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       # taz.de -- Kandidatin für Supreme Court: Pflichtverteidigerin gegen „Könige“
       
       > In den USA könnte jetzt mit der Juristin Ketanji Brown Jackson die erste
       > afroamerikanische Frau Richterin am höchsten Gericht werden.
       
   IMG Bild: Kandidatin Ketanji Brown Jackson am 15. März in Washington
       
       New York taz | „Präsidenten sind keine Könige“: Diese Worte [1][in einem
       120 Seiten langen Urteil] brachten Ketanji Brown Jackson 2019 in alle
       Zeitungen. Die 51-jährige Bundesrichterin hatte dem damaligen
       US-Präsidenten Donald Trump mit ihren Ausführungen einen heftigen Hieb
       verpasst: Das Weiße Haus könne hochrangige Regierungsmitarbeiter nicht
       davon befreien, vom Kongress vorgeladen zu werden, ging aus ihren
       Ausführungen hervor – im konkreten Fall ging es um den Ex-Trump-Mitarbeiter
       Don McGahn.
       
       Diese und andere Wendungen ihrer Karriere dürften ab diesem Montag auf den
       Tisch kommen. Ketanji Brown Jackson stellt sich dem Justizausschuss des
       US-Senats als Kandidatin von Präsident Joe Biden für einen Richterposten am
       Obersten Gericht der USA.
       
       Vier Tage dauern die Anhörungen der nominierten Juristin. Sollte alles gut
       gehen und sie auch der Senat bestätigen, wäre Jackson als Richterin am
       Supreme Court die erste afroamerikanische Frau. Zugleich würde
       erstmals eine Richterin mit Erfahrung als Pflichtverteidigerin auf den
       Posten kommen.
       
       Erst letztes Jahr war sie Richterin am Berufungsgericht des
       Hauptstadtdistrikts District of Columbia geworden – damals auch mit
       Unterstützung dreier Republikaner:innen im Senat. Bidens
       Demokrat:innen hoffen auch dieses Mal auf republikanische Stimmen für
       Jackson.
       
       Der Sitz, der nun am Supreme Court frei wird, ist der von Richter Stephen
       Breyer. Der liberale 83-jährige Jurist zieht sich vorzeitig zurück und
       machte für Biden die Neubesetzung eines Sitzes am politisch umkämpften
       Obersten Gericht möglich.
       
       Die Besetzung des Gerichts ist brisant: Da die Richter:innen auf
       Lebenszeit ernannt werden, hat ihre Auslegung der Verfassung über
       Jahrzehnte großen Einfluss auf das Recht und die Gesellschaft des Landes.
       
       In nächster Zeit stehen einige richtungsweisende Urteile auf der Agenda des
       Supreme Courts. Unter anderem wird erwartet, dass die konservative Mehrheit
       das 1973 ergangene Grundsatzurteil Roe v. Wade zur Legalisierung der
       Abtreibung teils aushebelt. Derzeit halten Richter:innen, die einem
       konservativen Lager zugerechnet werden, sechs der neun Sitze.
       
       Jackson wurde in Washington, D. C., geboren, wuchs aber in Florida auf.
       Ihre Eltern, [2][so erzählte sie in einer Rede an der Universität von
       Georgia], waren Anfang der 1970er von der US-Bürgerrechtsbewegung
       beeinflusst.
       
       ## Vom Highschool-Debattierclub nach Harvard
       
       „Sie entschieden, ihren Stolz auf die afrikanischen Vorfahren meiner
       Familie auszudrücken, indem sie meine Tante, die gerade im Peace Corps in
       Afrika war, nach einer Liste afrikanischer Mädchennamen zur Auswahl
       fragten“, so Jackson. Sie wählten „Ketanji Onyika“, ein Name, der etwa „die
       Reizende“ oder „die Hübsche“ bedeuten soll.
       
       Laut Jackson habe besonders der Debattierklub in ihrer Schule eine wichtige
       Rolle für ihre Entwicklung gespielt. Die Diskussionen hätten ihr
       Selbstvertrauen verliehen und sie auf ihren späteren Werdegang vorbereitet.
       
       Der führte sie zur Eliteuniversität Harvard, wo sie ihren jetzigen Ehemann
       kennenlernte, den Mediziner Patrick Graves Jackson, mit dem sie zwei
       Töchter hat. Er und sein Zwillingsbruder seien die sechste Generation der
       Familie mit Harvard-Abschluss, so Jackson.
       
       Ihr Mann und sie seien „ein ungleiches Paar in vielerlei Hinsicht“. Über
       ihn führt auch eine Verbindung in die republikanische Partei: die
       Verwandtschaft mit dem Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan.
       
       ## Streit um Erfahrung als Pflichtverteidigerin
       
       Jackson arbeitete sowohl in Kanzleien als auch für den Verfassungsrichter
       Stephen Breyer, den sie nun ersetzen soll. Attacken erwarten
       Beobachter:innen etwa hinsichtlich Jacksons Erfahrung in der
       Strafverteidigung: Zwischen 2005 und 2007 arbeitete sie auf Bundesebene als
       Pflichtverteidigerin und vertrat als solche mittellose Mandant:innen.
       
       Kritiker:innen versuchen schon, ihr die Erfahrung als Verteidigerin als
       Nachteil auszulegen und sie als nachsichtig gegenüber Verbrecher:innen
       darzustellen. „Die Soft-on-crime-Brigade steht voll und ganz auf der Seite
       von Richterin Jackson“, erklärte der republikanische Minderheitsführer im
       Senat Mitch McConnell.
       
       Missouris Senator Josh Hawley warf Jackson zudem vor, bei sexuellem
       Missbrauchs an Kindern den Tätern gegenüber für Milde zu plädieren – ein
       Vorwurf, den das Weiße Haus sofort heftig zurückwies.
       
       Auch die Rechtshilfeorganisation National Legal Aid & Defender Association
       (NLADA) geht davon aus, dass Jacksons Arbeit als Pflichtverteidigerin eine
       Rolle in den Anhörungen spielen wird: „Wir sind der Meinung, dass ihr
       Wirken als Pflichtverteidiger einen großen Dienst für unser Land
       darstellt“, sagt Rhadika Singh, die in der Organisation die Abteilung für
       zivilrechtliche Dienstleistungen leitet.
       
       Jacksons „Perspektive gibt ihr eine einzigartige Sichtweise, die im
       höchsten Gericht vertreten sein sollte – immerhin in dem Gericht, das
       überhaupt das Recht auf einen Pflichtverteidiger in der Verfassung
       verankert hat“.
       
       21 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://ecf.dcd.uscourts.gov/cgi-bin/show_public_doc?2019cv2379-46
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=jXFerWhSckA
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Oer
       
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       aus.