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       # taz.de -- Kommentar Flüchtlingsretter in Italien: Wer hilft, wird plattgemacht
       
       > Die deutsche NGO „Jugend rettet“ wollte nicht mit der italienischen
       > Justiz kooperieren. Jetzt wurde ihr Schiff beschlagnahmt. Zufall ist das
       > nicht.
       
   IMG Bild: Das Schiff der NGO „Jugend Rettet“ am 2. August im Hafen von Lampedusa
       
       Das glaube, wer will: Seit einem Jahr ermittelt die italienische Justiz
       gegen Unbekannt wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Dann sollen sich die
       Verdachtsmomente gegen die NGO „Jugend Rettet“ plötzlich so weit erhärtet
       haben, [1][dass ihr Schiff beschlagnahmt wird] – und das genau einen Tag
       nach dem großen Streit mit dem Innenminister?
       
       Am Montag hatten sich „Jugend Rettet“ und vier andere NGOS geweigert, einen
       Verhaltenskodex zu unterschreiben. Den hatte die italienische Regierung
       sich ausgedacht, um sie an ihrem Tun zu hindern. Am Dienstag stellt ein
       Richter einen Durchsuchungsbefehl aus.
       
       Am Mittwoch kommen Polizei und Staatsanwaltschaft, verhören die Crew und
       beschlagnahmen das Schiff. Das ist keine unabhängige Justiz. Es ist das
       Gegenteil: Eine Justiz, die sich ganz offensichtlich in den Dienst der
       Regierung stellt. Die sich dafür hergibt, die Strafverfolgung für
       politische Zwecke zu missbrauchen: damit die Regierung gegen ihre Gegner
       vorgehen kann.
       
       Knapp 100.000 Menschen sind dieses Jahr im Mittelmeer gerettet und nach
       Italien gebracht worden, etwa 40 Prozent von ihnen durch NGOs. Italien
       will, dass das aufhört. Auch wenn das bedeutet, dass noch mehr Menschen
       ertrinken. Seit einigen Monaten hatte die Regierung deshalb versucht, die
       Seeretter mit Gerüchten zu diskreditieren.
       
       ## Geraune über Schlepper-Kontakte
       
       Im April setzte der Senat eine Anhörung an, um von der Justiz zu erfahren,
       was an den Vorwürfen dran sei. Es kam heraus: Nichts. Kurze Zeit war Ruhe,
       dann setzte das Geraune über Schlepper-Kontakte wieder ein. Auch der
       deutsche Innenminister beteiligte sich daran.
       
       Nachdem der Rechtsblock um Silvio Berlusconi 2013 die Macht an den
       Sozialdemokraten Enrico Letta abgegeben hat, hat Italien einen
       menschenfreundlicheren Kurs gefahren. Es hat gerettet, es hat mit den NGOs
       kooperiert, es hat Flüchtlinge aufgenommen. Und zwar viele. Und es ist
       dabei von der EU konsequent allein gelassen worden. Jetzt verfällt das Land
       wieder in die Verhaltensmuster aus der Ära von Berlusconi und den
       Postfaschisten.
       
       Mit den Mitteln der Justiz gegen missliebige Seeretter vorzugehen – diese
       Methode wurde bereits unter anderem bei der Organisation Cap Anamur
       angewendet. Auch ihr gleichnamiges Schiff war zum Retten im Mittelmeer
       unterwegs. Es wurde 2004 festgesetzt, beschlagnahmt, die Besatzung musste
       ins Gefängnis und wurde angeklagt. Ähnlich erging es tunesischen Fischern.
       Sie wurden am Ende freigesprochen. Aber der Weg dahin war eine Botschaft an
       alle, die Flüchtlinge gerettet und nach Italien gebracht haben. Genau wie
       jetzt. Sie lautet: Wer weiter macht, wird platt gemacht.
       
       3 Aug 2017
       
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