten, das am Dienstag online vorgestellt wurde,
       beschäftigt sich mit Reformperspektiven für das Verbot der
       Mietpreisüberhöhung und der Frage, wie verfassungskonform ein Gesetzentwurf
       des Bundesrats ist, der im [1][Frühjahr 2022] in den Bundestag eingebracht
       wurde, um Mietwucher besser bekämpfen zu können. Das Fazit:
       Verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken.
       
       ## Verbot der Mietpreisüberhöhung „weitgehend wirkungslos“
       
       Vom Bundesrat werden vor allem zwei Punkte gefordert: eine Verdopplung des
       Bußgelds, zudem soll es leichter werden, gegen überhöhte Mieten vorzugehen.
       Kritisiert wird, dass das bestehende Verbot der Mietpreisüberhöhung „in der
       Praxis weitgehend wirkungslos“ sei. Mieter*innen müssen nachweisen, dass
       Vermieter*innen das geringe Angebot an vergleichbaren Wohnungen bewusst
       ausgenutzt haben.
       
       Was das in der Praxis bedeute, erklärte Katharina Wagner, Leiterin des
       Amtes für Wohnungswesen in Frankfurt am Main. Die derzeitige Rechtsprechung
       sei für die Verwaltung eine große „Herausforderung“ und für Mieter*innen
       vor allem mit viel „Unsicherheit“ verbunden.
       
       In Frankfurt würden über ein Onlinetool etwa 200 Verdachtsfälle überhöhter
       Mieten pro Jahr gemeldet. Darunter seien extreme Fälle, wo die Kaltmiete
       1.700 Euro beträgt, obwohl sie laut Mietspiegel nur 900 betragen dürfte.
       Alle Fälle würden geprüft und gegebenenfalls Vermieter*innen
       aufgefordert, die Miete zu senken. Wenn diese jedoch Widerspruch einlegen,
       geht es weiter vor Gericht. Dort müssen Mieter*innen genau nachweisen,
       wo sie überall gesucht haben, wo sie abgelehnt wurden und dass diese
       schwierige Lage bewusst ausgenutzt wurde.
       
       ## Kritik am Entwurf
       
       Kilian Wegner, Juniorprofessor für Strafrecht an der Stiftung
       Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), der das Gutachten erstellt
       hat, versuchte die Bedenken der Bundesregierung zu entkräften. Diese sehe
       Schwierigkeiten beim „verfassungsrechtlichen Schuldprinzip“. Das hält
       Wegner aber für unberechtigt und vermutet eher politische Gründe dahinter.
       
       Das Bundesjustizministerium steht dem Entwurf des Bundesrats jedenfalls
       nach wie vor kritisch gegenüber. Das Ministerium verweist auf taz-Nachfrage
       nur auf eine Aussage von Bundesjustizminister Marco Buschmann aus dem April
       2022. „Für einen liberalen Justizminister“ sei der Bundesratsentwurf „weder
       sachlich vertretbar noch zielführend“, sagte er da. Der Vorschlag stehe „in
       einem gewissen Spannungsverhältnis zum Prinzip der sozialen
       Marktwirtschaft“.
       
       Beim SPD-geführten Bauministerium klingt das etwas anders. „Wucherisches
       Verhalten“ dürfe „nicht ohne Sanktionen hingenommen werden“, teilte es der
       taz mit. Daher sei es wichtig, dass der Paragraf 5 des
       Wirtschaftsstrafgesetzes „seine […] weitgehend eingebüßte Wirkung wieder
       entfalten kann“. Die Bundesregierung scheint sich offenbar nicht ganz einig
       zu sein.
       
       ## „Dringend geboten und auch rechtlich möglich“
       
       Rechtspolitikerin Zanda Martens (SPD) begrüßte das Gutachten und sieht eine
       Reform nun für „dringend geboten und auch rechtlich möglich“.
       Grünenpolitikerin Canan Bayram sagte, eine solche Reform wäre eine „große
       Erleichterung für viele Mieter*innen“, sei aber nur ein „Mosaikstein einer
       dringend [2][anstehenden Reform des sozialen Mietrechts“].
       
       Das Gutachten widerlege „all die vorgeschobenen Bedenken der
       Bundesregierung deutlich“, sagte die Bundestagsabgeordnete [3][Caren Lay
       (Linke)] der taz. Dennoch verweigere die Bundesregierung „sich jeder Reform
       zum besseren Schutz von Mieterinnen und Mietern und verteidigt stattdessen
       die Interessen der Miethaie“.
       
       Der Eigentümerverband Haus und Grund sieht grundsätzlich keinen
       Reformbedarf. Eine weitere Verschärfung sei ein „Eingriff in die
       Eigentumsrechte des Vermieters“. Dies sei „eine weitere Stellschraube, um
       in den Mietmarkt einzugreifen und die Mieten künstlich zu beeinflussen“,
       heißt es in einer Stellungnahme zum Bundesratsentwurf.
       
       15 May 2024
       
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