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       # taz.de -- Höchste Stufe erreicht: Sudans große Hungersnot beginnt
       
       > Im riesigen Flüchtlingslager Zamzam in Darfur konstatieren Helfer das
       > Erreichen der höchsten Hungerstufe. Sie warnen: Weitere Gebiete werden
       > folgen.
       
   IMG Bild: Zamzam-Geflüchtetenlager im Sudan: Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen betreibt dort eine Klinik
       
       Berlin taz | „Wenn Hungersnot eintritt, sind wir zu spät“, mahnte Edem
       Wosornu. „Es bedeutet, dass wir zu wenig getan haben. Es bedeutet, dass
       wir, die internationale Gemeinschaft, versagt haben.“ Mit ihren
       [1][eindringlichen Worten vor dem UN-Sicherheitsrat] in New York am
       Dienstag beschrieb die ghanaische UN-Diplomatin den neuesten Tiefpunkt des
       Krieges in Sudan: die Feststellung, dass jetzt Hungersnot herrscht.
       
       Die Experten des internationalen Klassifizierungssystem IPC (Integrated
       Food Security Phase Classification) trafen dieses Urteil in einem [2][am 1.
       August veröffentlichten Bericht] über die Ernährungslage im
       Kriegsvertriebenenlager Zamzam außerhalb der Stadt El Fasher in Darfur.
       Wosomu nannte dies einen „Schandfleck auf unserem kollektiven Gewissen“.
       
       Es ist erst die dritte offiziell festgestellte Hungersnot weltweit in den
       zwanzig Jahren Bestehen des UN-gestützten IPC-Systems, nach Somalia 2011
       und Südsudan 2017. Eine IPC-Hungersnotprognose für Gaza im Frühjahr konnte
       durch leicht verbesserten Hilfszugang abgewendet werden.
       
       „Hungersnot“, Stufe 5 auf der fünfstufigen IPC-Skala, bedeutet in dieser
       standardisierten Definition drei Dinge: mindestens 20 Prozent der
       Bevölkerung stehen weniger als die zum Leben notwendigen 2.100 Kilokalorien
       pro Tag zur Verfügung; mindestens 30 Prozent der Kinder unter fünf Jahren
       leiden an Auszehrung; mindestens 2 von 10.000 Menschen sterben täglich an
       Nahrungsmangel.
       
       ## Es gibt kaum noch Essen in Darfur
       
       Zamzam ist das größte Vertriebenenlager Sudans, wahrscheinlich eines der
       größten der Welt. 300.000 Menschen lebten dort im April. Inzwischen sind es
       zwischen 500.000 bis 800.000. Zamzam liegt am Südrand von El Fasher, ein
       Brennpunkt des seit April 2023 in Sudan wütenden Krieges zwischen der
       Regierungsarmee (SAF) und der aufständischen Miliz Rapid Support Forces
       (RSF). El Fasher ist die letzte noch nicht von der RSF eingenommene
       Provinzhauptstadt in Darfur.
       
       In ganz Darfur gibt es kaum noch etwas zu essen. Die letzten Ernten gab es
       zu Jahresbeginn, die nächsten sind erst im Oktober in Sicht. Von außen
       kommt fast nichts in die Region, da Sudans Armee die Grenzübergänge und die
       Fernstraßen immer wieder schließt und die RSF plündert, was sie kann. Eine
       einzige UN-Hilfslieferung hat Zamzam dieses Jahr bisher erreicht: Im April
       erhielten 22.395 Menschen jeweils eine halbe Tagesration. Lebensmittel gibt
       es auf Märkten, aber die meisten Menschen haben kein Geld.
       
       Bereits im Februar [3][schlug die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen für
       Zamzam Alarm]: Alle zwei Stunden verhungere ein Kind, die
       Sterblichkeitsrate liege mit 2,5 Toten pro 10.000 Menschen pro Tag schon
       über der Schwelle zur Hungersnot. IPC-Untersuchungen hatten zuvor eine
       Sterblichkeitsrate von 1,9 festgestellt, also leicht unter der Schwelle.
       
       Da sich die Lebensbedingungen seitdem verschlechtert haben, sieht das
       Gremium eine Hungersnot jetzt als gegeben an, auch wenn detaillierte neue
       Erhebungen aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich sind.
       Satellitenaufnahmen belegen „eine überdurchschnittliche Zunahme der Anzahl
       von Gräbern neben den Camps des Lagers Zamzam“, heißt es.
       
       Bis zu 100 Verhungernde am Tag an einem einzigen Ort – das ist sicherlich
       nur ein Teil der Realität. Der IPC-Bericht betont, es gebe andere Gebiete
       in derselben Lage, die aber noch nicht untersucht worden seien. Ende Juni
       hatte [4][ein IPC-Ausblick für den Zeitraum bis September] das Erreichen
       der Hungersnot-Stufe 5 für 750.000 Menschen in zehn Bundesstaaten
       prognostiziert: ganz Darfur und Kordofan sowie Blue Nile, Gezira und
       Khartum.
       
       ## Belagerung und Blockaden
       
       Die Verschlechterung der Gesamtlage seit Ende 2023 sei „erschreckend und
       rapide“. Da der Krieg in diesem Jahr kaum eine Aussaat erlaubt, befürchten
       Experten noch mehr Hunger für 2025. Von einem „ausgedehnten Zusammenbruch
       der Ernährungssicherheit quer durch das Land“ [5][sprach im
       UN-Sicherheitsrat Stephen Omollo], Vizedirektor des
       UN-Welternährungsprogramms WFP.
       
       Sudan hat rund 47 Millionen Einwohner, von denen laut UN über 25 Millionen
       in einer Hungerkrise stecken. Schon bei der Sudankonferenz in Paris im
       April war von bis zu zwei Millionen Hungertoten in Sudan in diesem Jahr die
       Rede. Sudans Regierung macht für die Lage in Zamzam die RSF-Belagerung von
       El Fasher verantwortlich. Hilfsorganisationen verweisen demgegenüber auf
       die Blockaden der Regierung gegen jede Hilfe von außen.
       
       7 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://reliefweb.int/report/sudan/ms-edem-wosornu-director-operations-and-advocacy-unocha-remarks-behalf-acting-usg-humanitarian-affairs-and-erc-ms-joyce-msuya-briefing-security-council-humanitarian-situation-sudan-06-august-2024
   DIR [2] /home4/redakt/johnson/Desktop/IPC_Famine_Review_Committee_Report_Sudan_July2024.pdf
   DIR [3] https://www.msf.org/sudan-urgent-response-needed-amid-high-death-rates-and-malnutrition-crisis-north-darfur
   DIR [4] https://www.ipcinfo.org/fileadmin/user_upload/ipcinfo/docs/IPC_Sudan_Acute_Food_Insecurity_Snapshot_Jun2024_Feb2025.pdf
   DIR [5] https://reliefweb.int/report/sudan/remarks-delivered-wfp-assistant-executive-director-stephen-omollo-security-council-session-sudan
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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