URI: 
       # taz.de -- Klimastreik am 20. September: Ein bisschen Generalstreik
       
       > Für Freitag ruft Fridays for Future zum Klimastreik auf. Diesmal sollen
       > alle mitstreiken. Wie ernst ist es den Erwachsenen?
       
   IMG Bild: Kreative Aufrufe für den Klimastreik. Die Schülerbewegung will eine gesamtgesellschaftliche werden
       
       An einem Freitag im Herbst legt ein Generalstreik Deutschland lahm. „Männer
       und Frauen, reiht euch ein“, steht auf den Plakaten des Deutschen
       Gewerkschaftsbunds. „Es handelt sich um euer Lebensinteresse.“ Drei Viertel
       der deutschen Beschäftigten folgen dem Aufruf.
       
       Doch die Streikenden gehen nicht auf die Straße, die Gewerkschaften rufen
       dazu auf, zu Hause zu bleiben. „Stiller als ein Sonntag“, beschreibt eine
       Zeitung die Atmosphäre. In Hamburg flanieren sonntäglich gekleidete
       Menschen, keine Bahn fährt. In Bremen renovieren Streikende die Hütten
       ihrer Schrebergärten, am Niederrhein ist die Streikbeteiligung besonders
       hoch. Viele haben noch einen Kater. Am Vortag war Sessionsbeginn, an dem
       die neue Karnevalssaison ausgerufen wird.
       
       Nur an wenigen Orten wird der Streik auf der Straße sichtbar. In Köln
       prügeln sich Arbeiter mit Streikbrechern vor den Werkstoren eines
       Stahlhändlers. In Kiel wird das Rathaus blockiert, in Lübeck und in
       Wuppertal die Stromversorgung unterbrochen. Vor einem Kino in Braunschweig
       fährt ein Lastwagen mit zwanzig Männern und Frauen vor, die in das Kino
       eindringen. „Die Theaterleitung sah sich gezwungen, die Vorstellung
       abzubrechen“, schreibt der Weserkurier.
       
       Es ist Freitag, der 12. November 1948, als das letzte Mal in Deutschland
       ein Generalstreik stattfindet. Anlass waren die Lebensmittelpreise, die
       nach der Währungsreform im Juni stark angestiegen waren.
       
       Am kommenden Freitag sollen wieder alle streiken. „Es handelt sich um euer
       Lebensinteresse“, das könnte man wieder auf die Transparente schreiben.
       
       In mehr als 300 deutschen Städten wird es Demonstrationen geben, von Aachen
       bis Zwickau, aber auch in Abuja, Nigeria, und Valetta, Malta. „Jetzt sind
       alle Menschen gefordert“, heißt es im Aufruf. Gingen bislang vor allem
       Jugendliche auf die Straße, sind nun auch die Erwachsenen gefragt. In
       Deutschland tagt am gleichen Tag das Klimakabinett, ein Tag später startet
       der Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York. Erwartet wird, dass der
       Protest größer wird als alle bisherigen.
       
       Doch anders als beim letzten Generalstreik geht es nicht um so etwas
       Konkretes wie Lebensmittelpreise, sondern um die Rettung der Welt.
       
       Mittwoch dieser Woche in einem Gemeinschaftsgarten in Berlin-Wedding.
       Felipa Goltz, Benedikt Niemann und andere aus der Bezirksgruppe von Fridays
       for Future sitzen auf Holzpaletten und beratschlagen, wie sie nun
       weitermachen. Um sie herum wachsen Sonnenblumen und Pflanzen in Hochbeeten.
       
       ## Im Tagesgeschäft sollen Lücken entstehen
       
       Alle sind Anfang 20 und studieren. Sie frotzeln herum. Es wirkt, als kennen
       sie sich schon ewig. Dabei hat die Gruppe erst vor zwei Wochen
       zusammengefunden. „Seitdem verbringen wir fast jeden Tag miteinander“,
       erzählt eine junge Frau. Die SchülerInnen, die in Berlin seit Januar auf
       die Straße gehen, seien total überlastet. Sie dagegen haben Semesterferien,
       also übernehmen sie.
       
