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       # taz.de -- Klimabilanz im Sport: Golfen, eine Ökoschweinerei?
       
       > Einst sah sich der Golfsport schweren Vorwürfen ausgesetzt. Dabei wird in
       > deutschen Vorgärten und Maisfeldern weitaus mehr gegiftet.
       
   IMG Bild: Naturvergnügen mit guter Ökoblilanz: Golfen zwischen Wald und See
       
       „Zerstörerischer Golfboom. Internationale Opposition formiert sich.“
       
       Mit dieser Headline vom 15. 5. 1993 war die taz damals voll Mainstream.
       Ringsum hieß es, von Umweltverbänden, der Zeitschrift Natur bis zur später
       so golfaffinen SZ, der Golfsport angle sich „artenreiche Filetstücke der
       Landschaft“ und mache sich vieler „ökologischer Sünden“ schuldig, etwa
       durch „giftige Grüns“. Anklagepunkte: Pestizidbombardement,
       Landschaftsfraß, Naturvernichtung. Golf leiste sogar, so die taz, „einen
       nicht unwesentlichen Beitrag zur Zementierung, wenn nicht gar Verschärfung
       des Nord-Süd-Gefälles“. Golf, igitt.
       
       Da möchte man als ertapptes Ökoschwein sofort die Schläger fallen lassen.
       Oder genauer hingucken.
       
       Golf verbraucht Landschaft? Ein wirklich schwaches Argument: Für
       Fußballplätze und große Hallen werden Areale weitflächig zerpflügt und
       Böden versiegelt. [1][Die Betonschüsseln der Fußballbundesligen] brauchen
       oft eigene Autobahnrampen und kilometerweit asphaltierte Parkplätze. Golf
       entzieht Flächen den Nichtgolfern? Für neue Plätze müssen vorhandene
       Wanderwege erhalten bleiben, sonst gibt es keine Baugenehmigung. Ein
       Spazierweg durch ein Bundesligastadion ist dagegen selten.
       
       ## Paradies für Insekten
       
       Einige hunderttausend Autos brausen jedes Wochenende, oft Hunderte
       Kilometer, in die Fußballarenen. Das holen Golfer nicht auf, auch wenn die
       Anfahrt mit den Giftverbrennern zum Naturerleben Freizeit fatal ist. Aber
       man kann auch, die Ausrüstung ist im Spind, das Pedelec nehmen und
       mancherplatzes Bus und Bahn, etwa nach Berlin-Wannsee oder St. Leon-Rot.
       
       Golfplätze sind mehr als weite Rasenflächen. Der kleinere Teil einer
       70-Hektar-Gebietes sind die geschorenen Spielbahnen, ansonsten: Wälder,
       dichte Gebüsche, Seen und Bachläufe, naturbelassene oder renaturierte
       Wiesen, zusätzlich gepflanzte Bäume. Dazu kommen oft extra ausgewiesene
       Biotope mit strengem Betretungsverbot: Paradiese für Insekten und kleine
       Amphibien, Brutstätten und Rückzugsorte für zahllose Vogelarten. All das
       fehlt in den durchgegifteten Monokultur-Agrarflächen drum herum.
       
       Ja, auch auf den Golfgrüns wird kunstgedüngt, trotz aller Umweltauflagen
       bisweilen auch zu viel. Aber Grüns machen kaum mehr als ein Prozent der
       Platzfläche aus. Und mittlerweile wissen Greenkeeper auch, wie man Schimmel
       und Moosen intelligenter trotzt als mit Chemie – durch Belüftung,
       Sonneneinstrahlung, Vermeidung von Staufeuchtigkeit und mit
       standortoptimalen Rasenmischungen.
       
       Zudem emanzipiert sich die Szene [2][immer weiter vom Augusta-Syndrom.] Das
       ist der Glaube, ein Platz müsse dem naturfremd manikürten
       Masters-Edelgeläuf in den USA möglichst nahekommen. Glyphosat und Nitrat
       gibt es auf hiesigen Golfplätzen nicht mehr. Die Ökobilanz ist herausragend
       besser als bei Maislandschaften, Weizenfeld-Unkulturen oder Kuhgüllewiesen.
       Und in deutschen Vorgärten wird, round-up, weit mehr gegiftet (oder
       steingartengewütet) als auf den 800 Golfplätzen.
       
       Anders in anderen Weltgegenden: Umsiedlungen (sprich: Vertreibungen) und
       Rodungen für Golfplatzbau wie in Südostasien muss man Verbrechen nennen.
       Touristenanlagen im trockenen Nordafrika sind Unfug, weil so viel knappes
       Grundwasser verballert wird, wie es bei uns die nächsten zehn Hitzesommer
       nicht nötig machen werden. Schlau geht aber auch: Die Greenkeeper auf La
       Gomera pumpen Meerwasser aus einer eigenen Aufbereitungsanlage vom Strand
       zum Golfterrain – ohne Kosten für Dritte und Wasserverknappung.
       
       Golf kann tatsächlich renaturieren helfen. André Baumann, Biologe und
       Staatssekretär im Stuttgarter Umweltministerium, sagt über unsere
       ökologische Zukunft: „Golf ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der
       Lösung.“
       
       Aus dem Abc der Vorurteile – heute J wie Jetset: „Golfer fliegen um die
       halbe Welt, nur um mal woanders auf die Bälle einzuschlagen. Widerlich!“
       Stimmt natürlich – aber bitte: Golflose Fernreisen sind der gleiche
       Ökoirrsinn.
       
       30 Jun 2020
       
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