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       # taz.de -- Klinik verweigert Abtreibungen: Der Arzt, der weiß, was Frauen wollen
       
       > Die einzige Klinik eines Landkreises bietet keine Abtreibungen mehr an.
       > Der neue Gynäkologie-Chef ruft Frauen zu Verhütung auf.
       
   IMG Bild: „Die Frauen selbst entscheiden lassen“: Informationsmaterial zum Schwangerschaftsabbruch (Symbolbild)
       
       Berlin taz | „Die jungen Damen könnten ja verhüten“ – weil ein Chefarzt das
       sagt, wird in seiner Klinik nur noch in Ausnahmefällen abgetrieben. Dabei
       ist sie die einzige Klinik im Landkreis Lüchow-Dannenberg.
       
       Am Dienstag haben Vereine, Beratungsstellen und Politiker aller Parteien
       die Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik heftig kritisiert. Denn Dr. Thomas Börner,
       der seit zwei Monaten die Gynäkologieabteilung leitet, hatte öffentlich
       erklärt, dass kein Arzt der Klinik mehr Schwangerschaften abbrechen werde.
       Es soll nur dann Ausnahmen geben, wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel
       steht.
       
       Das Dannenberger Krankenhaus ist zwar nichtkonfessionell, aber Börner sowie
       der Klinikleiter begründen die Entscheidung mit ihrem persönlichen
       christlichen Glauben. Er komme nicht damit klar, am OP-Tisch die „Tötung
       von werdendem Leben“ durchzuführen, sagte Börner der taz. Außerdem habe er
       die Erfahrung gemacht, dass ungewollt Schwangere nicht verhütet hätten,
       dass ihre Situation oft doch Kinder zulasse und dass viele die Abtreibung
       im Nachhinein bereuten. Seinen Angestellten verbiete er den Eingriff aus
       moralischer Verantwortung.
       
       Die rechtliche Grundlage von Börners Entscheidung ist wackelig: Zwar darf
       jeder Arzt entscheiden, ob er Abtreibungen durchführt oder nicht. Ob er das
       für seine ganze Abteilung entscheiden darf? Das prüft sowohl die
       Capio-Klinikkette selbst als auch das Gesundheitsministerium von
       Niedersachsen. Ministerin Cornelia Rundt sagte, sie bedauere die
       Entscheidung. „Den betroffenen Frauen bleibt dann nur noch, in
       entsprechende Kliniken und Arztpraxen in den unmittelbar angrenzenden
       Landkreisen auszuweichen“, kommentierte die SPD-Politikerin. Sie wies
       darauf hin, dass keine Frau sich leichtfertig gegen ein Baby entscheidet.
       
       Für Ärzte und Betroffene sind Abtreibungen gesunder Embryonen straffrei,
       wenn sie in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft stattfinden und
       vorher eine ausführliche Beratung stattgefunden hat.
       
       ## Nicht christlich, sondern „bevormundend“
       
       Zertifiziert für diese Beratung ist zum Beispiel Pro Familia. Claudia von
       Bülow leitet eine Beratungsstelle in der Nähe der Klinik. In ihrem Ort
       Uelzen kennt man Börner noch von früher als Abtreibungsgegner: Bis 2010
       praktizierte er in dem Ort als Frauenarzt und gründete einen Verein, der
       Frauen von der Abtreibung abhalten will. „Wir finden das schon schwierig,
       wenn zum Beispiel mit Schuldgefühlen gearbeitet wird“, sagte von Bülow am
       Dienstag. Börners Verein berate „einseitig“. Seine Äußerungen zum Thema
       Verhütung findet von Bülow „sehr, sehr befremdlich“.
       
       Unter den 31 Frauen, die im vergangenen Jahr in Dannenberg abgetrieben
       haben, sollen auch Minderjährige gewesen sein. Würde Börner für die eine
       Ausnahme machen? Keineswegs, antwortete der 55-Jährige, denn „Mütter,
       Freunde und Familien“ könnten den Betroffenen ja helfen, das Kind
       großzuziehen. Zudem habe er die Erfahrung gemacht, „dass sich der
       Schwangerschaftsabbruch auf das Leben der jungen Damen ebenso negativ
       auswirkt“ wie eine Mutterschaft unter 18.
       
       „Wenn es genauso negativ ist, dann lassen wir das doch das minderjährige
       Mädchen entscheiden“, so reagierte Nell Bickel, die eine Beratungsstelle in
       Lüneburg leitet. Ihr Verein donum vitae ist zwar christlich geprägt, aber
       nicht prinzipiell gegen Abtreibungen. Für Bickel sind Börners Aussagen
       nicht christlich, sondern „Bevormundung“.
       
       Die Quote der Schwangerschaftsabbrüche ist seit Jahren rückläufig. In
       Deutschland trieben 2015 knapp hunderttausend Frauen ab.
       
       7 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jana Anzlinger
       
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