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       # taz.de -- "Klima der Angst"
       
       > RECHTE GEWALT Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen
       > Reker-Attentäter zu Recht übernommen
       
   IMG Bild: Kölner Messerattacke: Wegen der besonderen Bedeutung hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen
       
       KARLSRUHE taz | Frank S., der Messerattentäter von Köln, bleibt weiter in
       Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) hat
       jetzt den Haftbefehl wegen versuchten Mordes und gefährlicher
       Körperverletzung bestätigt. Der BGH hat damit auch die Übernahme der
       Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft abgesegnet.
       
       Am 17. Oktober hatte Frank S. als Protest gegen die Kölner
       Flüchtlingspolitik die damalige Sozialdezernentin und
       Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker mit Messerstichen am Hals
       lebensgefährlich verletzt. Er wurde noch am Tatort festgenommen. Zunächst
       übernahm die Kölner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen und erwirkte einen
       Haftbefehl gegen S., der seitdem in U-Haft sitzt.
       
       Zwei Tage später übernahm der neue Generalbundesanwalt Peter Frank den
       Fall. Es war der Tag seiner Amtseinführung, als auch Justizminister Heiko
       Maas (SPD) nach Karlsruhe gekommen war. Ob Franks Beschluss, den Fall an
       sich zu ziehen, vor oder nach den Gesprächen mit Maas fiel, wollte weder
       die Bundesanwaltschaft noch das Justizministerium beantworten. Die Frage
       ist heikel, nachdem Franks Vorgänger Harald Range von Maas entlassen wurde,
       weil er behauptet hatte, Maas habe ihm in der
       Netzpolitik/Landesverrats-Affäre eine Weisung erteilt – was Maas
       bestreitet.
       
       Nach dem Wechsel der Zuständigkeit beantragte Frank jedenfalls am 21.
       Oktober einen neuen Haftbefehl, nun beim Ermittlungsrichter des BGH. Dort
       wurde Frank S. am 27. Oktober angehört. Ob er Aussagen machte, ist bisher
       nicht bekannt. Am Ende bestätigte der Ermittlungsrichter aber den
       Haftbefehl. Haftgrund ist einerseits Fluchtgefahr, andererseits auch die
       besondere Schwere der Tat.Der Ermittlungsrichter bestätigte dabei auch die
       Einschätzung der Bundesanwaltschaft, dass das Attentat eine besondere
       Bedeutung für die innere Sicherheit Deutschlands hat und deshalb in
       Karlsruhe bearbeitet werden sollte. Bei Morden und Mordversuchen ist
       grundsätzlich die Staatsanwaltschaft vor Ort zuständig, eine Übernahme
       durch die Bundesanwaltschaft muss mit Staatsschutzaspekten begründet
       werden.
       
       Generalbundesanwalt Frank erklärte an diesem Mittwoch, S. habe ein „Klima
       der Angst“ bei allen in der Flüchtlingsunterbringung engagierten Personen
       erzeugen wollen. Seine Tat sei der „vorläufige Höhepunkt“ in einer ganzen
       Reihe derartiger Einschüchterungen und Bedrohungen. Die Übernahme in die
       Strafverfolgung sollte dieser Entwicklung – „auch wegen der damit
       verbundenen Gefahr für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland“ –
       entschieden entgegentreten.
       
       Schon Ende der 90er Jahre hatte der damalige Generalbundesanwalt Kay Nehm
       ein ähnliches Zeichen gesetzt. 1999 waren zwei Vietnamesen bei einem
       Dorffest in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern) von rechten Jugendlichen
       lebensgefährlich verletzt worden. Durch solche Taten werde die „innere
       Sicherheit“ Deutschlands bedroht, betonte Nehm, denn sie riefen ein
       „allgemeines Klima der Angst und Einschüchterung“ unter den hier lebenden
       Ausländern hervor. Die Jugendlichen wurden vom OLG Rostock später wegen
       Mordversuchs zu Jugendstrafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt.
       
       Die Übernahme der Ermittlungen wegen des Kölner Attentats ist weniger
       spektakulär als die damalige. Da Reker als Repräsentantin des Staates
       angegriffen wurde, war der Staatsschutzcharakter der Ermittlungen leichter
       zu begründen. Auch stand nicht der Verdacht im Raum, die Kölner
       Staatsanwaltschaft könnte mit dem Fall oder der Thematik überfordert sein.
       
       Christian Rath
       
       29 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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