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       # taz.de -- Klassenkampf auf dem Fußballplatz: Daheim in der Fremde
       
       > Der Arbeiterklub Red Star Paris will dem Kommerzverein Paris St.-Germain
       > irgendwann die Stirn bieten. Derzeit geht es aber um den Verbleib in der
       > 2. Liga.
       
   IMG Bild: Leere Ränge: Die Fans von Red Star meiden ihr Ausweichstadion in Nachbarschaft von St.-Germain
       
       Paris taz | Maxime Eyrignoux hebt hilflos die Schultern. „Die Fans kommen
       erst zum Anpfiff, vorher ist hier immer tote Hose“, erklärt der junge,
       schlaksige Presseverantwortliche von Red Star Paris. Nahezu komplett leer
       liegt das riesige Rund vor dem Besucher, während die Kicker auf dem satten
       Grün sich warmmachen.
       
       20.000 Sitzplätze hat das moderne Rugbystadion Jean Bouin. Im Zentrum der
       französischen Hauptstadt, direkt gegenüber vom Prinzenpark liegt es. Dort
       residiert Frankreichs reichster Klub, Paris Saint Germain, und auf den
       „Scheichklub“ sind die Fans von Red Star Paris alles andere als gut zu
       sprechen.
       
       „Uns hierherzuverschieben zeugt zum einen von Ignoranz, zum anderen vom
       fehlenden politischen Willen, unser Stadion wieder bespielbar zu machen“,
       ärgert sich Roman Rouvière.
       
       Der 22-Jährige ist seit vier Jahren ein Ultra und kommt wie die anderen der
       etwa 2.000 Red-Star-Fans, die heute gegen Bourg-en-Bresse ihr Team
       anfeuern, erst kurz nach Anpfiff ins ungeliebte Stade Jean Bouin.
       Bourg-en-Bresse ist keiner der großen zugkräftigen Gegner, und obgleich Red
       Star Paris sich gegen den Abstieg aus der zweiten französischen Liga
       stemmt, kommen längst nicht alle Fans des Traditionsvereins aus Saint-Ouen
       ins Zentrum der französischen Hauptstadt.
       
       Saint-Ouen ist ein Pariser Vorort, eine Banlieue, ein alter
       Arbeiterstadtteil mit hoher Arbeitslosenquote. Clignancourt heißt die
       Endstation der Metrolinie 4, die das Viertel ansteuert. Rund 50.000
       Menschen leben hier, viele davon aus dem Maghreb und Schwarzafrika
       zugewandert. Mit dem luxuriösen 16. Arrondissement, wo die Bessersituierten
       leben und sich Julian Draxler und Edison Cavani live im Prinzenpark auf dem
       Rasen anschauen, hat das nichts zu tun.
       
       ## Links und antirassistisch
       
       „Red Star ist ein Arbeiterverein. 1897 gegründet, gewann ein paar
       Meistertitel in den 1920er Jahren, aber blieb seiner Herkunft immer treu.
       So versteckte 1942 ein Spieler in unserem Stadion Waffen für den
       Widerstand“, erklärt Roman Rouvière stolz und steigt Beifall klatschend
       auf die Betonbrüstung, die die Zuschauer vom Spielfeld trennt.
       
       Seine Mannschaft ist am Drücker, setzt Bourg-en-Bresse mit schnellem
       Offensivspiel unter Druck. Roman hat sich den Klub gesucht, weil er kein
       glattes Kommerzprodukt wie den erst 1970 gegründeten Saint-Germain wollte,
       sondern einen Klub mit linkem, antirassistischen Anspruch.
       
       Da ist die Auswahl in Frankreich nicht allzu groß. Neben Girondins Bordeaux
       und St. Etienne bleibt in Paris allein Red Star. Der 1897 von Jules Rimet,
       dem Initiator der Fußballweltmeisterschaft, gegründete Klub ist bekannt für
       gute Jugendarbeit, hat aber seit 1975 nicht mehr in der Ligue 1, der
       höchsten Spielklasse, gespielt.
       
       Das hätte sich im letzten Jahr beinahe geändert. Da klopfte Red Star Paris
       als Fünfter der Ligue 2 an der Tür zum Oberhaus. Im verflixten zweiten Jahr
       in der Liga geht es nun darum, im bezahlten Fußball zu bleiben, um das
       Projekt Red Star Paris weiterzuführen, so Manager Régis Pillon. Mit dem
       Präsidenten und Besitzer des Vereins, Patrice Haddad, verfolgt er das Ziel,
       Red Star zum Gegenpol von Paris Saint-Germain zu machen.
       
       „Madrid, Mailand oder London haben mehrere Erstligisten, warum ist das in
       Paris anders?“, fragt der 30-jährige Sportmanager. Ganz genau weiß er,
       welches Potenzial in Red Star steckt. Rund um das altehrwürdige Stade
       Bauer, was genauso wie die Straße davor nach dem Antifaschisten Jean-Claude
       Bauer benannt ist, hängen großformatige Plakate mit Models aus dem
       Stadtteil, die Red-Star-Trikots und andere Merchandisingprodukte tragen.
       
       ## Kein Geld für Renovierung
       
       Ins Bauer, wie das Stadion genannt wird, will auch er zurück. Nur wie das
       vonstatten gehen soll, daran scheiden sich die Geister. Unstrittig ist,
       dass das alte Stadion baufällig ist, dass es der Stadt Saint-Ouen gehört,
       die schlicht kein Geld für die Renovierung hat. „Fünf Millionen Euro sind
       mindestens für die Renovierung nötig“, schätzt Roman Rouviére. „Wir haben
       schon überlegt, zu spenden oder selbst Hand anzulegen“, sagt er in der
       Halbzeitpause.
       
       Red Star liegt nach einer Aufholjagd nach unglücklichem Rückstand mit 2:1
       in Front und präsentiert sich vor allem in der Offensive stark. Für die
       Ultras ein Hoffnungsschimmer nach mehreren Spielen ohne Punktgewinn und dem
       Abgleiten auf den 19. und vorletzten Tabellenplatz. Absteigen will kaum
       jemand, obgleich dann die Rückkehr ins geliebte Bauer wahrscheinlich wäre.
       
       Was fehlt, ist ein Konzept für die Rückkehr nach Saint-Ouen und nach dem
       Zweitligaverbleib. „Es wird verhandelt, heißt es immer“, sagt Wilfrid de
       Baise, der neben Roman an der Betonbrüstung steht. Nur viel ist dabei noch
       nicht herausgekommen, sodass die Ultras nun bereits die zweite Saison in
       einem fremden Stadion am Zaun stehen. Das soll im nächsten Jahr anders
       sein, so Manager Pillon.
       
       Noch ist das Wunschdenken. Konkrete Pläne hat Pillon nicht. So droht den
       Red-Star-Ultras ein weiteres Jahr in der Fremde, denn ihre Mannschaft hat
       mit dem 4:1 gegen Bourg-en-Bresse ein Ausrufezeichen im Abstiegskampf
       gesetzt. Ein Erfolg mit eigenartigem Beigeschmack.
       
       28 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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