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       # taz.de -- Kolonialgeschichte in Berlin: Togo und Kamerun liegen im Wedding
       
       > Ein interaktiver Stadtplan macht die Geschichte des Afrikanischen
       > Viertels und dessen koloniale Vergangenheit sichtbar.
       
   IMG Bild: Die koloniale Vergangenheit: oft verleugnet und vergessen, im Wedding nun mit einem Klick abrufbar
       
       Rund 40 kleine Sprechblasen hat das Projekt „Lern- und Erinnerungsort
       Afrikanisches Viertel“ (LEO) auf einer [1][digitalen Karte] von Wedding
       verteilt. Klickt man auf die Icons, ploppen Texte, Bilder oder Audiodateien
       mit Informationen zur Geschichte und den Straßennamen des Stadtteils
       zwischen Müllerstraße und dem Volkspark Rehberge auf. Damit soll
       BesucherInnen und AnwohnerInnen die koloniale Vergangenheit des Viertels
       zugänglicher werden.
       
       Das Afrikanische Viertel ist deutschlandweit das größte Stadtgebiet, in dem
       Straßennamen auf die koloniale Vergangenheit Deutschlands verweisen.
       Entstanden ist es um 1900, mehr als 20 Straßen dort sind nach Orten und
       Personen der deutschen Kolonialgeschichte benannt.
       
       Neben Togo- oder Kamerunstraße befinden sich dort auch die politisch
       besonders umstrittene Petersallee, der Nachtigalplatz und die
       Lüderitzstraße. Alle drei benannt nach damaligen Kolonialisten. Über die
       Icons lässt sich nun mehr über die Geschichte dieser Orte und Personen
       abrufen – sowohl beim Spaziergang durch das Viertel über das Smartphone als
       auch am Computer zu Hause.
       
       Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hatte 2011 beschlossen, das Viertel
       zu einem Lern- und Erinnerungsort für Kolonialgeschichte zu machen, und ab
       2013 Konzepte erarbeitet. „Wir wollten nicht nur Gedenktafeln in der Stadt
       verteilen, das wird leicht nur Stadtdekoration“, sagte Sabine Weißler,
       Kulturstadträtin von Mitte, die am Donnerstag nach dreijähriger Arbeit
       Bilanz zog. Das Afrikanische Viertel sei nicht irgendeine Stadtlandschaft,
       sondern in einem besonderen historischen Zusammenhang entstanden, sagte
       Weißler. Die Geschichte und Entstehung wollten sie dauerhaft sichtbar
       machen. „Mit der Webseite haben wir neue Formate entwickelt, um sich in
       einem historischen Raum zu orientieren.“
       
       ## Straßenumbenennungen eher symbolisch
       
       Bei der Arbeit habe man sich bemüht, eine dezidiert Schwarze Perspektive
       einzunehmen und daher mit Yonas Endrias, Diplom-Politologe und Aktivist der
       afrodeutschen Bewegung, zusammengearbeitet. „Dadurch hat sich auch unsere
       eigene Positionierung geändert“, berichtete Weißler. Neben der interaktiven
       Webseite hat LEO Lehrmaterialien über die Stadtteilgeschichte für die
       Möwensee-Grundschule erarbeitet und die Schwarze Bibliothek im
       Paul-Gerhardt-Stift mit einer umfangreichen Sammlung Schwarzer Literatur
       eröffnet.
       
       In der Diskussion der Ergebnisse tauchte auch die Frage nach den
       Straßenumbenennungen auf. Der BVV Mitte liegen Anträge von SPD und CDU dazu
       vor, die im März besprochen werden sollen. „Um Straßenumbenennungen ging es
       uns nicht, das muss gesondert diskutiert werden“, sagte Weißler. „Es wäre
       aus meiner Sicht schön, wenn nach diesem Projekt viele Menschen sagen
       würden, dass sie die Lüderitzstraße nicht mehr haben möchten“, fügte sie
       hinzu.
       
       „Aber Straßen umzubenennen, das ist zum Teil nur Symbolpolitik und keine
       echte Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte.“ Zu viele
       Umbenennungen könnte Geschichte auch unsichtbar machen. Deshalb sei sie so
       froh über die Ergebnisse der ersten drei Jahre: „Das Projekt hat uns da
       einen breiteren Horizont eröffnet, den wir halten wollen.“
       
       26 Feb 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.3plusx.de/leo-site/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uta Schleiermacher
       
       ## TAGS
       
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