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       # taz.de -- Konflikt zwischen Kurden und Türkei: Rojava bereitet sich auf Krieg vor
       
       > In dem kurdisch-dominierten Gebiet in Syrien wächst die Sorge vor
       > weiteren Angriffen der Türkei. An Rojavas Seite steht die syrische
       > Regierungsarmee.
       
   IMG Bild: Kurdisch-arabische „Syrische Demokratische Kräfte“ (SDF) marschieren in Nordsyrien
       
       Qamishlo taz | Der Angriff nahe der nordirakischen Stadt Dohuk ist einer
       von vielen in der Region. Denn im Nordirak führt die Türkei einen oft wenig
       beachteten Krieg. Doch auch in den kurdisch geprägten, autonomen Gebieten
       in Nord- und Ostsyrien, auch bekannt unter dem Namen Rojava, gibt es immer
       wieder Angriffe.
       
       Zuletzt hat nach Angaben der „Syrischen Beobachtungsstelle für
       Menschenrechte“ eine türkische Drohne in der Nacht des 19. Juli einen
       Stützpunkt der bewaffneten Kräfte Rojavas, die Syrischen Demokratischen
       Streitkräfte (SDF), angegriffen und mindestens zwei Soldaten getötet – der
       dritte Drohnenangriff in Nordostsyrien der letzten drei Tage.
       
       Für die Türkei sind die SDF [1][ein Ableger der PKK]. Seit Wochen gibt es
       in Rojava Raketen- und Drohnenangriffe der Türkei. Deren Präsident
       [2][Recep Tayyip Erdoğan] hatte bereits Anfang Juni eine „neue Phase“ des
       Kriegs verkündet. Seitdem droht Ankara mit einer weiteren Invasion in
       Nordsyrien, als erstes Angriffsziel wurden die Orte Tel Rifaat und Minbij
       benannt. Die Türkei hat bereits seit 2016 in drei Angriffskriegen große
       Teile Rojavas annektiert.
       
       Bereits am 6. Juli hatte daher die Autonomieverwaltung von Nord- und
       Ostsyrien den Ausnahmezustand ausgerufen. Dies ist das erste Mal, das
       dieser für das gesamte Gebiet gilt. Der Beschluss wurde auf einer
       Dringlichkeitssitzung des Generalrats gefasst. Darin heißt es: „Alle
       Kommunen, Räte und Institutionen der Selbstverwaltung werden aufgefordert,
       Notfallpläne zu beschließen, um den aktuellen Herausforderungen und
       Bedrohungen zu begegnen.“
       
       ## Menschen schließen ihre Geschäfte, verlassen ihre Häuser
       
       In Qamishlo, der mit 200.000 Menschen größten kurdisch-dominierten Stadt
       der Region, geht der Alltag indes unvermittelt weiter. Zwar sind an den
       zahlreichen Checkpoints in und um die Stadt vermummte Polizist:innen
       mit Kalaschnikows positioniert, das gehört jedoch zum Alltag. Auch der Bau
       von Schutzanlagen, Tunneln und Bunkern wird weiterhin, unabhängig vom
       Ausnahmezustand, vorangetrieben.
       
       Anders sieht die Situation jedoch im direkt vom Krieg bedrohten Tel Rifaat
       und Minbij aus. Dort schließen, übereinstimmenden Berichten zufolge
       zahlreiche Geschäfte, und Menschen verlassen aus Sorge vor dem Krieg die
       Stadt. Ibrahim Sheikho ist Sprecher der Menschenrechtsorganisation Afrin
       und lebt in Tel Rifaat. Er sagt: „Wir bereiten uns auf den Krieg vor und
       werden hier bleiben. Wir werden die drohenden Schäden für die Menschen und
       die kommenden Verbrechen hier dokumentieren.“
       
       Auch die Streitkräfte der SDF bereiten sich auf einen Krieg vor und haben
       angekündigt, ihre Gebiete zu verteidigen. Auf einer Pressekonferenz nahe
       der nordsyrischen Stadt Hasaka machte SDF-Kommandeur Mazloum Abdi deutlich,
       dass Rojava keinen Krieg wolle: „Wir tun alles, um einen Krieg zu
       verhindern“, doch stehe ein Angriff unmittelbar bevor. Daher sei man
       genötigt gewesen, mit der syrischen Regierung des Machthabers Bashar
       Al-Assad zu verhandeln. Dieses Mal werde man nicht allein sein, alle in der
       Region seien bereit, auch die syrische Armee.
       
       Nach mehreren Wochen sei man zu einem Kompromiss zur gemeinsamen
       militärischen Verteidigung gekommen. In den letzten Tagen wurden daher
       verstärkt Artillerie und Panzer der syrischen Armee in die Grenzregion
       verlegt. Die Autonomieverwaltung betont jedoch, dass dies keine
       Zugeständnisse an Damaskus seien, sondern lediglich die ohnehin bestehenden
       Stützpunkte des Regimes in der Region betreffe. Bei den bisherigen
       türkischen Invasionen war es bereits zu ähnlichen Absprachen gekommen, ohne
       dass die syrischen Truppen jedoch wirklich in die Kämpfe eingegriffen
       hätten.
       
       Viele Menschen in Rojava sorgen sich, dass ein [3][Angriff der Türkei] die
       gesamte Region destabilisieren könnte.
       
       21 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Christopher Wimmer
       
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