       Zum Beispiel die Mobilisierung für den Klimastreik. „Ich hoffe, dass wir es
       endlich schaffen, von einer Schüler- zu einer gesellschaftlichen Bewegung
       zu werden“, sagt einer. Felipa Goltz stimmt zu. „Ich wünsche mir, dass die,
       die uns sonst nur vom Fenster zuwinken, runterkommen und mitlaufen.“ Der
       Streik müsse spürbar werden, es müssten Lücken im Tagesgeschäft entstehen.
       
       Benedikt Niemann sitzt etwas am Rand, er berichtet von Existenzängsten
       angesichts des Klimawandels. „Ich bin froh, dass ich mit der Organisation
       hier so viel zu tun habe, dann muss ich nicht drüber nachdenken.“ Wenig
       später drängt er zur Eile. Die jungen Leute packen Plakate in ihre
       Rucksäcke und brechen auf zu ihren Rädern.
       
       Aber nicht nur Schüler und Studierende mobilisieren, auch die
       Gewerkschaften bewegen sich. Die IG Metall sagt, sie begrüße es, wenn ihre
       Mitglieder an Demos teilnehmen. Verdi geht einen Schritt weiter: „So
       einfach zum Streik aufrufen kann ich nicht. Aber ich rufe diejenigen, die
       es können, dazu auf, sich an den Aktionen am 20. September zu beteiligen“,
       [1][sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der taz]. Bsirske empfiehlt seinen
       Mitgliedern „auszustempeln“. Das heißt: Sie sollen außerhalb der
       Arbeitszeit an der Demo teilnehmen.
       
       ## Eindeutig verboten ist ein Generalstreik nicht
       
       In anderen Ländern gehören Generalstreiks zum Alltag. In Deutschland, so
       die herrschende Meinung, ist Streik, in dem es nicht um Löhne und
       Tarifverträge geht, sondern um politische Ziele, nicht erlaubt. Die
       Gewerkschaften befürchten Schadenersatzforderungen der Unternehmen. Dabei
       gibt es kein Gesetz, das politische Streiks verbietet. Das
       Bundesarbeitsgericht hat das Streikrecht in den 50er Jahren zwar
       eingeschränkt. Verantwortlich dafür war der erste Präsident des Gerichts,
       der Jurist Hans Carl Nipperdey, der in der NS-Zeit das
       Arbeitsordnungsgesetz mitverfasst hatte. Aber selbst in den 50er Jahren
       hieß es, ein politischer Streik „für die Freilassung von Kriegsgefangenen
       oder gegen hohe Preise“ könne kaum als verfassungswidrig angesehen werden.
       Auch heute sind einige Juristen der Meinung, dass ein politischer Streik
       legal wäre. Nur: Um dies vor Gericht zu klären, müsste es mal wieder einen
       Generalstreik geben.
       
       Der Historiker Uwe Fuhrmann hat sich in seiner Dissertation mit dem letzten
       deutschen Generalstreik beschäftigt. Er hat sich durch Archive gegraben und
       Zeitungsausschnitte zusammengesucht. „Die deutschen Gewerkschaften könnten
       mehr tun, um den Klimastreik zu unterstützen“, sagt er. Auch nach 1948 habe
       es immer wieder politische Streiks gegeben, ohne dass diese verboten
       wurden. Abmahnungen oder gar Kündigungen waren große Ausnahmen.
       
