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       # taz.de -- Hilfe bei Missbrauch in Film und TV: „Es darf sich jeder und jede melden“
       
       > Die deutsche Fernsehbranche bekommt endlich eine Beratungsstelle für
       > Opfer sexueller Gewalt. Ein Gespräch mit einer der Initiatorinnen.
       
   IMG Bild: Die Schauspielerin Anna Brüggemann mit ihrem Bruder und Protestbutton auf der Berlinale 2018
       
       taz: Frau Rohm, bei der Berlinale wurde die Beratungsstelle für Opfer
       sexueller Belästigung für März angekündigt, nun dauert es bis nach der
       Sommerpause. Warum die Verzögerung?
       
       Barbara Rohm: Das liegt daran, dass sich mittlerweile so viele beteiligen –
       darin liegt ja auch die große Chance der Stelle. Es hat noch nie so ein
       breit aufgestelltes Bündnis in unserer Branche gegeben. Wir mussten
       zunächst gemeinsam die rechtliche Grundlage ausloten und klären: Wie ist
       die Stelle definiert, wie soll sie arbeiten? Gemessen daran waren wir recht
       zügig.
       
       Wie viele Mitarbeiter*innen werden für die Stelle arbeiten? 
       
       Es werden zunächst zwei Personen dort arbeiten, eine mit juristischer, eine
       mit psychologischer Ausbildung.
       
       Das Wichtigste ist Unabhängigkeit von Politik und einzelnen Firmen, wie
       soll das langfristig gewährleistet werden? 
       
       Unabhängigkeit ist dadurch garantiert, dass die finanzielle Verantwortung
       auf viele Schultern verteilt ist. Wir haben die Anschubfinanzierung der
       BKM, daneben beteiligen sich unter anderem der Bühnenverein und ARD und ZDF
       (siehe Kasten). Es gibt noch Ideen, weitere Finanzpartner ins Boot zu
       holen, aber das Geld reicht zunächst aus, damit wir starten können. Wir
       gehen davon aus dass die breite finanzielle Unterstützung bestehen bleibt,
       weil wir annehmen, dass es einen großen Beratungsbedarf gibt und die
       Partner zugesichert haben: Wenn der Bedarf da ist, werden sie sich auch
       weiter am Projekt beteiligen.
       
       Was bekommen Opfer sexueller Belästigung konkret bei Ihnen? 
       
       Eine juristische und, sofern gewünscht, psychologische Beratung, damit sie
       das Geschehene erst einmal einordnen können. Das soll Handlungsspielräume
       aufzeigen. Alles weitere richtet sich nach den Bedürfnissen der
       Betroffenen. Anonymität ist dabei garantiert und wird nur aufgelöst, wenn
       die Betroffenen einverstanden sind. Wenn die Betroffenen sich entscheiden,
       die Vorfälle bei den Unternehmen zu melden, werden sie auch dabei
       begleitet.
       
       Was die Stelle nicht leisten kann, ist anwaltliche Vertretung oder
       Therapie. Sie kann das im ersten Schritt anbieten und dann
       weitervermitteln. Sofern gewünscht, nimmt die Stelle mit den
       Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern Kontakt auf, damit der Vorfall weiter
       verfolgt wird.
       
       Die Bedürfnisse der Betroffenen sind sehr unterschiedlich und hängen von
       der Schwere des Vorfalls ab. Die einen wünschen juristische Verfolgung.
       Andere wollen, dass der Vorfall im Unternehmen thematisiert wird, dass sich
       am Arbeitsklima etwas ändert. Wieder andere wünschen sich eine Aussprache
       mit der Person oder ganz einfach eine Entschuldigung.
       
       Es gibt eine Hemmschwelle, sich jemandem anzuvertrauen, auch weil viele
       ihren Fall vielleicht als „nicht schlimm genug“ empfinden. Ab wann darf man
       sich bei Ihnen melden? 
       
       Es darf sich jeder und jede melden. Wenn Sie ein ungutes Gefühl haben oder
       wenn Sie nicht wissen, wie Sie etwas einordnen sollen. Oft weiß man nicht
       genau, womit man es eigentlich zu tun hat – auch dafür ist diese Stelle
       zuständig.
       
       Sie kündigen auch an, sich für einen Kulturwandel einzusetzen. Wie soll das
       konkret aussehen? 
       
       Prävention soll ebenso zentral sein wie Aufarbeitung. Wie können
       Betroffene geschützt werden, die einen Vorfall melden? Deren große Angst
       ist, dass es negative Konsequenzen für die eigene Karriere geben könnte.
       Auch wir können keine hundertprozentige Garantie geben, dass es sich nicht
       auf die Karriere auswirkt, wenn man einen Vorfall meldet. Aber wir können
       die Betroffenen begleiten und beraten, damit sie zu einer für sie richtigen
       Entscheidung finden.
       
       Aufgabe der Stelle soll sein, Bewusstsein zu schaffen dafür, was
       Unternehmen selbst tun können, um die Risiken für diejenigen zu mindern,
       die einen Vorfall melden wollen. Wir wollen deshalb auch intern mit den
       Partnern ins Gespräch zu kommen und auf der Bewusstseinsebene etwas
       verändern.
       
       Sie selbst kommen von Pro Quote Film. Sie haben häufig angemerkt, dass ein
       Teil des Problems auch der Männerüberhang an den entscheidenden Stellen
       der Branche ist. Wird es also auch um Frauenförderung gehen? 
       
       Frauenförderung ist nicht das zentrale Thema, denn die Frauen sind ja da,
       und sie sind gut ausgebildet. Sie werden aber momentan nicht genügend
       beschäftigt oder für Führungspositionen besetzt. Bei dem Thema Macht und
       Machtmissbrauch, um das es hier geht, müssen wir natürlich darüber reden,
       dass es mehr Frauen in Führungspositionen braucht. Ich würde mir persönlich
       sehr wünschen, dass wir mit unseren Partnern und Partnerinnen auch das
       thematisieren. Aber es wird bei der Arbeit der Beratungsstelle nicht im
       Vordergrund stehen.
       
       7 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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