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       # taz.de -- Krieg in Nahost: Keine Atempause in Gaza
       
       > Israel fordert die Menschen in Gaza weiterhin auf, sich in den Süden der
       > Enklave zu begeben. Eine Waffenpause lehnt die israelische Führung ab.
       
   IMG Bild: Die israelischen Streitkräfte setzen ihre Bodenoffensive im Gazastreifen am Wochenende fort
       
       TEL AVIV taz | Einen Monat nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel
       fordern die Spitzen von 18 UN- und Hilfsorganisationen in einer seltenen
       gemeinsamen Erklärung eine „humanitäre Feuerpause“. Die gesamte Bevölkerung
       von Gaza werde belagert und „in ihren Häusern, Unterkünften, Kranken- und
       Gotteshäusern bombardiert“, hieß es in dem Papier, das unter anderem von
       der Weltgesundheitsorganisation, dem UN-Kinderhilfswerk und dem
       Welternährungsprogramm unterzeichnet wurde. Die israelische Armee lehnt
       eine Feuerpause ohne eine Freilassung der rund 240 in Gaza festgehaltenen
       Geiseln ab. [1][Sie setzt weiterhin auf Fluchtkorridore für Zivilisten in
       den Süden des Küstenstreifens].
       
       Die Zahl der seit Kriegsbeginn in Gaza getöteten Menschen stieg nach
       Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums auf über 10.000,
       darunter mehr als 4.100 Kinder. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig
       überprüfen. Zudem starben laut den UN-Organisationen binnen eines Monats 88
       Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge. Das sei die höchste
       Zahl von getöteten UN-Mitarbeitern, die es je in einem einzelnen Konflikt
       gegeben habe.
       
       Die israelische Führung will der Hamas keine Atempause geben. Die Soldaten
       bereiten sich offenbar nach der Teilung des Gazastreifens in einen Nord-
       und einen Südteil am Wochenende nun auf ein Vorrücken nach Gaza-Stadt vor.
       Binnen 48 Stunden sollen laut Medienberichten Infanterieeinheiten in die
       Stadt vorstoßen. Marine und Luftwaffe setzen ihre Angriffe indes fort: Rund
       450 Ziele seien am Sonntag angegriffen worden.
       
       In Gaza-Stadt sollen sich wichtige Kommandozentren der Hamas in
       unterirdischen Tunnelsystemen befinden. Armeesprecher Daniel Hagari stellte
       am Wochenende Material vor, das belegen soll, dass die Hamas Strukturen
       unter Krankenhäusern in Gaza angelegt hat. Die Hauptbasis liegt der Armee
       zufolge unter dem Al-Shifa-Krankenhaus. Die Angaben lassen sich nicht
       unabhängig überprüfen. Es wird jedoch befürchtet, dass in den kommenden
       Tagen auch Kliniken angegriffen werden könnten, in denen noch immer
       Zehntausende Menschen Schutz suchen.
       
       ## Vierstündiger Fluchtkorridor
       
       Die Armeeführung rief deshalb Zivilisten zum wiederholten Mal auf, sich in
       Richtung Süden in Sicherheit zu bringen. Die Salah Al-Din-Straße werde
       dafür zwischen 10 und 14 Uhr nicht angegriffen. Rund 800.000 Menschen
       sollen diesem Aufruf seit Kriegsbeginn gefolgt sein, noch immer aber
       befinden sich Hunderttausende im Norden. Der Weg ist vielen zu gefährlich,
       zumal auch im Süden weiter Bomben fallen und sich dort extrem viele
       Menschen auf engstem Raum zusammendrängen. Am Sonntagabend waren zum
       wiederholten Mal Telefon- und Internetverbindungen in Gaza unterbrochen.
       Wegen der schleppenden Versorgung mit Hilfsgütern aus Ägypten fehlt es an
       Wasser, Strom, Nahrungsmitteln und medizinischen Hilfsgütern.
       
       Für die israelische Strategie könnte indes das Schicksal der rund 240
       [2][nach Gaza verschleppten Geiseln] zum Problem werden. In Israel wächst
       die Sorge, dass deren Rückholung aktuell zu wenig Bedeutung eingeräumt
       werde. Die Hamas nutzt diese Sorge und erklärte, dass bereits mehr als 60
       Geiseln bei Luftangriffen getötet worden seien. Überprüfen lässt sich auch
       das nicht.
       
       Im von Israel besetzten Westjordanland sowie in Jerusalem bleibt die Lage
       angespannt. Ein 16-Jähriger tötete am Montagmorgen bei einem Messerangriff
       nahe der Jerusalemer Altstadt eine Polizistin und verletzte einen weiteren.
       Der Angreifer wurde getötet.
       
       Im [3][Westjordanland] nahmen israelische Sicherheitskräfte bei nächtlichen
       Razzien nach eigenen Angaben etwa 40 Palästinenser fest, darunter die
       bekannte Aktivistin Ahed Tamimi. Die 22-Jährige werde der „Anstiftung zur
       Gewalt und terroristischen Aktivitäten“ verdächtigt. Sie soll laut
       israelischen Medienberichten vor etwa einer Woche zum Mord an israelischen
       Siedlern aufgerufen haben. Seit dem Beginn des Kriegs wurden im
       Westjordanland rund 150 Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften
       oder von bewaffneten Siedlern getötet.
       
       6 Nov 2023
       
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   DIR Felix Wellisch
       
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