       So streikten ArbeiterInnen 1968 gegen die Notstandsgesetze, 1972 anlässlich
       des Misstrauensvotums gegen Willy Brandt. Am 6. März 1986 demonstrierten 1
       Million Beschäftigte während der Arbeitszeit. Die IG Metall nannte das
       „betriebliche Aktionen“ und wehrte sich so gegen ein Gesetzesvorhaben, das
       Streiks erschweren sollte. Hinterher wurden angedrohte Kündigungen und
       Abmahnungen wieder zurückgenommen: Kein Unternehmen kann es sich leisten,
       vielen Mitarbeitern gleichzeitig zu kündigen. Und vieles hängt von der
       gesellschaftlichen Stimmung ab. Kündigungen wegen einer Teilnahme am
       Klimastreik dürften mittlerweile einen Imageverlust bedeuten.
       
       Da ginge also mehr, juristisch und politisch. Aber für die Gewerkschaften
       ist das Thema Klima schwierig: Der Umbau der Wirtschaft zu mehr
       Nachhaltigkeit gefährdet Jobs, neue Arbeitsplätze müssen erst entstehen.
       Viele Beschäftigte nehmen die Veränderungen – etwa den Umstieg vom
       Verbrennungsmotor auf Elektromobilität, von fossilen zu erneuerbaren
       Energien – als Bedrohung wahr. Selbst wenn die Gewerkschaften so mutig
       wären und zum Generalstreik aufriefen, könnte es gut sein, dass viele ihrem
       Aufruf nicht folgen.
       
       ## Die Gewerkschaften müssen sich entscheiden
       
       Klaus Dörre ist Professor für Arbeitssoziologie an der Uni Jena, er hat
       sich mit dem Verhältnis der Gewerkschaften zur Ökologie befasst. „Wir
       brauchen eine Nachhaltigkeitsrevolution“, ist Dörre überzeugt. Er
       vergleicht die Veränderungen, vor denen die Wirtschaft steht, mit jenen der
       ersten industriellen Revolution.
       
       Die Gewerkschaften, die seit Jahren Mitglieder verlieren, hätten nun zwei
       Möglichkeiten, sagt Dörre. Sie könnten konservativ auftreten und sich vor
       allem für die Interessen bestimmter Gruppen einsetzen, etwa in der
       Braunkohle. Damit würden sie aber rasch an gesellschaftlicher Akzeptanz
       verlieren, denn der Strukturwandel sei unausweichlich. Die andere
       Möglichkeit: „Die Gewerkschaften könnten sich auch wieder stärker als
       soziale Bewegung verstehen und ihre Macht nutzen, um den Wandel ökologisch
       und sozial zu gestalten.“
       
       Eine Entscheidung über die politische Ausrichtung der Gewerkschaften sei
       noch nicht gefallen, sagt Dörre. Dass Verdi-Chef Bsirske die Mitglieder
       dazu aufruft, sich an Veranstaltungen des Klimastreiks zu beteiligen,
       wertet er aber als einen Schritt nach vorn.
       
       Die jungen Leute von Fridays for Future, die an diesem Mittwoch im Wedding
       unterwegs sind, sehen das Verhalten der Gewerkschaften mit gemischten
       Gefühlen. „Ich würde mir wünschen, dass sie radikaler sind“, sagt Benedikt
       Niemann. Natürlich seien sie dankbar für alle Menschen, die ihre
       Arbeitszeit so legen, dass sie an dem Tag demonstrieren können, sagt Felipa
       Goltz. „Es ist wichtig, dass wir unglaublich viele werden“, sagt ein
       anderer mit Sonnenbrille. „Freinehmen ist aber nicht die beste, sondern nur
       die zweitbeste Lösung.“
       
       ## „Es ist doch nur ein Wort“
       
       Eigentlich wollen sie, dass die Menschen für das Klima wirklich etwas
       riskieren, ein Opfer bringen. Nicht nur die Beschäftigten, auch die
       Unternehmen. Klar würde das für die Firmen einen Ausfall bedeuten. „Aber
       wenn man sich überlegt, wie viel der Klimawandel kosten wird, ist das
       absurd“, sagt eine. Interessant ist, dass Fridays for Future zwar zu einem
       Generalstreik aufrufen, aber das Wort nicht in den Mund nehmen. Das habe
       rechtliche Gründe, sagt eine Sprecherin von Fridays for Future, das habe
       man bundesweit so entschieden. Man will die Gewerkschaften nicht in
       Schwierigkeiten bringen, „es ist doch nur ein Wort“.
       
