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       # taz.de -- In Westafrikas Sahelzone: Gewalt verbreitet sich wie Buschfeuer
       
       > Ausnahmezustand in Burkina Faso und Niger, Erfolge für Boko Haram in
       > Nigeria, neue ethnische Konflikte in Mali: Es brennt allerorten.
       
   IMG Bild: Fulani (in Mali Peul genannt) protestieren in Bamako gegen Angriffe, Juli 2018
       
       Cotonou taz | Burkina Faso kann nicht mehr für die Sicherheit seiner knapp
       20 Millionen Einwohner sorgen. Diese indirekte Bankrotterklärung hat
       Präsident Roch Marc Christian Kaboré in seiner Neujahrsansprache abgegeben
       und in mehreren Gebieten den Ausnahmezustand verhängt.
       
       Betroffen ist nicht mehr nur der Norden, wo es seit 2016 vermehrt zu
       Überfällen von Banditen – meist aus Mali – kommt. Der Notstand gilt nun
       auch im Osten, wo Burkina Faso an Togo, Benin und Niger grenzt.
       
       Voraus gingen der Entscheidung zahlreiche Angriffe. Vergangene Woche
       starben zehn Gendarmen in Toéni nahe der Grenze zu Mali. Eine Woche davor
       waren in der Region Ost drei Soldaten ums Leben gekommen, Anfang Dezember
       im Nordwesten zwei Polizisten.
       
       Seit 2015 sollen [1][in Burkina Faso] über 230 Menschen durch
       Terrorangriffe getötet worden sein. Das Land, das bis zum Sturz von
       Langzeitherrscher Blaise Compaoré im Herbst 2014 als Ruhepol der Region
       galt – manchen Beobachtern zufolge auch für Terroristen –, wird immer mehr
       zu deren Hochburg.
       
       ## Zehntausende fliehen in die Städte
       
       Längst ist von der Unsicherheit [2][die ganze westafrikanische Sahelzone]
       betroffen. Im an Burkina Faso angrenzenden Südwesten des Niger gilt bereits
       seit Anfang Dezember der Ausnahmezustand. Knapp zwei Wochen nach diesem
       Schritt gab das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR)
       bekannt, aus den Grenzgebieten seien im Jahr 2018 rund 52.000 Menschen vor
       Terror in die Städte geflüchtet.
       
       In der Region [3][Diffa] im Südosten Nigers, wo die nigerianische
       Terrorgruppe Boko Haram schon vor Jahren Rückzugsorte geschaffen hat, wird
       der Ausnahmezustand seit Februar 2015 regelmäßig verlängert.
       
       [4][Boko Haram] befindet sich in Nigeria wieder im Aufschwung. Zum
       Jahresende soll es den islamistischen Kämpfern gelungen sein, die
       Marktstadt [5][Baga] am Tschadsee einzunehmen.
       
       Fast zeitgleich berichtete die Internetzeitung Sahara Reporters, dass 700
       Soldaten der nigerianischen Armee vermisst und 2.000 von Boko Haram
       gefangen gehalten würden. Armeesprecher Sani Usman hat das vehement
       bestritten, aber die Entwicklungen verstärken den Eindruck, Nigerias
       Regierung entgleite kurz vor den Wahlen im Februar die Kontrolle.
       
       ## Angst vor Straßenräubern und Terroristen
       
       Denn im muslimischen Norden dehnt sich Gewalt aus. Betroffen ist vor allem
       der Bundesstaat Zamfara mit mehr als 80 Toten im Dezember.
       
       Auch auf der nigrischen Seite ist das spürbar. In Niamey bestätigt ein
       Bewohner, der vergangene Woche die Grenzstadt Birni N’Konni besuchte, die
       Menschen dort lebten in ständiger Angst vor Straßenräubern und Terroristen.
       
       Für die grenzüberschreitende Gewalt ist vor allem die in Mali entstandene
       „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM)
       verantwortlich. Die al-Qaida-nahe Organisation gilt als Zusammenschluss der
       islamistischen Gruppen Ansar Dine, Macina-Befreiungsfront und
       Al-Mourabitoun, ihr Anführer [6][Iyad Ag Ghali], ein historischer
       Tuareg-Rebellenführer, steht auf Platz 25 der aktuellen Liste der
       einflussreichsten Afrikaner des französischen Magazins Jeune Afrique.
       
       Nach Einschätzung des US-Thinktanks Center for Strategic and International
       Studies (CSIS) steckt JNIM auch hinter den neuen Anschlägen in Burkina
       Faso. Ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten spiegeln die
       grenzüberschreitenden Versuche von Mali, Niger, Burkina Faso sowie Tschad
       und Mauretanien, im Rahmen der gemeinsamen Truppe [7][„G5-Sahel“] mit
       französischer Hilfe koordiniert gegen Islamisten vorzugehen.
       
       ## Fulani kollektiv unter Verdacht
       
       Dass die Staaten eher hilflos sind, liegt auch daran, dass Islamisten nicht
       die einzigen Gewaltakteure sind. Es kommt Gewalt zwischen Milizen
       verfeindeter Ethnien und Kommunen dazu.
       
       Am Neujahrstag gab Malis Regierung bekannt, dass Dogon-Milizen in einem
       Dorf der Region Mopti 37 Angehörige der Fulani-Volksgruppe – in Mali Peul
       genannt und auch in den anderen Ländern präsent – umgebracht haben sollen.
       Am Mittwoch bestätigte Burkina Fasos Regierung die Tötung von sieben
       Fulani-Zivilisten bei einem Racheangriff, nachdem Angreifer auf Motorrädern
       am Neujahrstag das Dorf Yirgou überfallen und sechs Menschen getötet
       hatten.
       
       Da radikale Fulani zu den Islamisten gestoßen sind, gelten Fulani in den
       Augen anderer Gruppen als Komplizen von Terroristen. Nach Schätzungen
       forderte der [8][Fulani-Konflikt in Mali] im vergangenen Jahr über 500
       Tote, [9][in Nigeria] mehrere Tausend.
       
       Gemeinsam haben die Konflikte, dass sie sich fernab der Hauptstädte in
       Gegenden mit wenig Polizei- und Militärpräsenz abspielen. Grenzen werden
       ungehindert überquert. Aufmerksamkeit erhält die Gewalt erst, wenn sie sich
       flächendeckend ausgebreitet hat.
       
       3 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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