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       # taz.de -- Kolumne Metwologie: Wie ertrinken, nur umgekehrt
       
       > #metwo: „Hast Du schon mal Rassismus erlebt“, fragen mich wohlmeinende
       > Weiße. „Hast Du schon mal gelebt?“, frage ich.
       
   IMG Bild: #Metwo ist das Gegenteil von Ertrinken
       
       Es gibt Dinge, die so überfällig sind. Als würde man sich die ganze Zeit
       mit einem Hammer auf den Kopf hauen [1][und dann ruft Ali Can #metwo ins
       Leben] und plötzlich hören die Kopfschmerzen auf. Es ist wie Ertrinken, nur
       umgekehrt. Endlich, endlich gibt es für all die ungeordneten Gefühle und
       Gedanken (G&G) ein Ventil und dieses Ventil heißt #metwo.
       
       Und weil es so viele G&G sind, weiß ich gar nicht, was ich zuerst tweeten
       soll: den schlimmsten Rassismus oder den letzten Rassismus oder was ist
       überhaupt Rassismus? Ein Beispiel: Ich bin gerade in Wales und die
       Waliser*innen haben die Währungsunion nicht mitgemacht. Es gibt britische
       Pfund mit der Königin darauf, nur dass sie im September den 10-Pfund-Schein
       aus Baumwolle gegen einen aus Plastik eingetauscht haben und ich natürlich
       noch eine Rolle alter Zehner besitze.
       
       „Kein Problem“, sagt mein Liebster. „Ich habe meine in der Bank
       umgetauscht.“ Also nehme ich ihn mit in die Bank. „Warum?“, fragt er.
       Auftritt: die Frau hinter dem Schalter, die mir erklärt, dass sie meine
       Scheine nicht umtauschen kann, ich könne sie nur auf mein Konto einzahlen
       (das ich natürlich nicht habe).
       
       „Darum“, sage ich. Ämter sind zu mir deutlich weniger zuvorkommend als zu
       ihm mit seiner milchweißen Haut und seinem Haar wie gesponnener Honig. Und
       er beweist, dass er der Mann meines Lebens ist, indem er nicht fragt: „Bist
       du sicher, dass das Rassismus war?“ Denn natürlich bin ich mir nicht
       sicher.
       
       ## Der Einfluss von etwas, das es nicht gibt
       
       Vielleicht ist sie lesbisch und am selben Morgen von ihrer Partnerin, die
       mir bis aufs Haar gleicht, verlassen worden. Das Problem mit Rassismus ist,
       dass Menschen nicht zu dir kommen und sagen: Guten Tag, ich intendiere, Sie
       aufgrund ihrer Hautfarbe zu diskriminieren.
       
       Menschen rufen einfach nicht zurück, wenn wir uns nach einer Wohnung
       erkundigen. Oder sie werfen Bewerbungen mit einem zu anders klingenden
       Namen in den Papierkorb. Oder sie geben einen Workshop und erkundigen sich
       freundlich, ob du Deutsch sprichst, und wenn du darauf antwortest „Ein
       bisschen“, fragt dich der Mann, der nicht der Mann deines Lebens war, warum
       du so aggressiv bist. Oder sie sind gute Freund*innen und erklären dir, wie
       wunderbar es ist, dass du eine Rassenmischung bist, weil Mischlinge
       besonders intelligent sind (schließlich ist das bei Hunden genauso).
       
       Rassismus ist nicht erst Rassismus, wenn AfD draufsteht. Rassismus muss
       nicht böse gemeint sein. Rassismus ist die Tatsache, dass etwas, was es gar
       nicht gibt – nämlich: Rasse – einen massiven Einfluss auf dein Leben hat,
       und zwar durchgehend und nicht erst, wenn Leute dir auf der Straße
       hinterher rufen: Geh nach Hause, Kanake!
       
       Deshalb bin ich immer so sprachlos, wenn mich wohlmeinende Weiße fragen:
       „Hast du denn schon mal Rassismus erlebt?“ Hast du schon mal gelebt?
       
       Mein Name ist Mithu, ihr könnt mich #metwo nennen!
       
       29 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Mithu Sanyal
       
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