# taz.de -- Justiz in der Türkei: Freispruch für Steudtner
> Ein Gericht spricht den deutschen Amnesty-Mitarbeiter sowie sechs weitere
> Angeklagte frei. Vier Aktivist*innen werden zu Haftstrafen verurteilt.
IMG Bild: Peter Steudtner bei der Verleihung des Friedenspreises 2017 in der Berliner Gethsemanekirche
Istanbul taz | Im Prozess gegen elf Menschenrechtsaktivist*innen in der
Türkei, darunter den Deutschen [1][Peter Steudtner] und den Schweden Ali
Gharavi, sind am Freitagnachmittag sieben Angeklagte freigesprochen und
vier verurteilt worden.
Mit sechs Jahren Haft wurde der Ehrenvorsitzende von Amnesty Türkei, Taner
Kilic, am härtesten verurteilt. Ihm wirft das Istanbuler Gericht
Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor. Drei weitere
Menschenrechtsaktivist*innen, Idil Eser, Özlem Dalkiran und Günal Kursun
verurteilte das Gericht wegen Terrorpropaganda zu einem Jahr und 13 Monaten
Gefängnis.
Zehn Menschenrechtsaktivist*nnen waren im Juli 2017 im Anschluss an [2][ein
Seminar] auf einer der Prinzeninseln bei Istanbul festgenommen worden.
Steudtner und Gharavi waren zu dem Seminar als internationale Trainer
eingeladen gewesen.
Ein Dolmetscher bei der Veranstaltung hatte die Teilnehmer*nnen
anschließend bei der Polizei als Terroristen denunziert. Taner Kilic saß
damals bereits in Izmir in U-Haft, weil er angeblich Mitglied der
Gülen-Organisation sei, die für den Putschversuch 2016 verantwortlich
gemacht wird.
## Ernste Maßnahmen angedroht
Die Festnahme und Inhaftierung von Peter Steudtner hatten im Juli 2017 im
deutsch-türkischen Verhältnis das Fass zum überlaufen gebracht. Im Februar
2017 war bereits der Welt-Korrespondent Deniz Yücel in U-Haft gesteckt
worden, andere deutsche Korrespondenten wurden bedroht und verließen die
Türkei.
Der damalige Außenminister Sigmar Gabriel drohte dem türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdogan erstmals mit ernsthaften Maßnahmen, wie einer
Beschränkung von Bundesbürgschaften für Türkei-Geschäfte, einer
Reisewarnung für deutsche Touristen und der Verweigerung von Gesprächen
über die Ausweitung der Zollunion.
Hinter den Kulissen wurde der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder
eingeschaltet, der bis heute einen guten Draht zu Erdogan hat. Alles
zusammen zeigte seine Wirkung.
Der Beginn des Prozesses wurde – anders bei als bei Deniz Yücel –
beschleunigt und fand bereits im Oktober statt. Alle zehn angeklagten
Menschenrechtsaktivisten wurden aus der U-Haft entlassen und die beiden
Ausländer Steudtner und Gharavi durften das Land verlassen.
## Entspannungssignale an Ankara
Obwohl Deniz Yücel nach wie vor in Haft saß, sandte Gabriel daraufhin
wieder Entspannungssignale nach Ankara und lud seinen Kollegen Mevlüt
Cavusoglu zu einem Besuch nach Goslar ein.
Im Februar 2018, nach mehr als einem Jahr Untersuchungshaft, waren die
Verhandlungen hinter den Kulissen dann auch für Deniz Yücel erfolgreich.
Sein Prozess wurde vorgezogen, er kam zum Prozessauftakt frei und musste
das Land noch am selben Tag verlassen. Das Urteil gegen Yücel soll am 16.
Juli fallen.
3 Jul 2020
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## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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