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       # taz.de -- Kremlkritiker im Koma: Nawalny darf ausreisen
       
       > Der schwer erkrankte Oppositionspolitiker soll in Deutschland medizinisch
       > behandelt werden. Zuvor war seine Ausreise versagt worden.
       
   IMG Bild: Alexej Nawalny (Mitte) auf einem Selfie auf dem Weg ins Flugzeug bei Tomsk
       
       Moskau taz | Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny darf nach einer
       möglichen Vergiftung nun doch zur Behandlung ins Ausland geflogen werden.
       Das teilten die behandelnden Ärzte im sibirischen Omsk nach Angaben der
       Agentur Interfax am Freitag mit. Auch Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch
       bestätigte das.
       
       Zuvor hatten die behandelnden russischen Ärzte bei Nawalny eine
       Stoffwechselstörung diagnostiziert. „Diese könnte durch den plötzlichen
       Abfall des Blutzuckerspiegels in einem Flugzeug hervorgerufen worden sein“,
       teilte Alexander Murachowski, der Chefarzt der Klinik in Omsk, Sibirien
       mit. Wie es zu dem Blutzuckerabfall gekommen sein könnte, sagte er nicht.
       
       Murachowski wies die Möglichkeit entschieden zurück, dass Nawalny vergiftet
       worden sei. [1][Der politische Aktivist war zuvor auf einem Flug von Tomsk
       nach Moskau zusammengebrochen]. Seine Mitstreiter*innen gehen von einer
       Vergiftung aus.
       
       Laut Murachowski sei Gift weder im Blut noch im Urin des Patienten gefunden
       worden. Die Tests hätten lediglich den Nachweis eines chemischen Stoffes an
       Kleidung und Haut von Nawalny geliefert, so der Arzt. Dieser Stoff werde
       zum Beispiel auch bei der Produktion von Plastikbechern eingesetzt.
       Nawalnys persönliche Ärztin, Anastassija Wassiljewa, schrieb im
       Kurznachrichtendienst Twitter: „Sie verkaufen uns wieder einmal für
       Idioten: sagen kluge, allgemeine Worte, aber können den Grund für das Koma
       und eine Diagnose nicht erstellen.“
       
       Der 44-jährige Kremlkritiker liegt seit Donnerstagmorgen im Koma auf der
       Intensivstation im Krankenhaus Nummer 1 in Omsk. Die Ärzte hatten ihn nicht
       für transportfähig gehalten. Derweil war ein Rettungsflugzeug mit Ärzten
       aus der Berliner Charité in Omsk angekommen. Der Moskauer Arzt Alexei
       Erlich sagte im Radiosender Echo Moskwy, dass im Grunde jeder Patient mit
       entsprechender Ausrüstung transportiert werden könne.
       
       ## Nawalny-Anhänger*innen treffen sich zu Demonstrationen
       
       Julia Nawalnaja, die Ehefrau des Oppositionellen, schrieb am Freitag einen
       Brief an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, er möge sich für die
       Ausreise ihres Ehemannes einsetzen. Vor Journalisten warf Nawalnaja den
       Ärzten vor, ihren Mann nur deshalb nicht verlegen zu lassen, damit der
       Stoff, der zum Zusammenbruch ihres Mannes geführt habe, aus dessen Körper
       verschwände.
       
       Nawalnys Anhänger*innen, die in vielen russischen Städten zu
       Einzeldemonstrationen auf die Straße gingen, wurden sogleich von der
       Polizei an ihrem Anliegen gehindert. Um den russischen
       Antikorruptionsaktivisten, [2][der von allen Oppositionspolitikern im Land
       das am besten aufgebaute Unterstützernetzwerk in der Provinz hat], hat
       längst ein Tauziehen angefangen. Während Nawalnys Mitstreiter*innen von
       Anfang an von einem politisch motivierten Giftanschlag auf ihre
       Führungsfigur überzeugt waren, geben Omsker Ärzte nur widerwillig Auskunft.
       
       Nawalnys Sprecherin schrieb bei Twitter, das Krankenhaus werde von Männern
       aus Sicherheitsstrukturen geschützt, so würden auch Nawalnys Angehörige
       davon abgehalten, mit den deutschen Ärzten in Kontakt zu treten. Die
       Kommunikation des Krankenhauses weckt den Verdacht, es gebe in der Tat
       etwas zu verbergen. Der gewohnten Taktik des Kremls aber kommt das Streuen
       von allerlei Informationen, wonach am Ende ein vollkommen unklares Bild vom
       Geschehen entsteht, entgegen.
       
       21 Aug 2020
       
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