# taz.de -- Konzertempfehlung: Elektro-Jazz aus Norwegen: Es blubbert dort und pocht
> John Derek Bishop ist mit seinem experimentellen Ambient-Projekt Tortusa
> am Donnerstag im Madame Claude zu Gast.
IMG Bild: Bishops Musik klingt, als würde man den Mond von einer Höhle aus ansehen – oder von einer Hütte
Tortusas Musik kommt aus der Isolation, aus dem Rückzug. Sie ist ein
Absinken in den eigenen Körper, in den man lauscht und der wiederum seine
Umgebung resoniert. Es blubbert dort und pocht wie in „I Hear Myself in the
Silence“, das anfänglich einen schnellen, gedämpften Basslauf verfolgt und
der an ein stolperndes Hamsterherz erinnert.
Intime Sounds aus dem Innenreich bringt Tortusa hervor, aber es wäre eine
Fehlannahme zu meinen, [1][John Derek Bishop] – so heißt Tortusa in
Wirklichkeit – beschäftige sich ausschließlich damit, was denn so im
Inneren passiert. Und möglicherweise tut er das auch überhaupt nicht und
die acht Stücke, die es auf seinem ersten Album „[2][I know this Place –
The Eivind Aarset Collages]“ anzuhören gibt, lassen diese Schlüsse
lediglich zu.
Aber auch das erzählt etwas über diese Musik, die weit ist und schweift und
sich dabei doch gleichzeitig so stark in sich selbst zurückzieht. „I know
this Place“ ist vor einem Jahr auf dem norwegischen Label Jazzland
erschienen und es ist eine ziemliche Ehre für Bishop, der als 15-Jähriger
(geboren wurde er 1985) mit Elektro-Jazz in Kontakt kam. Bishop erklärt:
„Ich habe zwar einen Hintergrund als Jazz-Bassist, fühlte mich der
elektronischen Musik aber immer stark verbunden. Elektro-Jazz war einfach
die Richtung, in der ich mich am wohlsten gefühlt habe.“
## Würdigung eines Idols
Die musikalische Initiation fällt mit den Anfangsjahren von [3][Jazzland]
zusammen, das 1996 von Pianist Bugge Wesseltoft gegründet wurde. Eine recht
revolutionäre Truppe hatte der damals um sich geschart, unter anderem auch
Eivind Aarset, ein Gitarrist, der sowohl Heavy-Metal als auch Jazz konnte
und der als Solokünstler sein Debütalbum „Électronique Noire“ (1998) auf
Jazzland veröffentliche. Ein ziemlich großartiges Album, das beginnt wie
eine frühe Platte von Massive Attack und das im positiven Sinne arty ist,
auch wegen der Trompete Nils Petter Molvaers.
„Électronique Noire“ gilt als Meilenstein des Nu-Jazz und folgenschwer war
es sicher auch für John Derek Bishop, der aus der norwegischen Stadt
Stavanger kommt. „I know this Place – The Eivind Aarset Collages“ ist, wie
der Titel unschwer erkennen lässt, eine Würdigung jenes Mannes, den Bishop
als sein „Idol“ bezeichnet: „Ich höre die Musik von [4][Eivind Aarset]
schon sehr lange und bewundere ihn wegen seines einzigartigen Sounds und
seines Gefühls für Musik.“
Die Kontaktaufnahme erfolgte einige Jahre später klassisch wie direkt: „Als
Aarset einmal ein Konzert in Stavanger spielte, habe ich ihm eine E-Mail
geschickt und ihn gefragt, ob er nicht einmal Lust hätte, mit mir
zusammenzuarbeiten. Ich wollte seine Aufnahmen verwenden und etwas Neues
daraus machen. Er war einverstanden! Drei Jahre habe ich an „I know this
Place“ gearbeitet und Aarset immer wieder meine Stücke geschickt, sein
Feedback eingeholt und so weiter. Auf zweien spielt er sogar selbst mit.“
## Organisch von Fläche zu Fläche
Doch Bishop hat sich nicht darauf beschränkt, Teile aus Aarsets
Jazzland-Katalog zu sampeln und zu mixen. In seinen Ambient-Sounds geht es
auch um Natur, vornehmlich um den Wald, denn in der Nähe eines solchen ist
„I know this Place“ entstanden, im Süden Norwegens, genauer in einer Hütte
bei Egersund. Das gibt dem Album einen netten New-Age-Anstrich, aus der
Kurve fliegt man hier bestimmt nicht.
Die Tracks entwickeln sich organisch von einer Fläche zur nächsten, es gibt
Trompeten, die an Molvaer denken lassen, aber auch an den US-Amerikaner Jon
Hassell, von dem sich sicherlich nicht nur Molvaer hat beeinflussen lassen.
Hassells erstes Album „Vernal Equinox“ erschien 1977 und legte den
Grundstein dafür, was Hassell „Fourth World“ nannte: ein Musikstil, in dem
sich „uralte Weisheit“, „neueste Technologie“ und „organische Formen“
miteinander verbinden sollten.
Hassell nahm Alben mit Brian Eno auf („Fourth World, Vol. 1: Possible
Musics“) und kollaborierte mit Peter Gabriel und David Sylvian (hörenswert:
„Words With the Shaman“ mit Can-Bassist Holger Czukay). John Derek Bishop
nennt als Einfluss auch den norwegischen Ambient-Musiker Biosphere (Geir
Jenssen), dessen Arctic-Ambient-Album „Substrata“ ungefähr zu dem Zeitpunkt
erschien, als Bishop sein Erwachen mit Eivind Aarset und Elektro-Jazz
hatte.
## Den Mond von einer Höhle aus ansehen
Mit Geir Jenssen verbindet John Derek Bishop neben der Musik aber auch die
Fotografie. Für Booklet und Cover von „I know this Place“ hat Bishop
Naturszenerien eingefangen, die ins Abstrakte verfremdet sind,
Nachtaufnahmen, denen etwas Unheimliches und zugleich Friedliches
innewohnt. Es sind Makroaufnahmen von Bachläufen und Blättern und ganz zu
Anfang blickt ein Halbmond vom Himmel. Bishops Musik klingt, als würde man
diesen Mond von einer Höhle aus ansehen (oder von einer Hütte) und Aarsets
Gitarren-Plateaus (oder das, was Bishop als Tortusa aus ihnen gemacht hat)
erscheinen weich, doch genauso distanziert.
Manchmal muss man an den Franzosen Jay Alanski denken und sein Projekt A
Reminiscent Drive, denn sowohl Alanski als auch Bishop schicken einen hin
und wieder in ein mysteriöses Tanger. Anderes ist Dance-lastiger, doch
nicht sehr, ein bisschen wie Warps Artificial-Intelligence-Serie aus den
frühen 90ern. Bishop scheint mehrfach verankert in dieser Dekade, was sich
am 9. März in der Kreuzberger Bar Madame Claude gewiss wohltönend
nachvollziehen lässt.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
8 Mar 2017
## LINKS
DIR [1] http://bishopnorway.weebly.com/
DIR [2] http://www.jazzlandrec.com/shop.php?iid=112&category=Jazzland&action=item&title=i-know-this-place---the-eivind-aarset-collages
DIR [3] http://www.jazzlandrec.com/
DIR [4] http://www.eivindaarset.com/
## AUTOREN
DIR Carolin Weidner
## TAGS
DIR Jazz
DIR elektronische Musik
DIR Norwegen
## ARTIKEL ZUM THEMA