       Einige Betriebsräte suchen nach kreativen Wegen, den Klimastreik zu
       unterstützen. In einem Berliner Beratungsunternehmen findet am Freitag eine
       Betriebsversammlung statt, so können die Arbeitnehmer legal ihre Arbeit
       niederlegen. Bei dem Treffen soll die Klimapolitik des Unternehmens Thema
       sein. Im Anschluss wollen einige zur Demo gehen.
       
       Dirk Kieper ist Betriebsrat bei der Deutschen Post in Düsseldorf. „Es kommt
       Bewegung in die Sache“, sagt er. Bei der Post sei der Betriebsrat zuerst
       gespalten gewesen, ob man den Streik unterstützen solle. Man wollte sich
       nicht vereinnahmen lassen für Ziele, die „nicht betriebsbezogen“ sind.
       Trotzdem war der Klimastreik Thema bei einer Betriebsversammlung. Als
       Vertreter der Arbeitgeberseite sagten, man unterstütze die Ziele von
       Fridays for Future, die Mitarbeiter sollten aber „ausstechen“ oder
       Überstunden abfeiern, wenn sie teilnehmen wollten, fragte ein Kollege
       aufgebracht: „Was soll man arbeiten, wenn man auf einem toten Planeten
       lebt?“
       
       Kieper jedenfalls wird ausstempeln und am Klimastreik teilnehmen. Ob er
       gemeinsam mit seinen Kollegen geht, ist noch nicht geklärt. „Wir sind noch
       nicht so weit wie die Schüler.“
       
       Wie umstritten der Aufruf ist, erfährt man, wenn man mit Gewerkschaftern
       spricht, in deren Branchen Arbeitsplätze bedroht sind. Heinrich Betz ist
       Betriebsrat bei Volkswagen in Braunschweig. In seinem VW-Werk wird aktuell
       die Produktion auf Batteriesysteme umgestellt, Kollegen werden umgeschult.
       Kollegen, die seit 20, 30 Jahren die gleiche Arbeit machten, sagt er.
       
       Betz will am Freitag eine Rede halten und wirbt auch bei seinen Kollegen
       dafür, zur Demo zu gehen. Manche wollten kommen, andere seien skeptisch und
       fragten, ob sie ihre Jobs verlieren könnten, wenn umgesetzt wird, was beim
       Klimastreik gefordert wird.
       
       Berlin-Wedding am frühen Nachmittag. Mit ihren Rädern fahren die
       Studierenden durch die Straßen, im Fahrradkorb einen Karton mit Aufklebern
       und Klebeband. Sie wollen Plakate aufhängen und Flyer verteilen.
       
       In Läden brauchen sie dafür die Erlaubnis der Inhaber. „Hier gibt es so
       tolles veganes Schokosorbet“, sagt Felipa Goltz, als sie einen Eisladen
       betritt. Der Verkäufer schickt sie wieder weg, Plakate und Flyer sind nicht
       erwünscht.
       
       ## Fronten verlaufen anders als bei einem Tarifstreit
       
       Goltz versucht es in einem Spätkauf. Kaffee, Eier, Alkohol und Süßigkeiten
       stehen in den Regalen. „An die Tür kannst du was machen“, sagt der
       Verkäufer. Fridays for Future kennt er. „Das sind die, wo die Kinder die
       Schule geschwänzt haben.“ Er lacht. Vom Streik hat er gehört. „Aber ich
       könnte mir nicht leisten, freitags zuzumachen. Wir müssen ja schon sonntags
       schließen.“
       
       Wie viele Erwachsene werden am Freitag den Schritt machen und die Arbeit
       Arbeit sein lassen? „Solidarisierung ist gut, aber es kommt auf Handlungen
       an“, sagt einer der jungen Leute. Ein anderer warnt: „Wir dürfen uns nicht
       mit Lippenbekenntnissen abspeisen lassen.“ Für die einzelnen Menschen haben
       sie aber schon auch Verständnis. „Gerade die kleinen Läden müssen ja oft um
       ihre Existenz kämpfen“, sagt Felipa Goltz.
       
