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       # taz.de -- Klimaneutrale Salzgitter AG: Grüner Stahl ist keine Utopie
       
       > Im Gegensatz zum Konkurrenten ArcelorMittal hält die Salzgitter AG an der
       > Umstellung auf klimaneutralen Stahl fest. Was läuft dort anders?
       
   IMG Bild: Ein Windrad steht auf dem Gelände der Salzgitter AG
       
       Berlin taz | Die Nachricht sorgte für Aufruhr. Der Konzern
       [1][ArcelorMittal baut in Bremen und Eisenhüttenstadt vorläufig keine
       klimaneutrale Stahlproduktion] auf. Genau das Gegenteil ist von der
       Salzgitter AG aus Niedersachsen zu hören: Die Umstellung auf grünen Stahl
       geht dort wie geplant weiter. Warum funktioniert in Salzgitter, was in
       Bremen nicht klappt?
       
       „Wir sind mitten in der Bauphase der Stufe eins“, sagt
       Salzgitter-Vorstandschef Gunnar Groebler, „die neuen Anlagen wachsen in die
       Höhe.“ Das Unternehmen gehe davon aus, dass die Produktion im ersten
       Halbjahr 2027 beginnen könne und dann auch die ersten Kunden beliefert
       würden.
       
       [2][ArcelorMittal hat eine ähnliche Entwicklung dagegen jetzt abgebrochen.]
       Zugesagte Fördermittel von etwa 1,3 Milliarden Euro nimmt der Konzern mit
       Hauptsitz in Luxemburg nicht in Anspruch. Wie es [3][mit den Hochöfen von
       Thyssenkrupp] im Ruhrgebiet beim grünen Stahl weitergeht, ist unklar.
       Weiter an der Dekarbonisierung arbeitet die SHS (Stahl-Holding-Saar).
       
       Unbeirrt sind auch die Stahlkocher im östlichen Niedersachsen. Knapp 1
       Milliarde Euro Fördergelder des Bundes und des Landes werden investiert,
       1,4 Milliarden finanziert die Salzgitter AG zusätzlich selbst. Das ist ein
       erster Schritt, bis zum Jahr 2033 soll alles Eisenerz fast ohne
       Kohlendioxidaustausch geschmolzen werden.
       
       ## Elektrolyseur spaltet Wasser in Sauer- und Wasserstoff
       
       Die Aktiengesellschaft ist dabei, eine neue Fertigungsstrecke zu
       konstruieren, die nicht mehr Kohle als Brennstoff nutzt. Stattdessen soll
       perspektivisch „grüner“ Wasserstoff verwendet werden, der so heißt, weil er
       mittels Wind- und Solarstrom aus Wasser erzeugt wird. Der produzierte Stahl
       wird „grün“ genannt, weil im Herstellungsprozess kaum mehr klimaschädliches
       Kohlendioxid (CO2) entweicht.
       
       Sieben Windräder stehen schon auf dem Werksgelände. Einer der beiden großen
       Hochöfen macht in den nächsten Jahren Platz für die neue
       Anlagen-Kombination: Ein Elektrolyseur spaltet Wasser in Sauer- und
       Wasserstoff.
       
       Unter anderem letzterer speist die Direktreduktionsanlage, die Eisenerz in
       Eisenschwamm verwandelt. Aus diesem wird im neuen Lichtbogenofen Stahl.
       Später könnten der andere große und ein kleiner Hochofen einer ähnlichen
       Konfiguration weichen.
       
       „Der laufende Umbau des Stahlstandorts Salzgitter ist auch ein Programm zu
       dessen Zukunftssicherung“, sagt Unternehmenssprecher Olaf Reinecke. Zentral
       dabei: Es gibt nur dieses eine Werk, das im Konzern Stahl herstellt. Zudem
       gelten dafür die deutschen und europäischen Ziele: Klimaneutralität bis
       2045 beziehungsweise 2050.
       
       ## Niedersachsen will Jobs sichern
       
       In 20 Jahren muss Schluss sein mit Kohlendioxid. Stahlproduktion geht in
       Deutschland dann nur noch grün. Das weiß auch der größte Miteigentümer der
       Salzgitter AG, das Land Niedersachsen, das 26,5 Prozent der Anteile hält.
       Die Politik will die örtliche Stahlproduktion und die rund 6.000
       Arbeitsplätze unbedingt sichern.
       
       Ein globaler Konzern wie ArcelorMittal ist anders aufgestellt. Er fertigt
       Stahl in mehreren Staaten, auch außerhalb Europas. Werke stehen etwa in den
       USA, Indien und Brasilien. Das Unternehmen ist nicht darauf angewiesen, die
       politischen Regularien an einem speziellen Standort zu erfüllen. Die
       Fertigung lässt sich verlagern.
       
       In Salzgitter sagt Konzernsprecher Reinecke dagegen: „Ab 2033 wollen wir
       technisch in der Lage sein, zu 95 Prozent CO2-freien Stahl zu erzeugen.“
       Dazu müssten aber auch „die infrastrukturellen und wirtschaftspolitischen
       Rahmenbedingungen gegeben sein“. Eine wichtige Einschränkung – denn die
       große Frage lautet: Steht [4][dann genug grüner Wasserstoff] zu akzeptablen
       Konditionen bereit, um wirklich grünen Stahl zu fertigen? Die benötigte
       Menge kann die Firma nicht selbst generieren, sie muss zukaufen.
       
       Auf seine Ausschreibung im vergangenen Jahr erhielt das Unternehmen von
       potenziellen Wasserstofflieferanten die Antwort, dass das Gas grundsätzlich
       in ausreichender Menge geliefert werden könnte. Aber wie kommt es nach
       Salzgitter? Pläne der Bundesregierung, der Bundesnetzagentur und der
       Pipeline-Betreiber existieren, doch viele Rohre müssen erst noch verlegt
       werden.
       
       ## Doppelt so teuer wie aus Erdgas erzeugter Wasserstoff
       
       Eine entscheidende Rolle spielt der Preis des grünen Wasserstoffs. Heute
       ist er noch etwa doppelt so teuer wie aus Erdgas erzeugter Wasserstoff,
       hieß es kürzlich in einer Studie des Öko-Instituts und der
       Unternehmensberatung Deloitte. Auch die direkte Einspeisung von Erdgas
       bringt einen erheblichen Kostenvorteil.
       
       Deshalb geht die Salzgitter AG davon aus, dass zusätzlich zu kleineren
       Mengen grünen Wasserstoffs vorläufig auch größere Mengen Erdgas in die neue
       Direktreduktionsanlage strömen werden. Wie schnell sich das
       Mischungsverhältnis umdreht, ist unklar. Das hängt von vielen Faktoren ab.
       
       Die Bedingungen für die Herstellung grünen Stahls in Deutschland würden
       besser, sagt Sprecher Reinecke, wenn es hierzulande zum Beispiel „im
       internationalen Vergleich wettbewerbsfähige Industriestrompreise“ gäbe.
       Mit anderen Worten: Die Regierung solle den Strompreis für Firmen wie
       Salzgitter subventionieren. Auch Schutzzölle gegen billigen Stahl aus China
       könnten helfen – ebenso wie „Leitmärkte für Kohlendioxid-freie Produkte“.
       Letzteres sind staatliche Vorschriften, dass die Wirtschaft einen
       bestimmten Anteil grünen Stahls verwenden muss.
       
       16 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Hannes Koch
       
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