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       # taz.de -- Kommentar Protest Istanbul: Der Anfang vom Ende Erdogans
       
       > Kleiner Protest ganz groß. Die Polizei reagiert repressiv, doch das Volk
       > feiert. Zu Recht: Die Bürger haben gesehen, dass Widerstand erfolgreich
       > ist.
       
   IMG Bild: Das Volk hat gesiegt? Protest in Ankara.
       
       „Das Volk hat gesiegt“, titelt am Sonntag die oppositionelle Zeitung
       Cumhurriyet und bringt damit zumindest das Gefühl eines Teils der
       türkischen Bevölkerung auf den Punkt. Jahrelang, vor allem aber in den
       letzten Monaten, hatte ein zunehmend autoritär und arrogant werdender
       Ministerpräsident Tayyip Erdogan immer mehr Leute gedemütigt, bis die
       aufgestaute Wut sich jetzt explosionsartig entlud.
       
       Statt auf die Einwände von Anwohnern, Umweltschützern, Architektenkammer
       und anderen Besetzern des zentralen Istabuler Gezi-Parkes einzugehen,
       verkündete Erdogan schon am ersten Tag des Protestes: ihr könnt machen was
       ihr wollt, wir werden unser Bauprojekt auf jeden Fall durchziehen. Statt
       eines Angebots zum Dialog, kamen die Polizeischläger im Morgengrauen.
       
       Doch seine Arroganz hat Erdogan dieses Mal in die Irre geführt. Der
       Konflikt um den Gezi-Park wurde zur Abrechnung mit dem Alkoholverbot, der
       Repression an den Universitäten, der Unterdrückung der Meinungsfreiheit und
       der Dreistigkeit, mit der seine islamistische Anhängerschaft sich breit
       gemacht hat in dem Glauben, ihnen allein gehöre das Land.
       
       Mit jeder Nacht in der Erdogan seine Polizei am Gezi-Park zuschlagen ließ,
       kamen am folgenden Tag mehr Leute zum Taksim-Platz. Mit rabiatem
       Polizeiterror versuchte die Regierung dagegen anzugehen. Nach fünf Tagen
       zog dann Staatspräsident Gül die Notbremse. Als bereits in fast allen
       großen türkischen Städten, selbst in konservativen Hochburgen wie Kayseri
       und Konya, Tausende auf die Straße gingen, beendete er den Staatsterror und
       ließ die Polizei zurückziehen.
       
       Rund eine halbe Million Menschen feierten am Samstagabend auf dem
       Taksim-Platz im Zentrum Istanbuls ihren ersten echten Sieg über Erdogan
       seit dessen Regierungsantritt vor mehr als zehn Jahren. Überall in der
       Türkei gingen Menschen auf die Straße und forderten den Rücktritt der
       Regierung.
       
       Noch ist völlig unklar, was politisch daraus folgt. Doch Erdogan ist nicht
       mehr unantastbar, sein Siegernimbus ist dahin. Die Leute haben gesehen,
       dass Widerstand erfolgreich ist. Sie werden sich Erdogans
       Umerziehungsdiktatur nicht länger gefallen lassen.
       
       2 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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