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       # taz.de -- Krieg in Äthiopien: Neuer Rebellenstaat
       
       > Die Aufständischen haben die Region Tigray wieder eingenommen. Diese
       > Wende zeigt, warum Guerilla-Armeen immer wieder erfolgreich sind.
       
   IMG Bild: Eine Frau passiert Soldaten der Äthiopischen Regierungsarmee Anfang Mai 2021
       
       Es ist eine dramatische Wende in Afrikas derzeit brutalstem Krieg.
       Äthiopiens Armee, kampferfahren, hochgerüstet und vom Nachbarn Eritrea
       unterstützt, [1][muss die Waffen strecken und sich aus der rebellischen
       Bergregion Tigray zurückziehen]. Die dortige ehemalige Befreiungsarmee
       TPLF, die hier in den Bergen zuhause ist, marschiert triumphal zurück in
       die Hauptstadt Mekelle ein, die sie vor gut sieben Monaten räumen musste.
       
       Und weitere Städte fallen wie Dominosteine. Äthiopiens Regierung muss um
       eine Feuerpause betteln, während die Tigray-Führung ungerührt zur
       Fortsetzung des Kampfes aufruft, „bis unsere Feinde Tigray vollständig
       verlassen“.
       
       Wieder einmal zeigt sich: Keine konventionelle Armee der Welt kann in
       schwierigem Terrain gegen eine kollektiv als Feind bekämpfte Bevölkerung
       bestehen. Guerilla-Armeen haben das immer wieder vorgemacht. Großmächte der
       ganzen Welt haben viele Tausend Soldaten in Kriegen verheizt, nur um am
       Ende doch noch die Waffen strecken zu müssen.
       
       In Äthiopien müssten die Regierenden das eigentlich wissen: Tigray-Rebellen
       erhoben sich schon vor dreißig Jahren erfolgreich gegen die damalige
       sozialistische Militärdiktatur und übernahmen die Kontrolle über den
       Vielvölkerstaat Äthiopien, den sie allerdings auf lange Sicht nicht zu
       beherrschen vermochten. Erst als sie entmachtet und auf ihre Heimat
       zurückgeworfen waren, konnten sie zu ihren Wurzeln zurückfinden, als
       bewaffneter Arm einer Bevölkerung statt eines autoritären Zentralstaates.
       
       Äthiopiens Ministerpräsident [2][Abiy Ahmed], 2019 als
       Friedensnobelpreisträger weltweit bejubelt, steht nun vor den Scherben
       seiner Politik. Er wollte seine innenpolitischen Gegenspieler mit deren
       eigenen Mitteln schlagen, nämlich mit Gewalt. Er hat es nicht geschafft. Es
       ist fraglich, ob er diese Niederlage übersteht. Gleiches gilt für Eritreas
       Diktator Isaias Afeworki, der fast alle seine militärischen Mittel in den
       Tigray-Krieg geworfen hat, um sich an der Niederlage im Grenzkrieg von 1998
       bis 2000 gegen das damals noch Tigray-geführte Äthiopien zu rächen.
       
       ## Keine andere Wahl als die Guerilla
       
       Eritreas Politik der verbrannten Erde in Tigray war vor allem Vergeltung
       für frühere Zerstörungen, aber sie hat nichts erreicht: International wuchs
       die Empörung über immer neue dokumentierte Kriegsverbrechen; in Tigray
       blieb den Menschen keine Wahl als die Guerilla. Am Ende hat d[3][ie brutale
       Kriegsführung Äthiopiens] und Eritreas in Tigray der Guerilla zum Sieg
       verholfen.
       
       Indem Tigray jetzt mit der Waffe als Rebellenstaat neu entsteht, fordert
       nun auf dem äthiopischen Staatsgebiet ein neuer De-Facto-Staat den
       äthiopischen Zentralstaat heraus. Seit Jahrzehnten gibt es Warnungen, mit
       dem Ende der Militärdiktaturen vergangener Zeiten drohe Äthiopien der
       Zerfall, so wie einst Jugoslawien. Nie war diese Gefahr realer als heute.
       
       29 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-in-Aethiopien/!5783434
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Abiy_Ahmed
   DIR [3] /Krieg-in-Aethiopien/!5755133
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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