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       # taz.de -- Impfkampagne in Deutschland: Gekommen, um zu impfen
       
       > In Baumarkt, Kirche und Fußballverein sollen mobile Impfteams möglichst
       > viele Menschen impfen. Im Südwesten setzt man zusätzlich auf Druck.
       
   IMG Bild: Mission: Impfen, Einsatzort: Bremer Hafen. Mobile Impfteams gibt es in den Ländern schon länger
       
       Wehmütig dürfte man in der Bundesregierung dieser Tage gen Norden blicken.
       Bereits 83,2 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahre ist in Dänemark gegen
       Covid-19 geimpft, in Deutschland sind es nur 69,4 Prozent. Die deutsche
       Impfkampagne, die aufgrund administrativer Probleme im Frühjahr ohnehin nur
       schleppend begann, ist fast zum Erliegen gekommen.
       
       Gleichzeitig geht mit dem Sommer die Zeit der Außenterrassen und Parks zu
       Ende, der Schulbetrieb hat auch im letzten Bundesland wieder begonnen, und
       die ansteckendere Deltavariante zirkuliert zunehmend auch hier. Um eine
       Ausbreitung der Pandemie für den Herbst zu verhindern, müssten sich nun
       möglichst schnell möglichst viele Menschen impfen lassen.
       
       Das sieht offenbar auch die Bundesregierung so und verstärkt in
       Zusammenarbeit mit den Ländern ihre Bemühungen zur Durchimpfung der
       Bevölkerung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat am Montag den Beginn
       einer Aktionswoche aufgerufen, bei der im ganzen Land niedrigschwellige
       Angebote an Ungeimpfte gemacht werden sollen.
       
       „Es gibt immer noch diejenigen, die eigentlich gar nichts gegen das Impfen
       haben, die vielleicht sogar schon mal einen Termin hatten, den haben sie
       verpasst und sie haben sich einfach keinen neuen gemacht“, sagte [1][Spahn
       im Gespräch mit dem Radiosender WDR5].
       
       ## Egal wo, egal was: Hauptsache impfen
       
       Vor Eishockeyspielstätten, Supermärkten oder Kirchen sollen sich Besucher
       spontan mit den Wirkstoffen von Moderna, Biontech und Co versorgen lassen
       können. Auch „im Baumarkt, im Zoo oder auch auf dem Herbstfest des
       Heimatvereins“ sollen mobile Impfstationen eingerichtet werden. In den
       sozialen Medien soll die Kampagne unter dem Hashtag #HierWirdGeimpft
       begleitet werden – so dass Organisationen und Kommunen auf Impfangebote
       hinweisen können.
       
       Mindestens 700 Aktionen sind deutschlandweit geplant. Ähnliche Modelle gab
       es bereits in einigen Bundesländern, wo Kommunen beispielsweise
       Schwerpunktimpfungen an sozialen Brennpunkten durchführten.
       
       Weil Spahn an der Schließung der großen Impfzentren Ende September
       festhalten will, verkörpert die Impfwoche auch den schleichenden
       Paradigmenwechsel von Massenimpfzentren hin zu einer dezentralen Kampagne.
       Das Motto: Wenn die Menschen schon nicht zur Impfung kommen, soll die
       Impfung eben zu den Menschen kommen.
       
       Die Bundesregierung strebt bei den über 60-Jährigen eine Quote von über 90
       Prozent an, bei den 12- bis 59-Jährigen 75 Prozent, wie
       Bundesgesundheitsminister Spahn vergangene Woche gesagt hatte. Nötig seien
       dafür noch rund 5 Millionen Impfungen. Aber ob die allseitige Verfügbarkeit
       dafür ausreicht?
       
       ## Daumenschrauben in BaWü
       
       Baden-Württemberg gehört nicht gerade zu den Spitzenreitern bei der
       Impfquote. Aktuell sind nur 68,4 Prozent der über 12-Jährigen voll geimpft.
       Ob das daran liegt, dass im Südwesten als Geburtsstätte der
       Querdenkerbewegung besonders viele Impfverweigerer leben, darüber kann man
       nur spekulieren.
       
