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       # taz.de -- Konjunkturpaket in der Coronakrise: Ziemlich zurückgelehnt
       
       > Der Bundestag hat wichtige Teile des Corona-Konjunkturpaketes
       > beschlossen. Auf Kritik aus der Opposition ging die Regierung nicht ein.
       
   IMG Bild: Nur jeder dritte Platz im Plenum durfte belegt sein: Bei der Sondersitzung des Bundestages
       
       Berlin taz | In einer Sondersitzung hat der Bundestag am Montagmittag einen
       wichtigen Teil des Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets der
       Großen Koalition beschlossen. Kernpunkte sind die temporäre Senkung der
       Mehrwertsteuer und ein Kinderbonus. Beides soll helfen, die
       wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern. Für das zweite
       Corona-Steuerhilfegesetz stimmten alleine die Regierungsfraktionen. FDP und
       AfD votierten dagegen, Grüne und Linkspartei enthielten sich.
       
       In der vorangegangenen Debatte ging es vorallem um die zeitlich befristete
       Mehrwertsteuersenkung, die Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 20
       Milliarden Euro nach sich zieht. Sie wird am 1. Juli in Kraft treten. Bis
       Jahresende fallen dann statt 19 nur noch 16 Prozent Mehrwertsteuer beim
       Einkauf an.
       
       Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen
       Bedarfs gilt, reduziert sich von 7 auf 5 Prozent. „Wir entlasten gerade
       hier die mittleren und die kleineren Einkommen in besonderer Art und
       Weise“, schwärmte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
       
       [1][Die Opposition] kritisierte die Pläne in der Bundestagsdebatte
       allerdings deutlich. Einer der Hauptkritikpunkte: Es unklar, in welchem
       Ausmaß die [2][Mehrwertsteuerentlastung auch bei den Verbraucher:innen
       ankommen] wird. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) habe einen „großen
       Wumms angekündigt“, geliefert habe er jedoch „eine gewagte, unkalkulierbare
       Wette“, sagte etwa der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz.
       
       Die Linkspartei-Abgeordnete Sahra Wagenknecht verwies auf europaweite
       Studien, nach denen Mehrwertsteuersenkungen im Schnitt nur zu 15 Prozent
       über sinkende Preise weitergegeben würden.
       
       „Von dem Betrag, den die Senkung der Mehrwertsteuer kostet, hätte man 20
       Millionen Familien mit niedrigem Einkommen oder mit krisenbedingten
       Verlusten, also jedem zweiten Haushalt in Deutschland, einen Konsumscheck
       von 1.000 Euro schicken können“, sagte Wagenknecht. So jedoch würden vor
       allem Unternehmen mit großer Marktmacht profitieren, beispielsweise der
       Versandhändler Amazon, der ohnehin schon ein Krisengewinnler sei. Sie
       attestierte der Koalition eine „Unfähigkeit, Geld dahin zu lenken, wo es
       wirklich gebraucht wird“.
       
       Auch die FDP bezeichnete die vorübergehende Steuersenkung als weitgehend
       wirkungslos. Selbst im „optimistischsten Fall“, dass das Geld doch
       vollständig im Portemonnaie der Menschen landen würde, spare ein
       durchschnittlicher Haushalt gerade einmal 30 Euro im Monat, sagte
       FDP-Fraktionsvize Christian Dürr. Dem stehe jedoch ein „absurder
       bürokratischer Aufwand“ für den Einzelhandel gegenüber.
       
       Keine Kritik gab es hingegen an einem weiteren wichtigen Punkt des zweite
       Corona-Steuerhilfegesetzes: der Gewährung eines einmaligen Kinderbonus in
       Höhe von 300 Euro für jedes im Jahr 2020 kindergeldberechtigte Kind. Dabei
       wird dieser Bonus nicht auf die Grundsicherung angerechnet und bei
       besserverdienenden Haushalten mit dem Kinderfreibetrag verrechnet.
       
       ## Geänderte Abschreibungsregeln, um Firmen zu entlasten
       
       „Der Kinderbonus kommt Familien zugute, die es brauchen, das unterstützen
       wir“, sagte die Linke Wagenknecht. Die ersten 200 Euro sollen im September
       mit dem Kindergeld ausgezahlt werden, die restlichen 100 Euro im Oktober.
       
       Darüber hinaus soll der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für einen
       Zeitraum von zwei Jahren von derzeit 1.908 Euro auf 4.008 Euro angehoben
       werden. Zudem gibt es Erleichterungen für Firmen, etwa durch geänderte
       Abschreibungsregeln. Außerdem sollen sie aktuelle krisenbedingte Verluste
       besser mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen können und so in der
       Krisenzeit mehr Geld in der Kasse haben.
       
       Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier verfolgten die
       Debatte schweigend von der Regierungsbank aus. Sie hielten es offenkundig
       nicht für nötig, selbst das Wort zu ergreifen, um auf die Kritik der
       Opposition einzugehen. Stattdessen meldete sich Altmaier via
       Pressmitteilung: Es sei „wichtig, dass das Konjunkturprogramm zügig und
       ohne Abstriche umgesetzt wird“.
       
       29 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gruene-und-Linke-zur-Rolle-der-Opposition/!5696436
   DIR [2] /Linken-Politiker-ueber-Konjunkturpaket/!5696244
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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