       Die Fronten beim Klimastreik verlaufen anders als bei einem regulären
       Tarifstreit. Die MacherInnen von Fridays for Future wollen alle mitnehmen,
       sie wollen auch für Arbeitgeber anschlussfähig sein.
       
       Wie ernst ist es den Unternehmen, wenn es darum geht, den eigenen Betrieb
       lahmzulegen, reale Ausfälle zu haben? Um das herauszufinden, hat die taz in
       der vergangenen Woche über 50 deutsche Unternehmen kontaktiert, darunter
       viele große Firmen wie Vattenfall und Bosch, Daimler und die Deutsche Bahn,
       aber auch kleinere Unternehmen wie eine Bäckerei und einen Fahrradladen.
       Wir haben gefragt: Unterstützen Sie die Ziele der Bewegung Fridays for
       Future und des Klimastreiks am 20. September? Ermutigen Sie Ihre
       MitarbeiterInnen, am Klimastreik teilzunehmen? Und wie werden Sie mit
       MitarbeiterInnen umgehen, die unentschuldigt bei der Arbeit fehlen?
       
       ## Firmen äußern sich widersprüchlich
       
       In ihren Antworten erklären die Unternehmen zunächst durchgängig, wie
       wichtig für sie das Thema Klima ist. Keine der knapp 40 Firmen, die auf
       unsere Fragen reagierten, distanzierte sich von den Zielen von Fridays for
       Future. Die SprecherInnen zählen auf, was ihr Unternehmen in diesem Bereich
       bereits tut.
       
       In der Summe ergibt sich ein großes Bekenntnis zum Kampf gegen den
       Klimawandel. Für den Klimastreik folgt daraus aber wenig. Fast alle
       verweisen auf Urlaubstage oder flexible Arbeitszeiten. Sprich: Die
       Beschäftigten können in ihrer Freizeit zur Demonstration gehen.
       
       „Ob jemand an einer Demonstration teilnimmt, ist eine private
       Entscheidung“, schreibt der Sprecher von RWE. Bei BMW heißt es: „Eine
       etwaige Teilnahme findet außerhalb der Arbeitszeit statt und rechtfertigt
       kein unentschuldigtes Fehlen.“ Bosch nennt den 20. September einen
       „globalen Mahntag“, mahnt aber auch: „Zu einem respektvollen Miteinander –
       auch in der Firma – gehört, dass man sich entschuldigt bzw. abmeldet,
       sollte man nicht wie geplant zur Arbeit erscheinen.“
       
       Noch deutlicher wird der Widerspruch bei anderen Firmen. Da ist etwa die
       Onlineplattform Zalando mit über 14.000 MitarbeiterInnen. Ihr
       Vorstandsmitglied Rubin Ritter hat sich der Initiative „Leaders for Climate
       Action“ angeschlossen. „The clock is ticking. It’s time for Action“ steht
       auf der Website. Für die Mitarbeiter von Zalando gilt das offenbar nicht.
       „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am Klimastreik teilnehmen
       möchten, können von ihren regulären Urlaubstagen Gebrauch machen“, teilt
       die Sprecherin mit.
       
       ## Manche Unternehmen machen mit
       
       Doch es gibt auch Unternehmen, die den Klimastreik tatsächlich
       unterstützen. Bäckermeister Roland Schüren ist Inhaber der Bäckerei
       Schüren, die rund um Düsseldorf 19 Filialen hat und knapp 250
       MitarbeiterInnen beschäftigt. Er wird bei der Klimademo in Haan eine Rede
       halten. Seit Mittwoch verkauft die Bäckerei Fridays-for-Future-Biobrot für
       4,50 Euro das Stück, den Erlös will er der Klimabewegung spenden.
       
