# taz.de -- Hannovers Straßenplanung ohne Fahrräder: Autos über alles
> In der niedersächsischen Landeshauptstadt soll der viel befahrene
> Südschnellweg neu gebaut werden. Das wird noch mehr Autoverkehr
> ermöglichen.
IMG Bild: Viel befahren: Der Südschnellweg in Hannover
Hamburg taz | Hannovers Schnellwege setzen die Idee der autogerechten Stadt
perfekt um: Abgekapselte Straßen, breit und meist mit der Erlaubnis zu
erhöhter innerörtlicher Geschwindigkeit. Nun soll der viel befahrene
Südschnellweg komplett neu gebaut werden. Umweltverbände und
Mobilitätsforscher kritisieren das Vorhaben, denn Umweltaspekte würden kaum
berücksichtigt, auf Fahrradwege verzichtet und Autoverkehr weiterhin über
alles gestellt.
Der Südschnellweg zieht sich über knapp vier Kilometer vom Stadtteil
Ricklingen im Westen durch das Landschaftsschutzgebiet Leinemasch bis in
den Stadtteil Döhren, wo er mit dem Messeschnellweg kreuzt. Laut der
zuständigen niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr muss
der knapp vier Kilometer lange Abschnitt erneuert werden.
Vor allem, weil vier Brücken marode seien. Dabei dränge die Zeit: Aufgrund
ihres baulichen Zustandes dürften sie nur noch bis etwa 2023 genutzt
werden. Die Kosten werden bislang auf 360 Millionen Euro geschätzt.
„Wir bestreiten nicht, dass am Südschnellweg etwas gemacht werden muss“,
sagt auch Ralf Strobach von der hannoverschen [1][Bürgerinitiative
Umweltschutz]. Allerdings: „Uns stört, dass er in den Dimensionen einer
Autobahn ausgebaut werden soll“, sagt Strobach. Bislang ist die Straße rund
14 Meter breit, künftig wären es dann stolze 25 Meter.
## „Straßenbaugeist der 50er“
Weil der Abschnitt überregionale Bedeutung habe, solle er „autobahnähnlich“
ausgebaut werden. Das bedeutet: Die Spuren werden breiter, der
Mittelstreifen ebenso. Hinzu kommt nun auch noch ein Standstreifen auf
beiden Seiten. „Hier weht der Straßenbaugeist der 50er-Jahre“, sagt
Strobach.
Die Bürgerini kritisiert nicht nur, dass deshalb einige Hundert Bäume
gefällt werden müssen. „Warum muss der Straßenverkehr ausgerechnet in einem
Landschaftsschutzgebiet erheblich verbreitert werden?“, fragt sich
Strobach. Die Ini hat deshalb diverse Einwendungen in das
Planfeststellungsverfahren eingebracht, die diese Woche diskutiert werden
sollen.
Auch Verkehrsforscher*innen kritisieren das Vorhaben, weil es zu mehr
Verkehr führen werde. Das sei angesichts der geforderten Verkehrswende
nicht nachvollziehbar. Der geplante Umbau beruht auf der Prognose, dass das
Verkehrsaufkommen künftig steigen wird. Diese Prognose stammt aus dem Jahr
2016 und zählte für das damalige Vorjahr knapp 44.000 Fahrzeuge, die pro
Tag die Straße befuhren. 2030 sollen es 55.000 Fahrzeuge sein – ein Anstieg
um mehr als 20 Prozent.
Gerade diesem Anstieg müsse entgegengewirkt werden, sagt der Berliner
Mobilitätsforscher Andreas Knie: „Es gilt noch immer der Satz: ‚Wer
Straßen sät, erntet Verkehr.‘“ Empirisch habe sich bislang immer bestätigt,
dass sich dort, wo die Kapazitäten vergrößert werden, das tatsächliche
Aufkommen erhöhe. „Straßen ziehen Verkehr an“, sagt Knie.
## Stadtverwaltung: Kein Widerspruch zu Verkehrswende
Laut der Straßenverkehrsbehörde hat der Ausbau den Vorteil, dass die
Staugefahr sinkt – was wiederum für Anwohner*innen von Vorteil wäre: „Der
Verkehr verlagert sich dadurch auch weniger auf städtische Ausweichrouten.“
Knie hält von dem Argument wenig: „Für die Verkehrswende muss der
Straßenverkehr in der Summe verringert werden“, sagt Knie.
Dies gelte besonders für eine Stadt wie Hannover. Das Vorhaben sei hier
bemerkenswert, weil die Region eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Autos
pro Einwohner*innen hat.
Zudem ist Hannover eine der wenigen Städte, die [2][von einem grünen
Bürgermeister regiert wird]. Zwar ist die Stadt nicht für die Planung
zuständig, dennoch ist es erstaunlich, dass eine von einem Grünen geführte
Verwaltung sich nicht am wachsenden Verkehr stört.
Sie sieht überhaupt gar keinen Widerspruch zur Verringerung des
Fahrzeugverkehrs: „Die mit dem Ausbau verbundene Erweiterung der möglichen
Leistungsfähigkeit hat aus Sicht der Stadt zunächst nichts mit der
tatsächlichen Verkehrsbelastung und einer möglichen Verkehrswende vor dem
Hintergrund der Klimakrise zu tun“, teilt die Stadtverwaltung auf Nachfrage
mit.
## Hannover bleibt autogerecht
Aus Sicht der Stadt ist besonders erfreulich, dass auf einer Länge von rund
800 Metern für den Südschnellweg ein Tunnel gebaut wird. Bislang führte er
an dieser Stelle auf einer zehn Meter hohen Brücke durch ein viel bewohntes
Gebiet.
Wie die Umweltini kritisiert auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club
(ADFC) das Projekt. Denn ein begleitender [3][Fahrradweg ist beim Neubau
nicht geplant.] „Nutzen und Attraktivität eines straßenbegleitenden Radwegs
entlang einer viel befahrenen vierstreifigen Bundesstraße ist grundsätzlich
zu hinterfragen“, sagt die Straßenbehörde zur Begründung. Das sei mit der
Stadt Hannover in Abstimmung entschieden worden.
Zwar mag die Attraktivität tatsächlich gering sein. „Es ist dennoch völlig
unzeitgemäß“, sagt auch Mobilitätsforscher Knie. Und dass die Stadt nicht
auf die Einbeziehung des Radverkehrs pocht, hält Strobach für mutlos.
Denn der Südschnellweg zieht eine Schneise von einigen Stadtteilen zur
Innenstadt. „Wenn die Straße neu gebaut ist, können notwendige
Fahrradrouten, die aus den äußeren Stadtteilen in die Stadt führen, gar
nicht mehr ausgebaut werden“, sagt Strobach. Der Ausbau des Fahrradverkehrs
wäre erschwert. Autogerecht wäre Hannover damit weiterhin.
26 Oct 2020
## LINKS
DIR [1] https://www.biu-hannover.de/
DIR [2] /Buergermeisterwahl-in-Hannover/!5634074&s=belit+onay/
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## AUTOREN
DIR André Zuschlag
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