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       # taz.de -- Klimagipfel der 40 größten Emittenten: „Bei der Gerechtigkeit versagt“
       
       > Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan lobt US-Präsident Bidens Klimapolitik.
       > Aber sie warnt vor niedrigen CO2-Zielen und davor, die Armen zu
       > vergessen.
       
   IMG Bild: Merkel und Biden beim digitalen Klimagipfel: Die großen CO2-Emittenten bewegen sich
       
       taz: Frau Morgan, die USA haben bei ihrem [1][Klimagipfel] die Halbierung
       der Emissionen angekündigt und sich damit in der globalen Klimapolitik als
       Anführer zurückgemeldet. Sind Sie glücklich? 
       
       Jennifer Morgan: Nicht wirklich. Natürlich macht es einen Riesenunterschied
       zu Trump, und es hilft, die weltweite Lücke zu schließen, um die Emissionen
       schnell auf null zu bringen. Aber die Ambitionen waren nicht hoch genug,
       und es kommen auch die falschen Lösungen zurück ins Spiel: Atom, CCS, Gas,
       Kohlendioxid-Ausgleich durch Wälder und die Idee, dass die Technologie uns
       rettet. Völlig unklar ist auch die Rolle der großen Unternehmen. Da gibt es
       nur Selbstverpflichtungen, keine Details und keine Kontrolle.
       
       Was bedeutet Bidens Politik für den globalen Prozess? 
       
       Es ist klar, dass die ganze US-Regierung mit an Bord ist. Das Engagement
       geht viel tiefer als noch unter Obama. Und [2][Biden will Klimapolitik mit
       dem Wiederaufbau nach Corona verbinden]. Es geht ihm um soziale, ethnische
       und ökologische Gerechtigkeit. Und das ist neu und auch dringend notwendig.
       International wird alles daran hängen, was die US-Regierung zu Hause
       umsetzt. Sie muss das Infrastrukturgesetz durchbekommen, fossile
       Subventionen streichen, Öl- und Gasbohrungen auf öffentlichem Land
       nachhaltig stoppen. Denn die Welt fragt sich doch: Ist das jetzt nur eine
       vierjährige Periode und danach dreht sich wieder alles zurück?
       
       Bisher hat Biden nichts durchs Parlament bekommen. 
       
       Bisher sieht es so aus, als sei es ihm sehr ernst damit, wirklich zu
       liefern. Er treibt das Infrastrukturgesetz voran mit viel Geld für
       Klimaschutz und dem Fokus auf soziale Gerechtigkeit. Dann hat diese
       Regierung beschlossen, einen internen CO2-Preis von 51 Dollar für alle
       Kosten-Nutzen-Analysen zugrunde zu legen, so wie bei Obama. Das wird in
       einem Jahr neu festgelegt. Bei Trump lag der Preis zwischen einem und
       sieben Dollar. Alle Indikatoren stehen auf Grün. Aber wir werden sehen, wie
       weit sie mit ihrer knappen Mehrheit im Senat kommen. Es wird noch ein
       Riesenkampf. Und deshalb ist es gut, dass Biden die Debatte auf Jobs,
       soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft fokussiert. Das stellt die ganze
       Diskussion auf den Kopf. Es heißt jetzt: Klimaschutz ist die Zukunft, wenn
       du wirtschaftlich und sozial erfolgreich sein willst. Schauen wir mal, ob
       er Amerika davon überzeugen kann.
       
       Sollten Klimaschützer:innen in Deutschland auch so argumentieren? 
       
       Auf jeden Fall. Die deutsche Regierung hat nach 16 Jahren Merkel weder beim
       Klimaschutz noch beim Thema Klimagerechtigkeit geliefert. Und die Erzählung
       ist immer noch: Auf der einen Seite steht der Klimaschutz, auf der anderen
       der Autosektor oder die Landwirtschaft. Das ist für mich ein echtes Manko
       der Regierung Merkel. Klimaschützer:innen sollten aber wie Biden
       sagen: Wirtschaftlicher Erfolg beruht auf gerechter und ehrgeiziger
       Klimapolitik. Stellen Sie sich vor, ein deutscher Verkehrsminister würde
       sagen: Ich setze hier mal die Standards, wie CO2-arme Mobilität aussehen
       soll. US-Verkehrsminister Pete Buttigieg macht das gerade.
       