       Unabhängig von den Gründen: Die Landesregierung versucht mit der neuen
       Coronaverordnung, die diese Woche in Kraft treten soll, Druck auf die
       Impfverweigerer auszuüben. Als erstes Land will es die Lohnfortzahlung im
       Fall einer Quarantäne einstellen. Bisher war das Land finanzell
       eingesprungen. Ab Mittwoch ist es damit vorbei.
       
       „Es geht da ums Solidarprinzip“, erklärt Gesundheitsminister Manne
       [2][Lucha dem Deutschlandradio]. Es gebe nur einen verschwindend geringen
       Anteil an der Bevölkerung, der sich aus medizinischen Gründen nicht impfen
       lassen könne, das werde selbstverständlich respektiert, so der Grüne. Aber
       alle anderen, die sich einfach nur nicht impfen lassen wollen, könnten sich
       nicht weiter auf die Solidarität der Gesellschaft verlassen.
       
       Schon bei den Coronaregelungen für die Schulen hat Baden-Württemberg die
       Daumenschrauben angezogen. Lehrer die sich nicht impfen lassen wollen,
       müssen sich im neuen Schuljahr nun jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn
       testen lassen. Nach der neuen Coronaverordnung müssen Ungeimpfte damit
       rechnen, dass überall dort, wo bisher Schnelltests genügt haben, mindestens
       PCR-Tests notwendig sein werden.
       
       ## In Sachsen nix Neues
       
       Unter Federführung des Deutschen Roten Kreuzes haben auch in Sachsen
       bereits am Wochenende Sonderimpfaktionen begonnen. Die umfangreiche Liste
       der Angebote umfasst Idas Lausitzcenter Hoyerswerda oder das Dresdner
       Rathau, aber auch das Frohburger Dreieckrennen oder das Literaturfest
       Meißen boten einen Anlass. Seit Schuljahresbeginn vor einer Woche wird an
       Schulen außerdem die Impfbereitschaft bei den Eltern abgefragt. Schüler ab
       12 Jahre sollen freiwillige Impfangebote erhalten.
       
       In Sachsen liegt die Neuinfektions-Inzidenz zwar mit 43,6 nur bei etwas
       mehr als der Hälfte des Bundesdurchschnitts. Aber sie steigt auch hier. Vor
       allem aber ist das Land mit seiner Impfquote absolutes Schlusslicht unter
       den Bundesländern. Die Skepsis ist in dem konservativen Land stark
       ausgeprägt und wird besonders radikal vertreten.
       
       So kam es am Rande einer CDU-Wahlveranstaltung in der Oberlausitz am
       Samstag erneut zu Protesten gegen die Coronaschutzmaßnahmen. Ein
       Demonstrant verglich dabei die Impfkampagne mit der Nazi-Judenverfolgung.
       Man wolle Ungeimpfte nach Auschwitz schicken, behauptete er.
       
       Man habe aus den bisherigen mobilen Impfaktionen gelernt, dass es zuvor
       einer intensiven medialen Kommunikation bedarf, sagte der sächsische
       DRK-Sprecher Kai Kranich am Montag. Eine seit Juli laufende Aktion
       ausgerechnet am Rande von Spielen des Fußballklubs Dynamo Dresden brachte
       mit 90 Geimpften nur bescheidenen Erfolg.
       
       Mitarbeit: Benno Stieber, Stuttgart, und Michael Bartsch, Dresden
       
       13 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-interview/audio-hierwirdgeimpft-staerker-vor-ort-unterwegs-sein-100.html
   DIR [2] https://www.deutschlandfunk.de/neue-corona-verordnung-in-baden-wuerttemberg.694.de.html?dram%3Aarticle_id=502990
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Wimalasena
   DIR Benno Stieber
   DIR Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
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