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       # taz.de -- Hartz IV und Corona: Zuschlag in schweren Zeiten
       
       > Ein Bündnis von Gewerkschaften und Verbänden fordert einen Coronazuschlag
       > auf Hartz IV. Bundessozialminister Heil arbeitet daran.
       
   IMG Bild: Ein langer Weg, bis die Bundesagentur für Arbeit armen Kindern den Kauf eines Laptops finanziert
       
       Susanne G. lebt von der Grundsicherung im Alter, nutzt die Lebensmittel der
       Tafel und die niedrigen Preise im Secondhandladen für Bedürftige. Derzeit
       geht sie allerdings nicht zur Tafel, sie hat Angst, sich dort anzustecken.
       Der Secondhandladen hat coronoabedingt zu, eine dringend benötigte neue
       Lampe hat ihr jetzt eine Freundin geliehen. 100 Euro mehr im Monat zu
       haben, „das wäre schon ein großer Unterschied“, sagt die 68-jährige
       Berlinerin.
       
       Einen „pauschalen Mehrbedarfszuschlag“ von 100 Euro mehr im Monat für die
       EmpfängerInnen von Hartz IV und Grundsicherung im Alter für die Dauer der
       Coronapandemie. Das forderte am Montag ein [1][breites Bündnis] von 36
       Gewerkschaften und Verbänden. Alle Kinder und Jugendlichen in Familien mit
       niedrigen Einkommen müssten zudem als einmalige Leistungen der Jobcenter
       die nötige Hard- und Software für das Homeschooling bekommen. Außerdem
       sprach sich das Bündnis für eine dauerhafte Anhebung der Regelsätze von
       Hartz IV und Altersgrundsicherung von derzeit 446 Euro auf 600 Euro im
       Monat aus.
       
       Zu den Unterzeichnern der Forderung gehören unter anderem der Paritätische
       Gesamtverband, der Sozialverband Deutschland, die Diakonie, die
       Gewerkschaften ver.di und GEW, der Deutsche Kulturrat, das Deutsche
       Kinderhilfswerk, der Deutsche Mieterbund und auch der Bund für Umwelt und
       Naturschutz sowie die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren.
       
       „Wir dürfen nicht zulassen, dass sozial benachteiligte Menschen durch und
       in der Coronapandemie weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden“,
       erklärte Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland in dem
       gemeinsamen Papier.
       
       ## Risiko Distanzunterricht
       
       „Arme Kinder werden vom Distanzunterricht abgehängt. Ich halte es für einen
       Skandal, dass diese Kinder durch mehrere Instanzen hindurch klagen müssen,
       bis die Bundesagentur für Arbeit ihnen den Kauf einen Laptops finanziert“,
       rügte Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund.
       
       Die UnterstützerInnen weisen in dem Aufruf auf durch den Lockdown
       wegfallende kostenlose Schulessen hin, auf teilweise geschlossene Tafeln,
       steigende Lebenshaltungskosten, etwa auch für Masken und
       Desinfektionsmittel, die das Leben für Grundsicherungsempfänger teurer
       machen. Laptops für das Homeschooling seien zwar versprochen worden,
       vielfach warteten die Kinder aber immer noch darauf, heißt es in dem
       Aufruf.
       
       Zumindest einen Aufschlag auf den Hartz-IV-Regelsatz hat
       Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unterdessen zugesagt. Wie vom
       Minister angekündigt, arbeite das Bundesarbeitsministerium „mit Hochdruck“
       an „Konzepten für einen Coronazuschlag in der Grundsicherung“, teilte eine
       Sprecherin des Ministeriums der taz mit. Das Ergebnis der Arbeiten bleibe
       „abzuwarten“. Heil hatte sich insbesondere auch für Hilfen für die
       Anschaffung von OP- oder FFP2-Masken ausgesprochen.
       
       ## Leihcomputer für arme Familien
       
       Für die Ausstattung von bedürftigen Kindern mit Notebooks für das
       Homeschooling in der Coronapandemie hat die Koalition bereits 500 Millionen
       Euro zur Verfügung gestellt, die von den einzelnen Bundesländern
       aufgestockt und an die Schulen weitergegeben werden. Die damit finanzierten
       Notebooks sind aber in der Regel Leihgeräte.
       
       Dass Kinder im Hartz-IV-Bezug Anspruch auf Finanzierung eines eigenen
       Notebooks durch die Jobcenter haben, entweder grundsätzlich oder
       pandemiebedingt, ist bisher von einigen [2][Landessozialgerichten,]
       darunter etwa Nordrhein-Westfalen und Thüringen, positiv beurteilt worden.
       
       Damit Jobcenter bundeseinheitlich die Finanzierung von Notebooks für
       SchülerInnen in Hartz IV bewilligen können, sei eine „gesetzgeberische
       Norm“ oder ein Urteil des Bundessozialgerichts notwendig, sagte eine
       Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit der taz. Beides liegt derzeit noch
       nicht vor.
       
       ## Kostenfaktor Haushaltsgeräte
       
       Politisch schwierig dürfte es für die Forderung der 36 Verbände werden, den
       Regelsatz für einen Alleinstehenden von derzeit 446 Euro dauerhaft auf
       mindestens 600 Euro im Monat zu erhöhen. Eine solche Erhöhung wurde schon
       mehrfach von den Wohlfahrtsverbänden gefordert. Die Verbände machen dabei
       geltend, dass die Bemessung des Regelsatzes nicht den tatsächlichen
       Bedarfen der Langzeitarbeitslosen entspreche.
       
       Der Paritätische Gesamtverband hatte in einer [3][Expertise] insbesondere
       drei Kostenfaktoren ausgemacht, die Hartz-IV-EmpfängerInnen stark belasten:
       Das sind einmal die hohen Stromkosten, die aus dem Regelsatz finanziert
       werden müssen und bei steigenden Strompreisen spürbar zu Buche schlagen.
       
       Zum zweiten belasten Kosten für die Anschaffung und Reparaturen der „weißen
       Ware“ wie etwa Kühlschränke oder Waschmaschinen die schmalen Budgets, weil
       das hohe einmalige Bedarfe sein können. Auch die Kosten für Mobilität, also
       Fahrkarten, sind von GrundsicherungsempfängerInnen nur schwer zu stemmen.
       
       25 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.der-paritaetische.de/presse/aufruf-soforthilfen-fuer-arme/
   DIR [2] https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2634/
   DIR [3] https://www.der-paritaetische.de/publikationen/regelbedarfe-2021-alternative-berechnungen-zur-ermittlung-der-regelbedarfe-in-der-grundsicherung/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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