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       # taz.de -- Konflikt in Chile: Gewalt gegen Mapuche
       
       > Trotz Ausnahmezustand ist in Chile wieder ein Mapuche getötet worden.
       > Präsident Boric hatte die politische Maßnahme zuvor selbst noch
       > kritisiert.
       
   IMG Bild: Mapuche-Frauen bei einer Zeremonie in Puerto Saavedra (Region La Araucanía) am 21. Mai
       
       Buenos Aires taz | In der südchilenischen Region La Araucanía ist ein
       Angehöriger vom Volk der Mapuche getötet worden. Am frühen Dienstagmorgen
       war ein Kleinbus mit 30 Waldarbeitern von Vermummten beschossen worden.
       Während vier Personen durch die Schüsse verletzt wurden, verstarb ein
       66-Jähriger an den Folgen eines Kopfschusses.
       
       „Für einen solchen Gewaltausdruck gibt es keine Rechtfertigung“, erklärte
       Innenministerin Izkia Siches und kündigte eine intensive Suche nach den
       Verantwortlichen an. Ähnlich äußerte sich [1][Präsident Gabriel Boric].
       Wieder habe die Gewalt ein Opfer gefordert, so der [2][Präsident]. „Wir
       werden es nicht tolerieren, dass uns Gewalt als Methode der Konfliktlösung
       aufgezwungen wird“, twitterte er.
       
       Seit Jahren kommt es in der Region La Araucanía zu Überfällen und
       Brandanschlägen auf Farmen, Forstbetriebe und Transportfahrzeuge. Der
       Verdacht richtet sich auch gegen radikale Gruppen der Mapuche, die für die
       Rückgabe ihrer Ländereien kämpfen.
       
       Doch in den vergangenen Monaten wurden nahezu täglich gewalttätige Vorfälle
       oder Sabotageakte gemeldet. Der Verband der Lastwagenfahrer*innen und
       Transportfirmen drohte damit, den Süden des Landes lahmzulegen, sollte die
       Regierung nicht endlich einschreiten.
       
       ## Militarisierung statt Politik des Dialogs?
       
       Mitte Mai verhängte die Regierung schließlich den Ausnahmezustand über La
       Araucanía und Teile der Region Bío-Bío. „Wir wollen nicht die Regierung
       sein, unter der ein Soldat ein Mitglied einer Landgemeinschaft tötet“,
       versuchte Innenministerin Siches etwas hilflos den Einsatz der Militärs zu
       erklären. Es gehe darum, „die Landstraßen zu schützen und den freien
       Personenverkehr und die Versorgung zu ermöglichen“, so Siches.
       
       Denn mit der Verhängung des Ausnahmezustands vollzog Präsident Gabriel
       Boric eine 180-Grad-Wende. Im Wahlkampf hatte er die Militarisierung der
       Region durch die konservative Vorgängerregierung von Präsident Sebastián
       Piñera heftig kritisiert und bei seinem Amtsantritt im vergangenen März
       eine „Politik des Dialogs“ angekündigt. Piñera hatte im Oktober 2021 den
       [3][Ausnahmezustand über La Araucanía und Bío-Bío verhängt] und diesen bis
       zum Ende seiner Amtszeit vom Kongress stets verlängern lassen.
       
       Die Fronten sind denn auch wieder verhärtet. „Diese Regierung redet schön,
       macht aber das gleiche wie die davor“ erklärte Víctor Queipul, Anführer
       eines Teils der Mapuche in Ercilla, einem Epizentrum der gewaltsamen
       Auseinandersetzungen in La Araucanía.
       
       „Die Soldaten auf die Straße zu schicken, wie es Boric getan hat, bedeutet
       den Mapuche den Krieg zu erklären“, so Queipul in einem [4][Interview] mit
       der chilenischen Tageszeitung La Tercera.
       
       ## Mapuche sind uneinig
       
       Der Tod des 66-jährigen Waldarbeiters und Mapuche wirft aber auch ein
       Schlaglicht auf Widersprüche und Uneinigkeit unter den Mapuche. Sie sind
       keine homogene Gemeinschaft, die an einem Strang zieht.
       
       Mit rund 1,6 Millionen Angehörigen sind sie das größte indigene Volk des
       Andenstaates und stellen gut neun Prozent der rund 17,5 Millionen Chilenen.
       Sie sind in den südlichen Regionen La Araucanía, Bío-Bío und Los Ríos
       beheimatet. Ein Großteil lebt jedoch in der Hauptstadt Santiago.
       
       25 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Praesidentschaftswahl-in-Chile/!5822998
   DIR [2] https://twitter.com/gabrielboric/status/1529207927638138881?s=20&t=e-Uju8PdWycnjl2PVa9h_Q
   DIR [3] /Ausnahmezustand-in-Teilen-Chiles/!5804080
   DIR [4] https://www.latercera.com/politica/noticia/victor-queipul-lonko-de-temucuicui-sacando-a-los-militares-a-la-calle-lo-que-ha-hecho-boric-es-declararles-la-guerra-a-los-mapuches/WTLG53WXKNGBRBBH2DECQVPWHE/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
       ## TAGS
       
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