# taz.de -- Kommentar USA und Osama Bin Laden: Arzt als Bauernopfer
> Die CIA feiert sich für die Ergreifung bin Ladens. Doch der Arzt, der
> dabei half, sitzt in Pakistan im Gefängnis. Der Hass auf die USA ist
> größer denn je.
IMG Bild: Um ihn drehte sich 2011 alles. Doch die Bemühungen haben wenig geholfen (Archivbild)
Wie lächerlich ist das denn? Zum fünften Jahrestag der Kommandoaktion
veröffentlicht der US-Geheimdienst [1][CIA per Twitter ein angebliches
Minutenprotokoll der Tötung Osama Bin Ladens] im pakistanischen Abbottabad.
Die US-Geheimdienste, deren Ruf nicht erst seit Edward Snowden angekratzt
sind, müssen offenbar den Erfolg ihres tödlichen Zugriffs von 2011 noch
einmal herausstellen. Zur Wahrheitsfindung und Dekonstruktion der – nicht
nur – in Pakistan beliebten Verschwörungstheorien trägt diese plumpe
PR-Aktion jedoch nicht bei.
Bis heute weiß die Öffentlichkeit nicht, was damals genau geschah. Schon
die Vorgeschichte ist nur bruchstückhaft bekannt. Welchen Anteil hatten die
US-Geheimdienste an bin Ladens Aufstieg zum antisowjetischen
Freiheitskämpfer in Afghanistan, der sich später gegen seine Förderer
wandte und zu ihrem größten Feind wurde? Wer half ihm, sich jahrelang in
Pakistan zu verstecken? Und wer war genau beteiligt, ihn später dort
aufzuspüren? Das Interesse der amerikanischen und pakistanischen
Geheimdienste an Antworten hierauf ist sehr selektiv, ihr bilaterales
Verhältnis von tiefem Misstrauen erschüttert.
Unaufgeklärt ist bis heute der Beitrag, den der pakistanische Arzt Shakil
Afridi mit einer vorgetäuschten Impfkampagne beim Aufspüren bin Ladens
leistete. Unklar sind auch seine Beweggründe. Handelte er aus „edlen“
Motiven, aus Geldgier oder Rache? Pakistan entzog ihn mit einer dubiosen
Klage der Öffentlichkeit. In Isolationshaft kann Afridi nicht zur
Aufklärung beitragen, die Pakistans Mächtige nicht wünschen. Die Amerikaner
müssen ihre geostrategischen Interessen im Blick behalten. Afridi wurde
dabei zum Bauernopfer zweier Geheimdienste.
Der militante Islamismus hat sich in Pakistan zu einem großen Problem
entwickelt, zumal der pakistanische Geheimdienst mit genau diesem
Islamismus bis heute in Afghanistan, Kaschmir und im Inland Politik macht.
Die USA hatten das lange akzeptiert, solange Pakistan ihren Interessen
folgte. Zugleich überweisen sie seiner Elite, die so wenig Steuern zahlt
wie in kaum einem andere Land, Milliarden von Dollar. Wenn jetzt
US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump behauptet, er würde Afridi
innerhalb von zwei Minuten seiner Präsidentschaft frei bekommen, zeugt dies
von der Erkenntnis, dass die USA ihr Geld in Pakistan schlecht investiert
haben.
In der Tat haben sie in keinem Land so viel Geld investiert und
gleichzeitig so viel Hass geerntet. Doch wenn Trump im Fall Afridis mit dem
Finanzknüppel droht, geht das am Kern des Problems vorbei. Die USA und ihre
Geheimdienste haben in Pakistan ein massives Imageproblem. Daran ändern
weder Drohungen noch Tweets der CIA etwas. Erstere dürften noch mehr nach
hinten losgehen.
3 May 2016
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DIR [1] https://twitter.com/search?q=%23UBLRaid&amp&src=typd
## AUTOREN
DIR Sven Hansen
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