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       # taz.de -- Internist über Impfen mit AstraZeneca: „Niemand muss sich impfen lassen“
       
       > Soll AstraZeneca als Impfstoff für über 60-Jährige zur Pflicht werden?
       > Nein, sagt der Berliner Hausarzt Bert Sielaff. Impfen bleibe freiwillig.
       
   IMG Bild: In einer Hausarztpraxis: Impfen bleibt freiwillig
       
       taz: Herr Sielaff, als [1][Hausarzt dürfen Sie seit einer Woche] gegen
       Covid impfen. Wie läuft es? 
       
       Bert Sielaff: Sehr gut. Mein Praxisteam und ich haben zwei zusätzliche
       Impfsprechstunden für unsere Patient:innen eingerichtet, an diesen
       Tagen bleibt die Praxis für die angemeldeten Impfberechtigten länger
       geöffnet.
       
       Jetzt hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin gefordert, dass
       [2][Impfberechtigte über 60 Jahre] den Impfstoff nicht frei wählen können,
       sondern in jedem Fall AstraZeneca bekommen sollen. Was steckt dahinter? 
       
       Das läuft der bisherigen Impfstrategie zunächst zuwider. Aber ein Zwang,
       jetzt AstraZeneca nehmen zu müssen, ist das keineswegs. Denn niemand muss
       sich mit AstraZeneca impfen lassen, der es nicht möchte. Das ist in den
       Impfzentren anders.
       
       Dort ist der Impfstoff vorgegeben?
       
       [3][Die Berliner Impfzentren] verimpfen immer einen einzigen Impfstoff,
       entweder Biontech, AstraZeneca oder Moderna. Mit der Anmeldung in einem der
       Zentren ist der Impfstoff dann vorgegeben.
       
       Ist das nun gut oder schlecht? 
       
       Bezogen auf AstraZeneca heißt das: Impfungen mit diesem Vakzin sind trotz
       aller Bedenken richtig und gut. Der Nutzen überwiegt natürlich eindeutig
       das Risiko. Und Patient:innen, die den Stoff nicht bekommen sollten, werden
       ihn von mir auch nicht bekommen. Ich halte mich streng an die Verordnung
       der Stiko, der Ständigen Impfkommission.
       
       Und wenn jemand partout nicht mit AstraZeneca geimpft werden möchte, der
       das könnte? 
       
       Dann kann er auch mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden. Es könnte aber
       sein, dass wir den Termin nach hinten verlegen müssen. Eine Impfung – womit
       und wogegen auch immer – bleibt natürlich immer freiwillig. Der Vorteil des
       Impfens in einer Hausarztpraxis ist aber, dass Ärzt:innen ihre
       Patient:innen genau kennen. Ich kann ihnen sehr ausführlich und
       persönlich alles erklären. Im Impfzentrum kann das kaum jemand leisten.
       
       Wie reagieren Ihre Patient:innen? 
       
       Die meisten, mit denen ich ausführlich gesprochen habe und für die
       AstraZeneca vorgesehen ist, lassen sich damit impfen. Die aktuelle
       KV-Empfehlung kommt sicher auch aus dem Grund, weil aktuell weniger
       Impfstoff von Biontech verfügbar ist. Meine Praxis wird in der kommenden
       Woche mehr AstraZeneca erhalten. Bestellt und zugesagt hatte ich den
       Patent:innen jedoch Biontech – so wie das offiziell angekündigt war.
       Jetzt müssen wir alle Patient:innen anrufen, ihnen den Impfstofftausch
       erklären und gegebenenfalls neue Termine vereinbaren.
       
       Schürt die KV-Ansage einen Konkurrenzkampf zwischen Impfzentren und
       Hausarztpraxen? 
       
       Der rasche Aufbau der Impfzentren war richtig, um die Älteren rasch zu
       immunisieren. Aber wenn mehr Impfstoff vorhanden ist, geht das Durchimpfen
       der Bevölkerung schneller, wenn Hausärzt:innen mitmachen. Zu guter Letzt
       ist es auch eine Kostenfrage: Impfungen in den Praxen sind wesentlich
       billiger als in den Zentren.
       
       Was kostet das? 
       
       Für eine Impfung in der Praxis bekommen Ärzt:innen jeweils 20 Euro. Die
       Impfung im Impfzentrum ist in etwa zehn Mal so teuer.
       
       Warum hat der Impfstoff AstraZeneca eigentlich einen solch schlechten Ruf? 
       
       Die gehäuft auftretenden Sinusvenenthrombosen sind eine potentiell
       lebensbedrohliche Komplikation, keine Frage. Da dies eher junge Menschen
       betrifft, empfiehlt die STIKO den Impfstoff neuerdings erst ab dem 60
       Lebensjahr. Dieses Risiko ist jetzt bekannt und benannt. Die EMA, die
       Europäische Arzneimittelagentur, hat den Impfstoff nicht vom Markt
       genommen, weil er natürlich ein wichtiger Baustein auf dem Weg aus der
       Pandemie ist. Insofern würde ich Risikowahrnehmungen vieler Menschen als
       schwierig bezeichnen. Ich selbst würde mich derzeit auch mit AstraZeneca
       impfen lassen.
       
       Mittlerweile sollen sich vor allem Akademiker:innen mit AstraZeneca
       impfen lassen. 
       
       Das habe ich auch schon gehört. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich
       intensiver damit beschäftigten, vielleicht Studien lesen und sich nicht so
       leicht von der allgemeinen Stimmungsmache beeinflussen lassen.
       
       Der CDU-Chef Armin Laschet schlägt jetzt vor, die [4][Impfreihenfolge
       aufzuheben]. Richtig? 
       
       Für Berlin wäre das ab Mai sicherlich realistisch, wenn tatsächlich sehr
       viel Impfstoff von Biontech vorhanden ist. Die Lage in anderen
       Bundesländern kann ich allerdings nicht einschätzen.
       
       11 Apr 2021
       
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