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       # taz.de -- Kirschenernte in Berlin futsch: Esst mehr Bananen!
       
       > Regionale Kirschen sollten bald in den Läden liegen. In diesem Jahr wird
       > wegen zwei April-Nächten daraus nichts.
       
   IMG Bild: Okay, eine gibt's vielleicht noch – gut einteilen!
       
       Berlin taz | „Spargel tot, Kirsche rot“ – ein alter Bauernspruch. Offiziell
       endet die Spargelsaison am Johannistag, dem 24. Juni, und so gesehen hätten
       die Kirschen aus dem Berliner Umland noch ein bisschen Zeit zum Reifen.
       Aber schon jetzt ist sicher: Aus heimischem Anbau werden die Berliner
       Händler dieses Jahr kaum Steinfrüchte feilbieten können. Schuld sind zwei
       Frostnächte im April, sie haben die Kirschblüte praktisch vernichtet.
       
       Auf 80 Prozent schätzt Andreas Jende vom Gartenbauverband
       Berlin-Brandenburg den Ertragsausfall bei den Brandenburger Kirschen. Am
       19. und 20. April, als der Frost zuschlug, hätten die Kirschen in voller
       Blüte gestanden. „Der Erlösausfall geht in die Millionen.“ Im gesamten
       Bundesland gibt es laut Jende rund 45 Obstbauern, die Kirsche macht 40
       Prozent ihres Anbaus aus. Zwar hängen hier und da ein paar Früchte an den
       Bäumen, aber dafür Erntehelfer loszuschicken, koste mehr, als es bringe.
       „Dann müsste man 16 Euro pro Kilo nehmen, und das wird keiner bezahlen.“
       
       Roland von Schmeling, einer der Betreiber des Biohofs Werder, zieht eine
       noch verheerendere Bilanz: „99,9 Prozent unserer Kirschernte sind futsch.“
       Ganze zwei Kirschen habe er am Mittwoch bei einem Spaziergang finden
       können, erzählt er lachend – dabei stehen auf den Obstwiesen des Hofs 1.400
       Bäume. Da das Unternehmen, das neben Kirschen auch Eier und
       Wasserbüffelfleisch produziert, von mehreren Familien im Nebenerwerb
       betrieben wird, ist die Situation zwar nicht existenzbedrohend.
       
       Eigentlich sollte in diesem Jahr aber alles besser werden, nachdem schon
       2016 wegen eines Befalls mit der Kirschfliege nur rund 100 Kilogramm
       geerntet werden konnten. Möglich seien eigentlich mehrere Tonnen. Aber
       Biobauern dürfen keine Insektizide spritzen. Jetzt sollen auf den
       Obstwiesen herumlaufende Hühner die Puppen der Kirschfliege verspeisen. Ob
       es klappt, stellt sich dann wohl nächstes Jahr heraus.
       
       ## „Dann ist die Saison eben beendet“
       
       Beim Berliner Bio-Großhändler Terra Naturkost mit Sitz in Neukölln erwartet
       man ebenso wenig in Sachen Umland-Kirschen: „Wir gehen davon aus, dass die
       Brandenburger Kirschen alle erfroren sind“, sagt Geschäftsführer Meinrad
       Schmitt. Im Rest von Deutschland sehe es kaum besser aus. Zurzeit beziehe
       Terra Bio-Süßkirschen aus dem norditalienischen Veneto, aber „in zwei, drei
       Wochen sind die durch, länger dauert das Erntefenster nicht. Wenn es dann
       kein regionales Angebot gibt, ist die Saison eben beendet.“
       
       Und auch im Fruchthof Berlin am Westhafen, wo Großhändler konventionell
       angebautes Obst und Gemüse anbieten, sind keine deutschen Kirschen am
       Markt. Auch keine aus Süddeutschland, wo die Ernte gemeinhin früher
       stattfindet. Laut Christian Mölder, Einkäufer der Firma Fuhrmann,
       dominiert Ware aus der Türkei und Spanien. Der Preis richte sich nach der
       Größe der Früchte. Bei 24 bis 32 Millimetern Durchmesser koste das Kilo ab
       Großmarkt zwischen 3 bis 8 Euro. Gefragt seien Frucht-Durchmesser von 26
       bis 30 Millimeter. Ab einer Fruchtgröße von 28 Millimetern sprechen
       Obstbauern von Premiumkirschen.
       
       Ein Blick in die Geschäfte bestätigt: Weder der türkische Gemüsehändler bei
       der taz um die Ecke noch Edeka am Mehringplatz noch der LPG-Biomarkt in der
       Obentrautstraße hat Kirschen aus Deutschland im Angebot. Um der Wahrheit
       die Ehre zu geben: Sofort reinbeißen möchte man nur in die Kirschen des
       Gemüsehändlers. Groß und rund sind die Früchte, die in den verschiedensten
       Rotschattierungen leuchten. Mit 7,99 Euro das Kilo hat die Premiumware
       „30plus“ aus Spanien allerdings auch ihren Preis. Zwei Euro weniger kosten
       die Kirschen bei Edeka. Sie kommen aus Griechenland, sind dunkler, aber
       auch deutlich kleiner. Der LPG-Markt hat seine Kirschen – 9,39 Euro das
       Kilo für Mitglieder – in den Kühlschrank gepackt. Vielleicht liegt es
       daran, dass die hellroten Früchte aus Italien so gar nicht nach Sommer und
       Süße aussehen.
       
       Gute Nachrichten gibt es dagegen für Fans von Erdbeeren: Bei denen ist der
       Ausfall vergleichsweise gering. Was jetzt im Handel ist, kommt in der Regel
       aus geschütztem Anbau in folienüberdeckten, begehbaren Tunneln. Aber auch
       der Freilandanbau wird liefern, denn die Erdbeerblüte war von den
       Frostnächten nicht betroffen. „Ich rechne mit einer normalen Erdbeerernte
       in der Region“, sagt Terra-Geschäftsführer Schmitt.
       
       ## Apfel gut, alles gut
       
       Er sieht auch der Apfelernte im Herbst optimistisch entgegen, obwohl in der
       Region und mehr noch im süddeutschen Raum beträchtliche Einbußen zu
       befürchten sind. Denn den größeren Teil der Äpfel bezieht Terra Naturkost
       von einem Bio-Obstbauern im Alten Land bei Hamburg. Dort seien gerade
       einmal 10 Prozent Einbuße zu befürchten, weiß Schmitt. Das liege an der
       dort erfolgreich angewandten Vernebelungstechnik: Bei Frost wird Wasser
       fein versprüht, das um die Blüten gefriert und sie vor noch tieferen
       Lufttemperaturen schützt.
       
       Bleibt die Frage nach dem Schuldigen. Ja, das Wetter werde extremer, es
       gebe immer häufiger Trockenzeiten, sehr viel Regen in kurzer Zeit, sagt
       Gesche Hohlstein, Sprecherin des Berliner Botanischen Gartens in
       Steglitz. Aber es nun auf den Klimawandel zu schieben, dass die Kirschblüte
       dieses Jahr erfroren ist, sei ihr zu einfach. „Das wäre
       unwissenschaftlich.“
       
       8 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
   DIR Malene Gürgen
   DIR Claudius Prößer
       
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