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       # taz.de -- Kalt duschen und Pommes essen: Kartoffel am Bande
       
       > Mit der Kartoffeldiskriminierung sollte ein für allemal Schluss sein.
       > Kartoffel ist kein Schmähwort – eher schon ein Ehrentitel.
       
   IMG Bild: Ein Herz für die Kartoffel
       
       Die Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, findet mich
       schreckhaft. So zum Beispiel, als sie mir diese Woche einen Kaffee an den
       Homeoffice-Schreibtisch gebracht hat. Mit aufgeschäumter Milch! Wow, ist
       schon wieder Muttertag oder habe ich Geburtstag? Es stellte sich alsbald
       heraus, dass es um eine Schallplattensammlung auf Ebay Kleinanzeigen ging.
       Sooo cool und nur 110 Euro inklusive Versand.
       
       Und, nun ja, wenn kein Plattenspieler da ist, dann muss wohl einer
       angeschafft werden. Demnächst kommen womöglich noch die Schulterpolster
       zurück. Jedenfalls sind in diesen Zeiten ja so viele erschrocken. Die Union
       beispielsweise, weil mit [1][Ferda Ataman] diese Woche eine Frau zur
       Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt wurde, die die
       Biodeutschen Kartoffeln genannt hat. Kartoffeln! Ich würde sagen, dieser
       Vergleich ist maßlos übertrieben.
       
       Die aus Südamerika stammende Kartoffel in all ihrer Lebensfreude und
       schillernden Vielfalt – Kartoffelpuffer! Gnocchi! Püree! – hat mit
       Friedrich Merz und seinesgleichen oder auch den weiter südlich lebenden
       indigenen Weißwürsten nun wirklich wenig gemein. Ataman muss endlich
       Schluss machen mit der seriellen Kartoffeldiskriminierung.
       
       Umgekehrt könnte man natürlich auch einige verdiente Menschen unseres
       Landes zu Erdäpfeln ehrenhalber ernennen, mit einer Kartoffel am Bande zum
       Beispiel. Ich möchte diese Kolumne zum Anlass nehmen, um Wirtschafts- und
       [2][Klimaminister Robert Habeck] zu nominieren, dem kürzesten Kurzduscher
       aller Zeiten. Über alle, die ganze fünf Minuten brauchen, kann er nur
       lachen. Und womöglich ist das Wasser nicht mal richtig heiß. Dazu muss man
       wahrscheinlich im hohen Norden geboren sein.
       
       Ein weiterer Kandidat für den Kartoffel-Verdienstorden wäre außerdem mein
       Vermieter H., eine handwerkliche Allzweckwaffe erster Güte. In weiser
       Voraussicht und weil er überhaupt sehr gern spart, hat er schon vor drei
       Jahren eine Solaranlage aufs Dach gesetzt. Die Minderjährige und ich sind
       also weiterhin bekennende Warm- und Langduscherinnen. Take that, Putin!
       
       ## Deutschland nur auf Platz 12
       
       Im Notfall oder bei winterlicher Sonnenabstinenz käme natürlich auch die
       Eimerdusche in Betracht, die zu nutzen man in Gefilden lernt, wo Strom und
       Wasser öfter mal ausfallen. Man nehme einen Eimer und einen Becher. Man
       erhitze einen Topf Wasser und füllt den Rest mit kaltem Wasser auf. Dann
       schüttet man sich becherweise das Wasser über den Kopf. Reicht mengenmäßig
       völlig, auch mit Haarewaschen. So lässt sich sogar Habeck toppen.
       
       Natürlich können auch Personen außerhalb Deutschlands würdige Kartoffeln
       sein. Großbritanniens Premierminister [3][Boris Johnson] etwa ist so
       schillernd und auf so vielfältige Arten in Skandale verwickelt, dass man
       ihm den Beinamen Kartoffel wirklich nicht verwehren kann. Da wäre es nur
       angemessen, ihm zum Abschied aus der Downing Street eine Kiste
       Kartoffelschnaps zukommen zu lassen. Herr Scholz, bitte übernehmen Sie!
       
       Der russische Präsident Wladimir Putin dagegen ist eine Antikartoffel.
       Während sich weite Teile der Erde freudig von der wunderbaren Knolle
       erobern ließen, würde man den Kremlchef nicht einmal dann im Land haben
       wollen, wenn er aus Kartoffeln Gold machen könnte. [4][Übrigens liegt der
       Kartoffelverbrauch in Deutschland unter dem EU-Durchschnitt.]
       
       Pro Kopf werden in Lettland die meisten Kartoffeln verzehrt, gefolgt von
       Polen, Rumänien und Großbritannien. Die traurige Wahrheit ist: Die
       Deutschen liegen erst an zwölfter Stelle. Das könnte an jungen Leuten wie
       der Minderjährigen liegen, die auf Pasta und Pizza vorprogrammiert auf die
       Welt gekommen sind und Kartoffeln lediglich dann akzeptabel finden, wenn
       sie in Gestalt von Pommes oder Chips daherkommen.
       
       Pommes sind dabei allerdings nicht gleich Pommes. Lang und dünn sollen sie
       bitte schön sein. Alles andere ist old school. Die eignen sich dann auch
       bestens, um zu einem nicht unerheblichen Teil in den Sofaritzen
       abzutauchen.
       
       9 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nominierte-Regierungsbeauftragte-Ataman/!5862560
   DIR [2] /Energie-sparen-in-Kriegszeiten/!5861271
   DIR [3] /Boris-Johnson-im-Portraet/!5862739
   DIR [4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37703/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-kartoffeln-in-den-laendern-der-eu/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Silke Mertins
       
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       Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche
       beantworten wir eine davon. Diese Frage kommt von Antonia, 8 Jahre.