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       # taz.de -- Kommunalpolitiker:innen im Visier: Hass im Lokalen
       
       > Immer mehr politisch Engagierte werden bedroht, Angriffe nehmen zu.
       > Schuld sind auch Coronapöbler, aber der Hass reicht weiter zurück.
       
   IMG Bild: Die Demokratie muss offen bleiben können: Haus des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke
       
       Er saß für die CDU im Stadtparlament, 20 Jahre lang, wurde später
       Regierungspräsident. In seinem Dorf packte er auch dann weiter mit an, bei
       der Feuerwehr und in der Kirche, war immer ansprechbar, seine Hausterrasse
       war offen zugänglich. Auf Bürgerversammlungen schickte er nicht Mitarbeiter
       vor, sondern sprach selbst. So wie im Oktober 2015, als er für die
       Unterbringung von Geflüchteten warb und ihm Hass entgegenschlug. Und ein
       Rechtsextremist diesen Auftritt zum Anlass nahm, [1][den Familienvater vier
       Jahre später zu ermorden, auf seiner Terrasse. Walter Lübcke].
       
       Dieses Verbrechen bleibt ein Fanal. Eines, dem wir uns stellen müssen: als
       Einzelne, als Gesellschaft, als Institutionen. Und das man sich gerade
       jetzt wieder vor Augen führen muss.
       
       Das Magazin Kommunal veröffentlichte eine Umfrage, nach der 72 Prozent der
       befragten Bürgermeister:innen im vergangenen Jahr beleidigt, bedroht
       oder tätlich angegriffen wurden. Im Jahr zuvor waren es 64 Prozent. Ein
       Drittel der Befragten sieht den Anstieg in der Coronapandemie begründet,
       etwa im Unmut über die Maskenpflicht. Auch die Sicherheitsbehörden zählten
       im vergangenen Jahr 2.629 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger – mehr
       als doppelt so viel wie vor zwei Jahren.
       
       Einen Aufschrei lösten diese Zahlen nicht aus. Meldungen, in denen
       Kommunalpolitiker:innen von „Querdenkern“ bedrängt, beschimpft oder
       zu Hause aufgesucht werden, sind beinah alltäglich. Es sind auch bisher
       unauffällige Bürger:innen, die keine Grenze mehr kennen und keinen Anstand.
       Und auch das kommt uns bekannt vor: Schon ab 2015, mit der verstärkten
       Aufnahme von Geflüchteten, traf dieser Hass die
       Kommunalpolitiker:innen. Am Ende gaben einige ihre Ämter auf.
       
       ## Kein Innehalten
       
       Es ist etwas ins Rutschen gekommen. Und der Fall Lübcke zeigt, was am Ende
       stehen kann. Umso bestürzender ist es, dass nicht mal dieser Mord zu einem
       Innehalten der Wutbesessenen führte. [2][Erst am Donnerstag stand eine
       Rechtsextremistin in München vor Gericht], die Patronen an
       Kommunalpolitiker verschickte – [3][mit bewusstem Verweis auf den
       Lübcke-Mord].
       
       „Gegenwehr ist leider bitter nötig“, [4][kommentierte Bundespräsident
       Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag die Angriffe auf Mandatsträger.] Jede
       weitere Bedrohung verunsichert die Aktiven, lässt sie sich zurückziehen
       oder am Ende ganz aufgeben. Dann wird es immer weniger Engagement geben,
       wie es Walter Lübcke vor seinem Tod zeigte. Und irgendwann funktioniert
       Demokratie nicht mehr.
       
       29 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Jahrestag-des-Mordes-an-Walter-Luebcke/!5688581
   DIR [2] https://www.br.de/nachrichten/bayern/terror-prozess-nuernberger-rechtsextremistin-vor-gericht,SVtor4V
   DIR [3] /Mord-an-CDU-Politiker-Walter-Luebcke/!5692952
   DIR [4] https://www.tagesschau.de/inland/hass-gegen-kommunalpolitiker-103.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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