       Und trotzdem bleiben seine Filialen am Freitag offen. „Wir können unmöglich
       die Kunden vor den Kopf stoßen. Bei mir wird mit den Füßen abgestimmt“,
       sagt Schüren. Freitagmittag sei besonders viel los. Die Kunden würden
       einfach in die nächste Bäckerei gehen. „Das wäre geschäftsschädigend, das
       kann ich nicht verantworten.“
       
       Andere Unternehmen gehen etwas weiter. Die Alnatura-Märkte werden am 20.
       September nur mit einer „Notbesetzung“ arbeiten. Bei Lichtblick wird wohl
       der Kundenservice eine Zeit lang ausfallen – damit die Beschäftigten
       demonstrieren können. Auch die Naturstrom AG stellt ihre MitarbeiterInnen
       für die Zeit der Demo frei.
       
       Die GLS-Bank schließt am Freitag ihre Zentrale in Bochum, 480
       MitarbeiterInnen sind hier beschäftigt. Die telefonische Kundenberatung
       werde ausfallen, das Online-Banking funktioniere aber weiter. „Original
       Unverpackt“, die nur Produkte ohne Verpackung verkaufen, planen mit dem
       ganzen Team an der Demo teilzunehmen. Auf die Frage, wie sie mit
       Mitarbeitern umgehen, die am Freitag unentschuldigt fehlen, schreibt die
       Geschäftsführerin: „Mitarbeiter*innen, die unentschuldigt auf der Demo
       fehlen? Das darf passieren, aber dann muss man sich nur gegenüber den
       Kolleg*innen rechtfertigen.“
       
       ## „Our house is on fire“
       
       Die Unternehmen also, die am Freitag das Geschäft dichtmachen wollen, sind
       im Zweifel Firmen mit Öko-Image, deren Kunden so eine Haltung verstehen
       oder sogar erwarten.
       
       Am Mittwochabend treffen sich die AktivistInnen von Fridays for Future
       erneut im Wedding. Mit einem Lastenrad ziehen sie los. Sie sprühen ihre
       Logos mit Kreidefarbe und Schablone auf Gullydeckel und Bürgersteige.
       
       Vor dem Rathaus wollen sie ein großes Bild auf das Pflaster malen. Die Box
       im Lastenfahrrad sorgt für den Soundtrack: „Hurra, die Welt geht unter“.
       Sie stellen sich im Kreis auf. „Mach du die Erde“, sagt jemand, eine junge
       Frau mit Dreadlocks dreht sich in der Mitte mit Kreidespray um sich selbst.
       Sie malt Flecken ins Rund, die Kontinente, schließlich orangefarbene
       Flammen drumherum. Felipa Goltz kniet daneben und schreibt: „Our house is
       on fire“. Ein anderer malt in weiß ganz groß: „20. 9.“
       
       „Ist das legal?“, will ein Passant wissen. Die Frau mit den Dreadlocks
       antwortet: „Klar, das ist Kreide, das geht beim nächsten Regen wieder ab.“
       Und was wird vom 20. September bleiben?
       
       ## „Der 20.9. ist unsere letzte Chance“
       
       Der Historiker Fuhrmann ist überzeugt, dass es in Deutschland die soziale
       Marktwirtschaft ohne den Generalstreik 1948 nicht geben würde. Kurz nach
       dem Streik beschlossen Ludwig Erhard und seine Verwaltung
       Preisregulierungen und stärkten die Sozialversicherungen.
       
       Am kommenden Freitag [2][wird das Klimakabinett seine Vorschläge
       präsentieren], anschließend tagen die Vereinten Nationen. Vielleicht wird
       das einmal der Anfang der „ökologischen Marktwirtschaft“?
       
