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       # taz.de -- Innenministerium zu Jungnazi-Gruppen: Abzielen auf eine sehr verletzliche Zielgruppe
       
       > Nicht nur die „Letzte Verteidigungswelle“: Das Bundesinnenministerium
       > beteuert, die jungen Neonazi-Gruppen im Blick zu haben – und warnt vor
       > Gefahren.
       
   IMG Bild: Sein Ministerium beteuert, die Jungnazis „intensiv“ im Blick zu haben: Innenminister Alexander Dobrindt
       
       Berlin taz | Erst tauchten die jugendlichen Neonazi-Gruppen auf
       Social-Media-Plattformen wie Tiktok oder Instagram auf, dann auf der Straße
       – und zuletzt mit Gewalttaten. Nun schreitet die Bundesanwaltschaft gegen
       eine der Gruppen ein, [1][die „Letzte Verteidigungswelle“], wirft ihr
       Terror vor und lässt mehrere ihrer Mitglieder festnehmen. Weiter auf freiem
       Fuß und aktiv sind aber Gruppen wie „Deutsche Jugend Voran“, „Jung und
       Stark“, „Der Störtrupp“ oder „Deutsche Jugend Zuerst“, in denen oft auch
       Teenager aktiv sind – und vor denen das Bundesinnenministerium von
       [2][Alexander Dobrindt (CSU)] warnt.
       
       Die Bundesregierung beobachte die Entwicklung der rechtsextremen
       Jugendgruppen „intensiv“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der
       Linksfraktion im Bundestag, die bereits vor den aktuellen Razzien gestellt
       wurde und der taz exklusiv vorliegt. Seit dem Sommer 2024 hätten sich die
       Gruppen gebildet – und nun etabliert. „Innerhalb kurzer Zeit sind sehr
       dynamische, mobilisierungsfähige Gruppierungen entstanden“, bemerkt das
       Ministerium. Sie zeichne eine „Aktionsorientierung“ aus, allen voran bei
       Störungen von CSD-Paraden.
       
       Inzwischen hätten die Gruppen „ihre inneren Strukturen ausbauen, festigen
       und sich als Anlaufpunkt für eine neue aktionsorientierte und ideologisch
       weniger gefestigte Zielgruppe in der rechtsextremistischen Szene
       etablieren“ können, warnt das Ministerium. Es gebe Führungsfiguren, welche
       die Gruppen anleiteten und teils auch gruppenübergreifend miteinander
       interagierten.
       
       ## Jugendliche als besonders vulnerable Zielgruppe
       
       Die Gefahr, die Dobrindts Ministerium sieht: Gerade die adressierten
       Jugendlichen seien oft „in ihrer Wertevorstellung noch nicht gefestigt“ und
       damit besonders vulnerabel und „eher anfällig dafür, propagandistische und
       extremistische Ideologien aufzunehmen und sich mit diesen zu
       identifizieren“. Durch die Neonazi-Gruppen drohe die Gefahr, dass
       „rechtsextremistisches Gedankengut bei jungen Heranwachsenden gesät und
       gefestigt wird“. Die Gruppen hätten mit den sozialen Medien ein „einfach zu
       handhabendes Mittel“ mit einer „hohen Reichweite“, um Mitglieder zu
       rekrutieren. Auf der anderen Seite entstehe eine „abstrakte Gefährdung für
       Personen, die den rechtsextremistischen Feindbildern der Gruppen
       entsprechen“, so das Ministerium. Dazu gehörten insbesondere Angehörige der
       LGBTQ-Community, der linken Szene sowie Migranten.
       
       Auch zur „Letzten Verteidigungswelle“, deren führende Mitglieder nun unter
       Terrorverdacht von der Bundesanwaltschaft festgenommen wurden, äußert sich
       das Ministerium. Diese umfasse eine Mitgliederzahl im „mittleren
       zweistelligen Bereich“. Die Gruppe sei dem „aktionsorientierten und
       gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen“. Ideologisch
       bediene sie sich nur rechtsextremer „Fragmente“, fokussiere sich vor allem
       auf Feindbilder wie die Antifa und die LGBTQ-Community – die als
       Projektionsfläche auch für gewaltbezogene Aktionen dienten. Die Gruppe
       falle regelmäßig mit rechtsextremen Handzeichen wie dem „White
       Power“-Zeichen oder der Doppel-Acht auf, ein Code für den Hitlergruß – H
       ist der achte Buchstabe im Alphabet. Fünf Mal sei die Gruppe allein seit
       Mitte September 2024 auch Thema im Gemeinsamen Extremismus- und
       Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) gewesen, in dem alle Sicherheitsbehörden
       versammelt sind.
       