       Wie wichtig waren diese zwei Tage für den UN-Gipfel in Glasgow im November? 
       
       Sehr wichtig. Denn wir sehen bisher einen Mangel an Führung aus
       Großbritannien. Das Wichtigste: Klima ist wieder auf der Ebene der
       Staatschefs angekommen, und da wird es bleiben, solange Biden Präsident
       ist.
       
       Wird es eine neue Achse für Klimaschutz zwischen USA, EU und China geben? 
       
       Die Dynamik in China ist faszinierend. Das US-Ziel kann dazu führen, dass
       China unter Druck gerät. Es gibt jetzt jedenfalls viel mehr Druck und
       Aufmerksamkeit dafür, was Xi Jinping nach Glasgow bringt. Was wir brauchen,
       ist ein verbindliches Datum wie das von Xi angedeutete Jahr 2025 als
       Höhepunkt der Emissionen sowie eine Abkehr von der Kohle. Das sollte China
       aus eigenem Interesse verkünden, in Glasgow oder bei der UN-Vollversammlung
       im September.
       
       Was muss Glasgow liefern, um erfolgreich zu sein? 
       
       Drei Dinge: Die Lücke zwischen dem, was nötig ist für 1,5 Grad, und dem,
       was versprochen wird, muss sich deutlich schließen. Zweitens: Die Länder
       müssen in ihren Klimaplänen klarmachen, dass und wie sie fossile
       Subventionen beenden und Fossile im Boden lassen. Buchungstricks wie die
       Anrechnung von ohnehin angeschlagenen Wäldern gegen fossile Emissionen
       gehen nicht. Drittens brauchen die am meisten verwundbaren Länder mehr Geld
       und Unterstützung. Wir sind weit entfernt vom Nötigen.
       
       Greenpeace International fordert dasselbe wie der UN-Generalsekretär. 
       
       Generalsekretär António Guterres macht sich da sehr stark, und das ist gut
       so. Ich hoffe, die Länder hören auf ihn. Es ist aber auch gefährlich, wie
       die britische Regierung gerade agiert: Glasgow darf nicht zum
       Greenwashing-Event der großen Unternehmen werden, die für sich mit grünen
       Aktionen und Bäumepflanzen werben. Die Bühne sollte nur für jene offen
       sein, die in den nächsten zehn Jahren wirklich planen, Emissionen zu
       reduzieren. Und nicht für Veranstaltungen wie die neue „Net Zero Finance
       Initiative“, mit der sich die Banken grünwaschen wollen, die seit dem
       Pariser Abkommen fast vier Billionen Dollar in Fossile investiert haben.
       
       Finanzen für die Armen und Gerechtigkeit kamen auf dem Biden-Gipfel
       allerdings kaum vor. 
       
       Ja, sie haben das ausgelassen, auch wenn einige Staatschefs aus dem
       Globalen Süden das angesprochen haben. Die USA haben ihre Hilfen
       verdoppelt, aber kein anderes Land hat mitgezogen. Aber so ehrgeizig Bidens
       Plan mit 50 Prozent Reduktionen ist – eigentlich müssten es minus 70
       Prozent sein. Denn wenn wir weltweit bis 2030 die Emissionen halbieren
       wollen, müssen die USA und Europa wegen ihrer historischen Verantwortung
       mehr tun. Bei dem, was wissenschaftlich nötig und gerecht wäre, hat der
       Gipfel enttäuscht.
       
       Die US-Regierung legt großen Wert auf Klima-Gerechtigkeit in den USA.
       Werden das die armen Länder jetzt auch international einfordern? 
       
       In den USA ist das keine Rhetorik, da denkt die Regierung soziale,
       ethnische und ökologische Gerechtigkeit zusammen. Aber was das
       international bedeutet, hat noch niemand definiert. Biden greift die großen
       Unternehmen an, wenn es um Steuerzahlungen geht. So muss er auch die großen
       fossilen Konzerne für ihre Schäden haftbar machen. Das wäre eine
       Finanzquelle, um arme Länder für ihre Verluste durch den Klimawandel zu
       entschädigen.
       
       25 Apr 2021
       
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