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       # taz.de -- In Mexiko verschwundene Studenten: Keine Hoffnung auf Überlebende
       
       > Mexikos Wahrheitskommission hat den Bericht über 43 verschleppte
       > Studenten veröffentlicht. Er belegt schlimme Ahnungen und erhebt
       > Vorwürfe.
       
   IMG Bild: Schulstühle mit Fotos einiger der 43 vermissten Studenten in Ayotzinapa im Jahr 2014
       
       Oaxaca taz | Das Militär trägt eine Mitverantwortung im Fall der 43
       Studenten des Lehrerseminars Ayotzinapa, die 2014 in Mexiko verschleppt
       wurden. Zu diesem Schluss kommt eine Wahrheitskommission, die am Donnerstag
       ihren ersten Bericht in Mexiko-Stadt vorgestellt hat.
       
       „Ihre Taten, ihre Unterlassungen und ihre Beteiligung ermöglichten das
       Verschwindenlassen und die Hinrichtung der Studenten sowie den Mord an
       sechs weiteren Personen,“ erklärte der Leiter des Gremiums Alejandro
       Encinas. Die Kommission geht zudem davon aus, dass keiner der jungen Männer
       noch lebt. „Alle Zeugenberichte und Beweise weisen darauf hin, dass sie
       heimtückisch verschwinden gelassen und umgebracht wurden“, erklärte der
       Staatssekretär für Menschenrechte. Das habe er den Angehörigen in einem
       „schwierigen, schmerzhaften Treffen“ mitgeteilt.
       
       Dem Bericht zufolge hatte das Militär einen Informanten in die
       linksradikale Lehrerschule eingeschleust. Der Spitzel wurde ebenfalls in
       jener Nacht vom 26. auf den 27. September zum Opfer des Angriffs, bei dem
       Polizisten und Mitglieder der kriminellen Organisation „Guerreros Unidos“
       die Männer in der südmexikanischen Stadt Iguala verschleppt haben. Die
       Studenten hatten zuvor mehrere Busse gekapert, um damit zu einer
       Demonstration nach Mexiko-Stadt zu fahren.
       
       Die Armeeführung der Region sei dazu verpflichtet gewesen, ihren Soldaten
       zu schützen und nach ihm zu suchen, sagte Encinas. Durch den Informanten
       seien auch alle bundesstaatlichen und föderalen Kräfte immer über die
       Bewegungen der Studenten informiert gewesen, hätten jedoch nichts getan, um
       deren Verschleppung zu verhindern. Zu derselben Schlussfolgerung kam
       bereits eine [1][internationale Expertengruppe (GIEI)], die sich mit dem
       Fall beschäftigte.
       
       ## „Historische Wahrheit“ diente Vertuschung
       
       Die Wahrheitskommission wurde nach dem Amtsantritt des Präsidenten Andrés
       Manuel López Obrador ins Leben gerufen. Der Staatschef hatte die
       [2][Aufklärung des Falles zur Chefsache erklärt], nachdem die
       Strafverfolger der Vorgängerregierung alles dafür getan hatten, zu
       verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Der Bericht gibt auch der
       „historischen Wahrheit“ eine deutliche Absage, mit der die damalige
       Generalstaatsanwaltschaft das Verbrechen ad acta legen wollte.
       
       Dieser Version vom Tatverlauf zufolge sollen die Kriminellen die Studenten
       auf einer nahegelegenen Müllhalde verbrannt haben. Dies sei die
       [3][„historische Wahrheit“], hatte der damalige Generalstaatsanwalt Jesús
       Murillo Karam erklärt und wollte die Ermittlungen wenige Monate nach jener
       Herbstnacht einstellen.
       
       Recherchen der GIEI und der Wahrheitskommission bestätigten jedoch, dass
       diese Version vom Tatverlauf bewusst konstruiert wurde, um weitere
       Ermittlungen zu verhindern. So zeigten Videos, wie Beamte Behälter über den
       Müllplatz schleppten und ein Feuer entzündeten. „Föderale und
       bundesstaatliche Behörden auf höchster Ebene waren nachlässig und
       gleichgültig“, so Encinas, „es existieren Faktoren, die zu der Annahme
       führen, dass Tatsachen und Umstände bewusst beeinträchtigt wurden, um eine
       Schlussfolgerung zu ziehen, die fernab des realen Geschehens lag“.
       
       Die „historische Wahrheit“ sei eine konzertierte Aktion des Machtapparats
       auf höchster Regierungsebene gewesen, die verdecken sollte, dass es bei der
       Tat eine Verbindung zwischen Behörden, Sicherheitskräften und Kriminellen
       gegeben habe, resümierte Encinas. Der Staatssekretär sprach deshalb von
       einem „Staatsverbrechen“.
       
       Bis heute ist unklar, warum die Studenten angegriffen wurden. Recherchen
       der GIEI zufolge spricht jedoch einiges dafür, dass sich in einem der von
       den Männern gekaperten Busse Heroin befunden hat, das in die USA
       geschmuggelt werden sollte. Das würde erklären, warum Sicherheitskräfte auf
       verschiedensten Ebenen in das Verbrechen involviert waren und so massiv
       reagiert haben. Häufig arbeiten kriminelle Kartelle, Militärs und
       Polizeieinheiten in Mexiko eng zusammen.
       
       Für die Angehörigen ist die Aussage, dass ihre Liebsten definitiv tot sind,
       eine sehr schlimme Nachricht. Bislang hatten sie trotz aller
       Unwahrscheinlichkeit immer gehofft und gefordert, sie lebend
       zurückzubekommen. Angesichts der Komplexität und der Härte des Ergebnisses
       werde man den Bericht analysieren und sich dann zu Wort melden, schrieben
       sie in einer Stellungnahme. Sie hatten von Anfang an kein Vertrauen in die
       damaligen Strafverfolger.
       
       19 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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