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       # taz.de -- Imbiss-Betreiber über Kochen mit Eiern: „Das Ei an sich ist nicht böse“
       
       > Im Imbiss „Egg Kneipe“ dreht sich alles ums Hühnerei. Ein Gespräch über
       > perfektes Pochieren, US-amerikanische Esskultur und die Kraft der
       > Junghenne.
       
   IMG Bild: „Jeder hat seine Geschichte mit dem Ei“, sagt Patrick Walter
       
       taz am wochenende: Herr Walter, was war denn zuerst da, das Rührei oder das
       Spiegelei? 
       
       Patrick Walter: Das Rührei. Genauer: die Fraggle Eggs von meinem Partner
       Thies Wulf. Er lässt dafür die Pfanne ganz heiß werden, so wie man es
       eigentlich nicht machen darf, und rührt wie wild zwei, drei Eier darin
       herum. Das ist ganz konträr zum normalen Rührei, es ist kaum noch fluffig.
       Fraggle Eggs hat Thies oft gemacht, als wir über der Idee für einen
       Straßenimbiss brüteten – bis uns klar wurde, dass wir ganz einfach Eier in
       den Mittelpunkt stellen sollten.
       
       Seit fast einem Jahr betreiben Sie die Egg Kneipe, einen kleinen
       Straßenimbiss in Kreuzberg. Es gibt Rührei, Spiegelei, Omelett, aber auch
       Egg Rolls. Alles dreht sich ums Ei. Ziemlich mutig! 
       
       Warum?
       
       Drei Stichworte: Fipronil. Cholesterin. Massengehege. Das Ei hat keinen
       wirklich guten Ruf. 
       
       Ach, heute hat doch jedes Lebensmittel einen Skandal hinter sich.
       
       Aber warum ausgerechnet das Ei? 
       
       Weil es jemanden geben muss, der den Ruf des Eis rettet. Das sind wir. Und
       uns ist wichtig, auch zu signalisieren: Leute, kommt mal runter von dem
       Esswahn. Das Produkt an sich ist nicht böse. Es kommt schon noch drauf an,
       wo es herkommt und wie es produziert wird. Darauf achten wir.
       
       Hinzu kommt, dass Eierspeisen in der hiesigen Gastronomie selten geworden
       sind. Das abgestandene Rührei am Hotelbuffet – das kennt jeder. 
       
       Lassen wir das Thema. Die deutsche Esskultur ist da ein bisschen einseitig.
       Sie kennt das Ei vor allem als Bestandteil des Frühstücks. Zum Lunch, zum
       Dinner …
       
       … da muss man in andere Länder gucken? 
       
       Ja. Für mich war zum Beispiel Kalifornien faszinierend. Es gibt dort, wie
       überhaupt in den USA, eine grandiose Sandwichkultur. Vor den Sandwichläden
       stehen die Leute Schlange, das hat man in Europa noch nicht gesehen. Das
       sind richtige Mahlzeiten, auch qualitativ gut. Und ganz oft ist auch ein Ei
       mit drin. Toll.
       
       Sie haben auch Egg Roll, eine New Yorker Spezialität. 
       
       Die amerikanischen Touristen jubeln. Das ist ein sehr fluffiger Eierkuchen,
       der wie ein Wrap gefüllt und gerollt wird. Aber das Ei ist nicht nur im
       Street Food zu Hause. Denken Sie an Senfeier. Man kann Eier in Salat geben,
       ein pochiertes Ei in Chili con Carne oder Eier-Curry machen. Das Ei gibt
       solchen Gerichten noch mal richtig Charakter.
       
       Was ist das Besondere am Ei? 
       
       Erst einmal, dass es so wenig besonders scheint. In vielen Produkten ist Ei
       ganz normaler Bestandteil, eine Grundzutat wie Salz, Zucker, Mehl. Aber,
       und das stellen wir auch immer hier im Lokal fest: Jeder hat seine
       Geschichte mit dem Ei. Eine Episode aus der Familie oder von einer Reise.
       
       Für mich ist das Ei der natürliche Prototyp für die Dose. Man schlägt es
       auf und heraus kommen die Zutaten für ein ganzes Gericht … 
       
       … mit wertvollen Inhaltsstoffen: Vitamine, Proteine, Mineralstoffe und
       Antioxidantien. Und das Ei enthält zwar viel Cholesterin, aber inzwischen
       weiß man, dass es gar nicht gefährlich für das Herz-Kreislauf-System ist.
       
       Auch deswegen legt das Ei gerade eine kleine Renaissance hin. Ich sehe auf
       vielen Speisekarten Eggs Benedict, also pochierte Eier, die in Sauce
       Hollandaise versunken sind. 
       
       Das ist eine ziemlich wuchtige Sache. Ich persönlich finde, bei diesem
       Gericht steht mehr die Hollandaise im Vordergrund, nicht das Ei. Wir haben
       es nicht auf der Karte.
       
       Aber pochierte Eier! Also Eier, die ohne Schale in sanft siedendem Wasser
       gegart werden. Haben Sie ein Rezept, wie die gelingen? 
       
       Wichtig ist, wirklich frische Eier zu nehmen. Dann franst das Eiweiß im
       Topf nicht aus. Ebenfalls wichtig: einen Schuss Salz und Essig ins Wasser.
       Und wir verwenden Junghenneneier vom Biohof.
       
       Junghenneneier? 
       
       Ich verstehe es einfach nicht: Kein Mensch will die kaufen, weil sie so
       klein sind: Die Kunden wollen L und XL, aber keine Größe S. Aber sie sind
       perfekt zum Pochieren. Sie haben vergleichsweise wenig Eiweiß und große
       Dotter. Außerdem ist das Eigelb aromatischer und reichhaltiger an
       Nährstoffen. Da steckt die ganze Kraft der jungen Henne drin.
       
       Schmecken Eier denn unterschiedlich? 
       
       Absolut. Wenn es Eier von Hühnern sind, die alt werden dürfen, wie die
       Bio-Eier. Das Alter, die Jahreszeit, das Futter, das bildet sich alles ab.
       Im Frühjahr beispielsweise ist das Eigelb intensiver.
       
       Noch zu der Frage, an der sich alle Geister teilen: Das klassische gekochte
       Ei – sechs oder acht Minuten? 
       
       Für mich eher hartgekocht. Mit Mayo, ein paar Kapern – und dazu einen
       Wodka.
       
       26 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörn Kabisch
       
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