# taz.de -- Häusliche Gewalt in Deutschland: Um Jahre zurückgeworfen
> Der Anstieg von häuslicher Gewalt zeigt, dass die Pandemie uns als
> Gesellschaft zurückgeworfen hat. Es braucht mehr Plätze in Frauenhäusern
> und Geld.
IMG Bild: Vor allem braucht es gesellschaftliche Sensibilität und Antigewalttraining für Männer
Die Zahlen zu häuslicher Gewalt sind gestiegen – um 9,3 Prozentpunkte
gegenüber dem Pandemiejahr 2021. Das ergab eine Recherche der Welt bei den
16 Innenministerien und Landeskriminalämtern. Die Dunkelziffer ist
vermutlich viel höher. Nun sind vor allem Männer überrascht: Huch, das ist
ja schrecklich. Und dann geht’s weiter. Viel zu leicht ist das Wegsehen,
viel zu komplex das Eingreifen in die vermeintlichen Privatangelegenheiten
anderer Leute.
Die Reaktion von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) darauf ist denkbar
schlicht: [1][Opfer häuslicher Gewalt sollen Anzeige erstatten], außerdem
soll es bald mehr Plätze in Frauenhäusern geben.
Es gibt allerdings gute Gründe, warum manche [2][Opfer häuslicher Gewalt]
(Hilfetelefon: 116016) keine Anzeige erstatten wollen oder können: Wenn ich
als Illegalisierte in Deutschland lebe, werde ich dann abgeschoben, wenn
ich bei der Polizei Anzeige erstatte? Bin ich finanziell abhängig von
meinem Partner? Bin ich pflegebedürftig und bei dem Kontakt mit der
Außenwelt auf die Hilfe der Person angewiesen, die häusliche Gewalt ausübt?
Es lässt sich eben nicht so einfach beantworten, wie sich ein Gewaltopfer
im Zweifelsfall zu verhalten hat.
Und ja, es braucht mehr Plätze in Frauenhäusern. Aber bislang ist noch
nicht einmal klar, ob das Ministerium für Familien, Senioren, Frauen und
Jugend das Kernanliegen [3][Kindergrundsicherung] finanziell gestemmt
bekommt, da ist es zweifelhaft, wie viel Geld für Frauenhäuser bleibt.
Abgesehen davon ist mit einer Anzeige und einem Platz im Frauenhaus nur
wenig getan, denn dann hat die Gewalt ja bereits stattgefunden.
Es braucht [4][also politische Präventionsmaßnahmen] wie
Antigewalttrainings für Männer, die ausgebaut werden müssen. Es braucht
aber auch mehr gesellschaftliche Sensibilität: ein Klima, das sexistische
Witze am Arbeitsplatz oder in der Kneipe ächtet. Dass es diesen Fortschritt
nicht gibt, zeigen die Rückschläge der letzten Jahre: Die
[5][Coronapandemie hat die Gesellschaft in Sachen Gleichstellung
zurückgeworfen].
19 Jun 2023
## LINKS
DIR [1] https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/Politik__Inland_/article245930246/Faeser-Muessen-Opfer-haeuslicher-Gewalt-staerken.html
DIR [2] https://www.hilfetelefon.de
DIR [3] /Lisa-Paus-zur-Kindergrundsicherung/!5928142
DIR [4] /Fuenf-Jahre-Istanbul-Konvention/!5912016
DIR [5] https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-02/corona-gleichstellung-studien-frauen-geschlechterrollen
## AUTOREN
DIR Nicole Opitz
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