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       # taz.de -- Krieg in Ukraine und Russland: Verhandeln ohne Verhandlungsbasis
       
       > Kanzler Scholz will in der Ukraine „zügiger zu einem Frieden“ kommen.
       > Russland reagiert gelangweilt und hat seine eigenen Vorstellungen von
       > Frieden.
       
   IMG Bild: 10. September, Ramenskoje in der Region Moskau: Ukrainische Drohnenattacke zerstört Wohngebäude
       
       „Was soll denn bitte verhandelt werden?“, fragte Russlands Außenminister
       Sergei Lawrow am Montag nach einem Treffen des Golfkooperationsrates in
       Riad. In Saudi-Arabien reagierte er recht gelangweilt auf [1][den Vorstoß
       des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz], „aus der Kriegssituation (in der
       Ukraine) doch zügiger zu einem Frieden zu kommen“, wie sich der
       SPD-Politiker in seinem Interview mit dem ZDF gewunden ausdrückte.
       
       Lawrow sagte: „Wir verteidigen Menschenrechte. In der Ukraine wurden sie
       per Gesetz zertrampelt. Das sollten alle begreifen.“ Erst dann könne über
       irgendwelche „Friedenspläne“ nachgedacht werden. „Uns ging es nie um
       Territorien“, behauptete der 74-Jährige. Den Zynismus versteckt keiner von
       Russlands Offiziellen.
       
       Der Westen tue alles, um Russland eine Niederlage auf dem Schlachtfeld
       zuzufügen, sagte Lawrow. Russland aber werde das nicht zulassen. Auch
       Russlands Präsident Wladimir Putin wiederholt immer wieder, Russland werde
       siegen. Gleichzeitig bringt er – ebenfalls immer wieder – „Verhandlungen“
       ins Spiel, lässt dabei aber gern beiseite, was er unter „Verhandlungen“
       versteht: die Kapitulation der Ukraine.
       
       Putin verweist stets auf die sogenannten Vereinbarungen von Istanbul, auch
       wenn es solche Vereinbarungen nie gegeben hat. In Istanbul gab es im März
       2022 Gespräche zwischen der Ukraine und Russland, doch bei strittigen
       Punkten waren sich die Parteien nicht einig: Bei der Verminderung der
       ukrainischen Streitkräfte und noch weniger bei den Sicherheitsgarantien.
       Neben den USA, Großbritannien, Frankreich und China hätte auch Russland ein
       solcher Garant werden sollen.
       
       ## Das Verdrehte als Faktum
       
       Es kam zu keiner Unterschrift, auch wenn Moskau das Dokument gern als
       „fertig ausgearbeitet“ verkauft und meint, die Briten hätten die Ukrainer
       dazu gedrängt, es nicht zu unterschreiben. Ohnehin ist davon auszugehen,
       dass sich westliche Staaten kaum auf solche Garantien eingelassen hätten,
       weil sie nicht mit eigenen Streitkräften für die Ukraine in der Ukraine
       kämpfen wollen.
       
       Für Moskau aber haben die „Vereinbarungen von Istanbul“ bei jedem Gespräch
       über mögliche Verhandlungen regelrecht Bestand. Es ist die übliche
       russische Taktik, so lange über etwas Verdrehtes zu sprechen, bis das
       Verdrehte als Faktum wahrgenommen wird.
       
       Derweil heißt es in Russland: „Der Sieg wird unser sein.“ Der Satz ist
       längst zu einem Mantra geworden, das russische Politiker*innen,
       Propagandist*innen und auch Passant*innen auf der Straße immer
       wieder sagen, wenn sie meinen, es sei nun wirklich alles gesagt worden. Der
       russische „Sieg“, das macht der Kreml immer wieder deutlich, bedeutet
       russische Kontrolle über die Ukraine, [2][die Zerstörung der Ukraine als
       Staat].
       
       Russland hält die Ukraine für einen Vasallenstaat der Amerikaner, und so
       will Russland nicht mit Kyjiw sprechen, sondern eben mit den „Herren der
       Nazis“, wie es Moskau voller Verachtung ausdrückt: mit Washington.
       
       ## „Das Land, das den kollektiven Westen dirigiert“
       
       „Wir hören unterschiedliche Aussagen aus europäischen Ländern, aber nichts
       aus den USA, dem Land, das diesen Prozess steuert, das den kollektiven
       Westen dirigiert“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau.
       
       Der frühere Verteidigungsminister und jetzige Sekretär des Nationalen
       Sicherheitsrates, Sergei Schoigu, meinte, Verhandlungen mit der Ukraine
       seien „indiskutabel, bis wir die Ukraine von unserem Territorium vertrieben
       haben“. Damit spielte er auf die ukrainische Kontrolle in Teilen [3][der
       russischen Region Kursk] an. In den sozialen Netzwerken hieß es derweil:
       „Fahrt zur Hölle mit euren Friedensplänen!“
       
       10 Sep 2024
       
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