       Für Benedikt Niemann aus der Ortsgruppe im Wedding hängt alles vom
       Klimastreik ab: „Fuck. Wir müssen das jetzt auf die Reihe bekommen, der 20.
       9. ist unsere letzte Chance.“ Felipa Goltz sagt: „Die Bewegung ist unsere
       letzte Chance. Wenn das nicht ankommt, wenn das ungehört verschallt, dann
       war es das.“
       
       17 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Frank-Bsirske-ueber-Klimastreiks/!5621168
   DIR [2] /Scholz-draengt-auf-Einigung/!5623055
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
   DIR Kersten Augustin
       
       ## TAGS
       
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Generalstreik
   DIR Schwerpunkt Klimaproteste
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Lesestück Interview
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Lesestück Interview
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Energiewende
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Forstwirtschaft
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vor dem Klimastreik: „Wir lassen uns nicht spalten“
       
       Luisa Neubauer von Fridays for Future und Nike Mahlhaus von Ende Gelände
       sprechen über Klimafrust, Radikalität und die Zukunft der Bewegung
       
   DIR Vater und Tochter über Aktivismus: „Die Klimakrise führt uns zusammen“
       
       Lukas Beckmann hat damals die Grünen mitgegründet, seine Tochter Jolinde
       Hüchtker geht heute zur Klimademo. Was verbindet und was trennt sie?
       
   DIR Offener Brief an Fridays For Future: Liebe FFF-Aktivist*innen, …
       
       Die Umweltfrage ist ohne einen Systemwechsel nicht lösbar. Kimaaktivisten
       wissen das, aber sie stellen die Systemfrage nicht. Ein offener Brief.
       
   DIR Streitgespräch Aktivistin vs. Energieboss: „Streiken Sie mit, Herr Mastiaux?“
       
       Sind sie Feinde – oder sogar Verbündete für eine neue Klimapolitik?
       FFF-Aktivistin Luisa Neubauer und EnBW-Chef Frank Mastiaux im
       Streitgespräch.
       
   DIR Globaler Klimastreik auch in Berlin: Dieser Streik ist politisch!
       
       Politischer Streik gilt in Deutschland als verboten, doch die Rechtslage
       ist uneindeutig. Fridays for Future und linke Gruppen rufen zum Streik auf.
       
   DIR Größte Klimasünder der Welt: Die dreckigen drei
       
       Wer ist der größte Klimasünder? China? Die USA? Die EU? Es kommt drauf an,
       wie man rechnet. Das Ergebnis kann durchaus überraschen.
       
   DIR Eon und RWE-Tochter: Einigung bei Stromriesen
       
       Die EU-Kommission erlaubt Eon und RWE, ihre Bereiche neu abzustecken. Damit
       könnte die langjährige Konkurrenz der Erzrivalen beendet sein.
       
   DIR FFF lädt R2G in Bremen aus: Keine Zukunft für Parteien
       
       Fridays for Future hat Bremens organisierte Politik vom Klimastreik am 20.
       September ausgeladen. Dabei findet sich die Regierung doch vorbildlich.
       
   DIR Parents for Future protestieren: Schild halten für die Zukunft
       
       Mit einer Mahnwache machen die Parents for Future auf den Klimastreik
       aufmerksam. Einmal pro Stunde ist Schichtwechsel.
       
   DIR Fridays for Future in Berlin: Ruhe vor dem Sturm
       
       Auch eine Woche vor dem globalen Klimastreik findet die Fridays-for-Future
       Demo statt: 13 Protestzüge aus allen Bezirken ziehen zum Kanzleramt.
       
   DIR Klimawandel und Waldsterben: It’s the ecology, stupid!
       
       Wälder sind komplexe Ökosysteme, die sich ans Klima anpassen können. Die
       Forstwirtschaft muss umdenken, wenn sie den Wald erhalten will.
       
   DIR Umgang mit Klimaskeptikern: Reißt Witze über die Katastrophe!
       
       Ein Klimaforscher und ein Karikaturist bringen in einem Buch
       wissenschaftliche Fakten und politische Satire zusammen. Super, um AfD-Opis
       zu ärgern.