       Auch zu den anderen Gruppen macht das Ministerium Angaben. So werden „Jung
       & stark“ aktuell Mitglieder in mittlerer dreistelliger Zahl zugerechnet –
       die derzeit größte Gruppe. Bei der „Deutschen Jugend Voran“ ist es eine
       Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich. Der „Deutschen Jugend Zuerst“ wird
       eine Personenzahl im unteren zweistelligen Bereich attestiert. Diese
       Gruppen, sowie die „Elblandrevolte“, seien seit Mitte September elf Mal
       Thema im GETZ gewesen.
       
       Und die Gruppen suchten den „Schulterschluss mit etablierten Akteuren der
       rechtsextremistischen Szene“, etwa der „Heimat“, einst NPD, oder dem III.
       Weg, konstatiert das Ministerium. Auch bei deren Jugendorganisationen, den
       Jungen Nationalen oder der Nationalrevolutionären Jugend, sei der Zulauf
       „im Vergleich zu früheren Jahren signifikant“. So sei die III. Weg-Jugend
       inzwischen in 13 Bundesländern aktiv und habe etwa auf Tiktok eine
       „beachtliche Anzahl von Interessenten“.
       
       ## Aktiv auch im Kampfsport
       
       Aktiv seien diese Gruppen auch im Kampfsport oder mit Wanderungen, so das
       Ministerium. In Nordrhein-Westfalen gebe es auch eine direkte Verbindung
       von „Der Störtrupp“ und „Jung & Stark“ zum „Active Club Ostwestfalen“,
       einer rechtsextremen Kampfsportgruppe. Feste Verbindungen der
       Jungnazi-Gruppen in die Ultra- und Hooliganfußballszene sieht das
       Ministerium dagegen bisher nicht. Zwar seien bei einigen Mitgliedern auch
       Fußballtattoos sichtbar, eine feste Zuordnung zu Fußballgruppen sei aber
       nicht zweifelsfrei belegbar. Auch eine Kooperation mit der AfD könne bisher
       nicht festgestellt werden.
       
       Heikel auch: Einige Mitglieder der jungen Neonazi-Gruppen sollen laut
       Ministerium auch Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen haben, die es etwa
       für Jobs in der Verwaltung oder dem Sicherheitsgewerbe braucht. Wie viele
       genau das waren und welche Branchen das betraf, lässt die Antwort offen,
       auch die Ergebnisse der damaligen Sicherheitsprüfungen.
       
       Der Linken-Abgeordnete Ferat Kocak, der die Anfrage stellte, betonte, die
       jugendlichen Neonazi-Gruppen seien „nur die Spitze des Eisbergs des
       gesellschaftlichen Rechtsrucks“. Die jugendlichen Neonazi-Gruppen zeigten
       „einmal mehr, wie groß die Gefahr von rechts ist und wie sehr unsere queere
       und migrantischen Nachbarschaften geschützt werden müssen“. Kocak
       kritisierte auch die neue Bundesregierung: „Auf dem Nährboden der
       schwarz-roten Politik der Spaltung und sozialen Kürzungen gedeihen Hass und
       Hetze.“ Man werde als Linkspartei und mit der Zivilgesellschaft Druck auf
       die Regierung und Sicherheitsbehörden machen, endlich konsequent gegen
       rechte Strukturen und Führungsfiguren vorzugehen. Der beste Schutz komme
       aber nicht von staatlichen Behörden, sondern durch „zivilgesellschaftlichen
       Widerstand“.
       
       Zuletzt hatten die [3][Verfassungsschutzämter der Länder die rechtsextremen
       Jugendgruppen enger unter Beobachtung genommen]. Die Rechtsextremen aber
       machen weiter: Erst am Wochenende waren „Jung & Stark“ und „Der Störtrupp“
       in [4][Herford in Nordrhein-Westfalen auf die Straße gegangen].
       
       21 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundesanwaltschaft-laesst-Mitglieder-der-Letzte-Verteidigungswelle-festnehmen/!6089374
   DIR [2] /Dobrindt-als-Bundesinnenminister/!6085237
   DIR [3] /Nach-Aufmaerschen-und-Gewalt/!6087797
   DIR [4] /Rechtsextreme-in-Ostwestfalen/!6089373
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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