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       # taz.de -- Kampf gegen das Corona-Virus: Italien schließt fast alle Fabriken
       
       > Die Regierung ordnet an, dass alle nicht lebensnotwendigen Firmen die
       > Arbeit einstellen müssen. Inzwischen sind in Italien 4.800 Infizierte
       > gestorben.
       
   IMG Bild: Szene in Mailand: Wenn die Menschen zuhause bleiben müssen, haben die Tauben Platz
       
       Rom taz | Italiens Regierung verschärft die Gangart im Kampf gegen [1][das
       Coronavirus] weiter und legt jetzt auch die meisten Fabriken des Landes
       still. Am späten Samstagabend verkündete Ministerpräsident Giuseppe Conte
       in einer Ansprache ans Volk: „Wir haben beschlossen, [2][jedwede produktive
       Aktivität zu schließen], die nicht unverzichtbar ist, um lebensnotwendige
       Güter und Dienstleistungen zu garantieren“.
       
       „Keine Alternative“ gebe es zu den „strengen Maßnahmen“, führte Conte aus,
       „der Verzicht von heute wird uns morgen das Durchstarten erlauben“. Wann
       dieses Morgen kommt, steht allerdings in den Sternen. Die neue Verordnung
       soll erst einmal bis zum 3. April gelten, doch alle gehen davon aus, dass
       es dabei nicht bleibt.
       
       Nach der am 11. März erfolgten Schließung aller Läden, die nicht
       Lebensnotwendiges verkaufen, nimmt die Regierung sich jetzt die Industrie
       vor, nicht zuletzt, weil der Schwerpunkt des produzierenden Gewerbes im
       Norden liegt, ausgerechnet in jenen Regionen wie der Lombardei und der
       Emilia Romagna, wo die Epidemie am stärksten wütet. Conte handelte nicht
       zuletzt unter dem Eindruck der am Samstagabend vom Zivilschutz
       bekanntgegebenen neuen Zahlen. In nur 24 Stunden musste Italien 793 neue
       Todesfälle bilanzieren, allein auf die Lombardei entfielen 546 von ihnen.
       Die Gesamtzahl der Toten lag damit bei 4.800, die der erfassten Infizierten
       im Land bei 53.500.
       
       Weiter offenbleiben werden vorneweg Landwirtschaftsbetriebe, die
       pharmazeutische und die Lebensmittelindustrie, aber auch die Hersteller von
       Verpackungsmaterialien, die Energieerzeuger, die Petrochemie sind von der
       Schließung nicht betroffen. Eingestellt wird dagegen die Produktion etwa
       von Haushaltsgeräten, von Bekleidung, Möbeln, Luft- und Raumfahrttechnik
       oder Kraftfahrzeugen. Weiterarbeiten werden dagegen die Speditionen, und
       auch der öffentliche Nah- und Fernverkehr bleibt aktiv. Allerdings hat es
       hier schon drastische Reduzierungen gegeben. So fahren von Rom Richtung
       Mailand nur noch zwei Hochgeschwindigkeitszüge pro Tag ab.
       
       ## Druck aus dem Norden
       
       Die Regierung beugt sich mit der weitgehenden Schließung der Fabriken vor
       allem den Regionalgouverneuren und vielen Bürgermeistern aus dem Norden,
       die lautstark verlangten, „alles zu schließen“. Aber auch die
       Gewerkschaften hatten unter dem Druck ihrer Basis umfassende Stilllegungen
       verlangt, um die Beschäftigten nicht weiteren Infektionsrisiken
       auszusetzen.
       
       Die Metallgewerkschaften informierten in den letzten Tagen darüber, dass
       etwa in Mailand 15 Firmen weiter offen blieben, obwohl unter den
       Beschäftigten Coronafälle aufgetreten waren. Außerdem habe sich in vielen
       Unternehmen der Krankenstand dramatisch erhöht – werde aber durch die
       Anheuerung von Leiharbeitern ausgeglichen.
       
       Vor diesem Hintergrund hatten sich Streiks gemehrt. Zum Beispiel die
       Karosseriebaufirma Fontana Pietro in der lombardischen Provinz Lecco
       beschloss die Schließung, da ihre Arbeiter in den Ausstand getreten waren.
       Die Firma Dema aus Neapel dagegen, die im Luftfahrtsektor als Zulieferer
       für Boeing und Airbus arbeitet, antwortete auf den Streik der Beschäftigten
       mit dem Angebot, jedem 100 Euro Tagesprämie zu zahlen, wenn er weiter
       arbeitet. Solche, in den Augen der Gewerkschaften unmoralischen, Angebote
       werden mit dem neuen Regierungsdekret jetzt hinfällig.
       
       22 Mar 2020
       
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