# taz.de -- In Berlin entführter Vietnamese: Innenminister als Entführungshelfer?
> Der frühere slowakische Innenminister Kalinak soll in die Entführung
> Trinh Xuan Thanhs 2017 durch Vietnams Geheimdienst verwickelt gewesen
> sein.
IMG Bild: Der frühere slowakische Innenminister Robert Kalinak
Berlin taz | Das [1][Urteil des Berliner Kammergerichtes] gegen einen
Entführungshelfer des früheren vietnamesischen Wirtschaftsfunktionärs Trinh
Xuan Thanh vom Montag dieser Woche hat in der Slowakei ein politisches
Nachspiel. Im Fokus steht dabei der frühere slowakische Innenminister
Robert Kalinak von der sozialdemokratischen SMER-Partei. Er soll dabei
geholfen haben, dass Entführer und Entführter unbehelligt den Schengenraum
verlassen konnten.
2017 war Trinh Xuan Thanh in Berlin entführt und nach Vietnam verschleppt
worden, wo der politisch in Ungnade gefallene Ex-Funktionär inzwischen zu
zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Am Dienstag kündigte der
liberale Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im slowakischen
Parlament, Juraj Krupa, auf einer Pressekonferenz an, dass sich sein
Ausschuss mit der Entführung befassen wird.
Denn das Urteil des Berliner Gerichtes stelle eindeutig fest, dass der
Vietnamese über die Slowakei entführt wurde, so Krupa. Das bestreitet der
frühere Innenminister Kalinak bis zum heutigen Tag – dabei hatte er laut
dem Berliner Urteil daran direkten Anteil. Denn Kalinak traf sich damals in
Bratislava mit seinem vietnamesischen Amtskollegen To Lam. Das Treffen war
erst anberaumt worden, als die Entführung bereits im Gange war. Nach dem
Treffen lieh Kalinak den Vietnamesen das slowakische Regierungsflugzeug,
mit dem der Entführte, so das Berliner Kammergericht, unauffällig aus dem
Schengenraum gebracht werden konnte.
Ob das slowakische Innenministerium in die Entführung eingeweiht war, ließ
das Kammergericht offen. Generalbundesanwalt Fabian Ziegler hatte das in
seinem Plädoyer verneint, Nebenklagevertreterin Petra Schlagenhauf das
Gegenteil belegt.
## Untätige Staatsanwaltschaft in Bratislava
Parlamentarier Krupa sagt weiter, dass Kalinak bei der Beantragung der
Überflugrechte des Regierungsfliegers gegenüber Polen falsche Angaben
gemacht habe. Nachdem Polen zuerst für ausschließlich vietnamesische
Fluginsassen die Überflugrechte abgelehnt hatte, habe Kalinak
wahrheitswidrig angegeben, er selbst sitze an Bord. Erst da [2][genehmigte
Polen den Flug].
Die Debatte fällt in den [3][Wahlkampf] in der Slowakei, dort wird noch in
diesem Jahr gewählt.
Krupa und mehrere slowakische Medien kritisierten den slowakischen
Generalstaatsanwalt Maroš Žilinka wegen Untätigkeit. Auch Žilinka hatte
lange bezweifelt, dass das Entführungsopfer überhaupt slowakischen Boden
betreten hatte. 2019 und 2021 hatte sich die Behörde auf Druck halbherzig
entschieden, Rechtshilfeersuchen an Vietnam zu stellen. Als die nicht
beantwortet wurden, stellte die Slowakei die Ermittlungen wieder ein.
Ende 2022 kam Bewegung in die Sache. Der parteilose Andrej Kiska, zum
Entführungszeitpunkt Präsident der Slowakei, der sich öfter mit der
Regierung angelegt hatte, hatte einen Interviewband veröffentlicht, in dem
es auch um die Entführung ging. Darin behauptete er, wenige Tage nach der
Entführung von seinem Personenschützer, der dem Innenministerium
unterstand, von der Entführung und einer Beteiligung Kalinaks gehört zu
haben.
Seitdem ermittelt die Nationale Kriminalitätsagentur Naka, eine
Eliteeinheit der Polizei, wegen Bestechung im Zusammenhang mit der
Entführung. Es geht wohl, was nicht offiziell bestätigt ist, um den
Vorwurf, dass Vietnam hohe Summen an slowakische Politiker oder
Regierungsmitarbeiter gezahlt haben soll, um Trinh Xuan Thanh auszufliegen.
Nach der taz vorliegenden Informationen werden diese Ermittlungen
allerdings durch die Staatsanwaltschaft ausgebremst, die bis heute kein
Rechtshilfeersuchen an die Bundesrepublik gestellt hat. Am Dienstag
verschickte die Staatsanwaltschaft Bratislava eine Stellungnahme an die
Medien, in der sie dem Vorwurf der Untätigkeit entgegentritt. Sie habe
bereits aus Berlin Dokumente beantragt und an mehrere Staaten – darunter
Deutschland – seien Rechtshilfeersuchen in Vorbereitung, steht darin.
1 Feb 2023
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## AUTOREN
DIR Marina Mai
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